Koalitionsvertrag mit Licht und Schatten: Regionale Wirtschaft erwartet klare Prioritäten von neuer Bundesregierung

In der Woche vor der voraussichtlichen Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler hat die IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim eine Umfrage zur Bewertung des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD durchgeführt. Kernergebnis: Die regionalen Unternehmen bewerten einzelne Vorhaben positiv – bleiben insgesamt jedoch zurückhaltend. Mit den Umfrageergebnissen bringt die Wirtschaft in der Region ihre Erwartungen gegenüber der neuen Bundesregierung zum Ausdruck.
Koalitionsvertrag 2025
„Die Unternehmen sehen den Koalitionsvertrag mit gemischten Gefühlen“, erklärt IHK-Präsident Uwe Goebel. „Während geplante Maßnahmen wie Bürokratieabbau, Stromsteuerentlastung und verbesserte Abschreibungsbedingungen auf Zustimmung stoßen, fehlen an anderer Stelle zentrale Impulse für einen zukunftsfesten Wirtschaftsstandort.“
Den Ergebnissen zufolge sind nur 14 Prozent der Unternehmen mit den wirtschaftspolitischen Aussagen und Vorhaben im Koalitionsvertrag zufrieden, während 30 Prozent diese negativ bewerten. Gefragt danach, ob die im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen wirtschaftliche Impulse auslösen könnten, halten dies 33 Prozent für wahrscheinlich, während 30 Prozent dies für unwahrscheinlich halten.
Im Vergleich zur verhaltenen Gesamtbewertung fällt die Zustimmung zu einzelnen Maßnahmen deutlich positiver aus. Besonders gut schneidet aus Sicht der Unternehmen der geplante Bürokratieabbau ab, etwa durch schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren (91 Prozent positive Bewertung). Die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß wird ebenso begrüßt (90 Prozent) wie das klare Bekenntnis der Koalition zu internationalen Freihandelsabkommen (89 Prozent). Große Zustimmung findet die angekündigte Abschaffung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (85 Prozent). Als sinnvoll bewerten viele Unternehmen darüber hinaus die geplante Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit (84 Prozent), die vorgesehene Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen (81 Prozent) sowie die befristete Möglichkeit, Ausrüstungsinvestitionen degressiv mit 30 Prozent abzuschreiben (65 Prozent).
Auch das noch vom alten Bundestag beschlossene Finanzpaket wird mehrheitlich positiv bewertet – sofern das Geld effizient eingesetzt wird. „Mehr Mittel für Sicherheit und Infrastruktur sind in der aktuell herausfordernden Lage richtig. Entscheidend ist aber, dass es eine grundlegende staatliche Auf- und Ausgabenkritik sowie schlankere, digitale Prozesse gibt. Ohne diese Maßnahmen droht ein wirtschaftspolitisches Strohfeuer. Zudem muss die Tragfähigkeit der dann stark wachsenden Schuldenlast beachtet werden. Nur durch mehr Wachstum werden wir überhaupt in der Lage sein, diese auch zu bedienen“, so Goebel. Dabei gelte es zudem, die europäischen Schuldenregeln einzuhalten.
Kritisch beurteilt werden von den Unternehmen mehrere zentrale Vorhaben, allen voran die geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro, die von einer deutlichen Mehrheit der Befragten (83 Prozent) abgelehnt wird. In den Rückmeldungen wird zudem deutlich, dass viele Betriebe strukturelle Reformen vermissen, die aus ihrer Sicht für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Standorts wichtig wären. Insbesondere die hohen Lohnnebenkosten werden als wachsendes Problem wahrgenommen – eine Entlastung durch eine Reform der sozialen Sicherungssysteme ist aus Sicht der meisten Unternehmen (90 Prozent) insofern überfällig. Auch eine Senkung der im EU- und OECD-Vergleich hohen Unternehmenssteuern (79 Prozent), die Rückführung gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen sowie weitergehende Einkommensteuerentlastungen (76 Prozent) werden gefordert. Hinzu kommen der Wunsch nach einem verbindlichen Digitalisierungsfahrplan für die öffentliche Verwaltung mit messbaren Zielen (77 Prozent) und die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags (68 Prozent).
„Die regionale Wirtschaft erwartet kein politisches Klein-Klein, sondern eine verlässliche Standortagenda mit klaren Schwerpunkten: Bürokratieabbau, wettbewerbsfähige Steuern und eine funktionierende Infrastruktur durch kluge Investitionen und Planungsbeschleunigung“, betont Goebel. Die neue Bundesregierung müsse direkt mit einem Sofortprogramm für die ersten 100 Tage zeigen, dass sie Wirtschaft nicht nur mitdenke – sondern durch ihr Handeln unterstütze.
Die vollständigen Umfrageergebnisse werden in der laufenden Woche in den Sitzungen der IHK-Regionalausschüsse besprochen und fließen in die weitere wirtschaftspolitische Arbeit der IHK ein.