EFI-Jahresgutachten: Aufholjagd bei künstlicher Intelligenz gefordert

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat der Bundesregierung Ende Februar ihr Jahresgutachten übergeben. Dringenden Handlungsbedarf sieht die Kommission in Deutschland und Europa bei Künstlicher Intelligenz (KI). Gute Nachrichten hat sie bei der Attraktivität von Deutschland als Forschungsstandort. Das Gutachten analysiert und kommentiert die aktuelle Forschungs- und Innovationspolitik und bewertet und fordert konkrete Maßnahmen. Neben KI befasst sich das Gutachten mit den Schwerpunktthemen “Neue Technologien für eine nachhaltige Landwirtschaft”, “Internationale Mobilität im Wissenschafts- und Innovationssystem” und “Soziale Innovationen”.

Forschungs- und Innovationspolitik

Die Expertenkommission erkennt die Fortschritte an, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer transformationsorientierten Politik erreicht hat. Sie befürchtet aber, dass aufgrund zunehmender geopolitischer Zwänge sowie aufkommender innenpolitischer Spannungen die langfristige Transformationsorientierung einer eher kurzfristig ausgerichteten Krisenbewältigungspolitik weichen könnte.
Sie empfiehlt daher, in die Konzeption und Umsetzung transformationsorientierter Politikmaßnahmen regelmäßig folgende fünf grundlegenden Überlegungen einfließen zu lassen:
  • Langfristigen und strukturellen Zielen in kurzfristig angelegten Maßnahmen Rechnung tragen;
  • soziale Kompensation bei Maßnahmen zum transformativen Wandel von vornherein mitdenken;
  • Strukturwandel nicht ausschließlich finanziell begleiten;
  • Suche nach innovativen Lösungen der Wirtschaft überlassen und Partizipation der Gesellschaft ermöglichen;
  • Humankapital langfristig sichern.
Bei den von der Bundesregierung formulierten “Missionen” handele es sich um sehr langfristige Vorhaben. Das Erreichen der gesetzten Ziele innerhalb der laufenden Legislaturperiode sei illusorisch. Dennoch sollte die Bundesregierung die Umsetzung ihrer Missionen energisch weiterverfolgen und nicht tagespolitisch motivierten Erwägungen opfern.
Die Expertenkommission fordert u.a., das Reallabore-Gesetz zeitnah einführen, die Forschungszulage KMU-freundlich weiter zu entwickeln, den IP-Transfer für Ausgründungen zu erleichtern, die Nutzung standardessenzieller Patente zu erleichtern und Potenziale von Daten nutzbar zu machen.

Gefahr wachsender Abhängigkeit bei KI

China und die USA dominierten bei KI die Technologieentwicklung. Das zeige der Vergleich von KI-Publikationen und -Patenten. Auch bei großen Sprachmodellen und multimodalen Modellen, der Grundlage für viele KI-Anwendungen, seien Deutschland und die EU nicht führend. Dadurch bestehe die Gefahr, an technologischer Souveränität einzubüßen und damit KI-Technologien nicht selbst weiterentwickeln zu können. Das würde die Abhängigkeiten von anderen Wirtschaftsräumen in einer zentralen Schlüsseltechnologie erhöhen. Sie werde die technologische und ökonomische Entwicklung in den kommenden Jahren entscheidend prägen wird.

KI soll breiter angewendet werden

Um die Potenziale der KI nutzen zu können, müsse sie auch in der Breite der Wirtschaft zum Einsatz kommen. Das sei noch nicht gegeben, wie eine im Auftrag der Expertenkommission durchgeführte repräsentative Umfrage zeige. 2023 haben demnach in Deutschland nur 10 Prozent der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und 30 Prozent der Unternehmen der Informationswirtschaft KI eingesetzt. Etwa ein weiteres Viertel der Unternehmen in beiden Bereichen plane den zukünftigen Einsatz von KI. Eine hohe Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens auf dem Gebiet der KI bescheinigen sich nur sehr wenige Unternehmen, sechs Prozent im Verarbeitenden Gewerbe und 15 Prozent in der Informationswirtschaft.
Die Studie zeigt auch, dass einem breiteren Einsatz von KI einige hemmende Faktoren entgegenstehen. Vor allem fehlten zeitliche und persönliche Ressourcen, sagen rund 70 Prozent der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe und in der Informationswirtschaft. In vielen Unternehmen gäbe es Unsicherheit über den zu erwartenden Nutzen sowie Bedenken hinsichtlich der Reife und Zuverlässigkeit von KI. Fehlendes Wissen in den Unternehmen sowie ein fehlendes Fachkräfteangebot sind weitere hemmende Faktoren.

Aufholjagd gefordert: KI-Ökosystem kommt Schlüsselrolle zu

Die Expertenkommission empfiehlt, ein starkes und europäisch vernetztes KI-Ökosystem mit exzellenter Grundlagenforschung und einer leistungsfähigen KI-Infrastruktur aufzubauen. Dazu gehöre Rechenkapazität, an der es derzeit genauso mangle wie an einer wettbewerbsfähigen Dateninfrastruktur. Zentral bedeutsam sei es, Fachkräfte auszubilden, die über KI-Kompetenzen verfügen und international mobile Fachkräfte anzulocken.

Deutschland gewinnt als Forschungsstandort an Attraktivität

Neue Analysen zeigen einen Nettozuzug von Wissenschaftler:innen in Deutschland. Zudem kehrten viele Forscher:innen nach einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt wieder nach Deutschland zurückkehren. Grundsätzlich seien solche zirkulären Wanderungsbewegungen sehr begrüßenswert. Deutschland sollte daher die internationale Mobilität fördern und möglichst attraktive Bedingungen für Rückkehrerinnen und Rückkehrer schaffen. Dazu müsse endlich am Nadelöhr der Zuwanderung gearbeitet werden: den komplexen und langwierigen Verwaltungsprozessen. Zudem deuteten die Patentdaten deuteten darauf hin, dass Deutschland als Forschungsstandort an Attraktivität gewonnen habe.
(Quelle idw online)