Produktsicherheit: EU-Verordnung in Kraft

Im Mai 2023 ist die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden. Die Verordnung muss ab 13. Dezember 2024 in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar angewendet werden. Die Verordnung gilt vollumfänglich für alle ab diesem Datum in Verkehr gebrachten oder auf dem Markt bereitgestellten Verbraucherprodukte, die keinen spezifischen unionsrechtlichen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte unterliegen (z. B. Maschinenrichtlinie, Niederspannungsrichtlinie o.ä.). Neu ist beispielsweise, dass Hersteller eine Risikobewertung des Produkts vornehmen, eine technische Dokumentation erstellen und diese den Überwachungsbehörden zur Verfügung stellen müssen.
Bereits heute sind die Wirtschaftsteilnehmer wie Hersteller, Importeure, Händler oder Fulfillment-Dienstleister verpflichtet, nur sichere Produkte in den Verkehr zu bringen. Die neue Produktsicherheitsverordnung konkretisiert nun diese Pflicht und legt genaue Aufgaben für die Wirtschaftsteilnehmer fest. So müssen Hersteller beispielsweise eine Risikobewertung des Produkts vornehmen und eine technische Dokumentation erstellen und diese den Überwachungsbehörden zur Verfügung stellen.

Ziel

Alle Wirtschaftsakteure dürfen laut Artikel 5 in der EU nur sichere Verbraucherprodukte in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen. Darunter fallen gemäß Artikel 2 Nr. 13 die Hersteller, Bevollmächtigten, Einführer, Händler, Fulfilment-Dienstleister sowie alle anderen natürlichen oder juristischen Personen, die Pflichten im Zusammenhang mit der Herstellung von Produkten oder deren Bereitstellung auf dem Markt gemäß dieser Verordnung unterliegen.
Für alle in der EU in den Verkehr gebrachten Produkte sollen Verbraucher:innen künftig immer eine Ansprechperson innerhalb der EU haben, an die sie sich bei eventuellen Problemen mit der gekauften Ware wenden können.

Anwendungsbereich

Die Anforderungen der Produktsicherheitsverordnung gelten laut Artikel 1 für Produkte, für die keine spezifischen unionsrechtlichen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gelten (z. B. Maschinenrichtlinie, Niederspannungsrichtlinie o.ä.). Sind für Produkte im Unionsrecht spezifische Sicherheitsanforderungen festgelegt, so gilt die Verordnung nur für diejenigen Aspekte und Risiken oder Risikokategorien, die nicht unter diese Anforderungen fallen. Darüber hinaus beschreibt Artikel einige Produktgruppen, die gänzlich von der Verordnung ausgenommen sind wie Human- und Tierarzneimittel, Lebens- und Futtermittel oder Antiquitäten.
Die Verordnung gilt für neue, gebrauchte, reparierte oder wiederaufgearbeitete Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden. Sie gilt nicht für Produkte, die vor ihrer Verwendung repariert oder wiederaufgearbeitet werden müssen, wenn diese Produkte als solche in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden und eindeutig als solche gekennzeichnet sind.

Kriterien für die Sicherheit von Produkten

Die EU-Verordnung hat in Artikel 6 “Aspekte für die Bewertung der Sicherheit von Produkten” umfassende Kriterien zur Beurteilung der Sicherheit von Produkten verankert. Berücksichtigt werden dabei u.a.
  • Punkt a) Eigenschaften des Produkts (Gestaltung, technische Merkmale, Zusammensetzung, Verpackung, Anleitungen für den Zusammenbau, Installation, Verwendung und Wartung)
  • Punkte b und c) Einwirkung auf andere Produkten und Einwirkung anderer Produkte auf das Produkt (bei vorhersehbarer gemeinsamer Verwendung)
  • Punkt d) Aufmachung, Kennzeichnung, Warnhinweise, Anweisungen zur sicheren Verwendung des Produkts
  • Punkt e) zielgruppenspezifische Aspekte (z.B. besonders schutzbedürftige Verbrauchergruppen, Auswirkungen geschlechtsspezifischer Unterschiede auf Gesundheit und Sicherheit)
  • Punkt f) Erscheinungsbild des Produkts, wenn dieses dazu geeignet ist, den Verbraucher dazu zu verleiten, das Produkt in einer anderen Weise als derjenigen zu verwenden, für die es bestimmt war (z.B. Verwechslungsgefahr mit Lebensmitteln oder Spielzeugen)
  • Punkt g) Cybersicherheitsmerkmale
  • Punkt h) sich entwickelnde, lernende und prädikative Funktionen des Produkts

Pflichten der Hersteller

Hersteller müssen laut Artikel 9 Absatz 2 in jedem Fall eine interne Risikoanalyse durchführen, bevor sie ein Produkt in Verkehr bringen sowie technische Unterlagen erstellen, die mindestens eine allgemeine Beschreibung des Produkts und die für die Bewertung der Sicherheit relevanten wesentlichen Eigenschaften enthalten. Sie haben sicherzustellen, dass diese technischen Unterlagen auf dem neuesten Stand sind und für einen Zeitraum von zehn Jahren ab dem Inverkehrbringen des Produkts für die Marktüberwachungsbehörden bereitgestellt werden können (Absatz 3).
Die Hersteller stellen durch geeignete Verfahren sicher, dass bei Serienprodukten stets die Konformität mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot gemäß Artikel 5 gewährleistet ist.
Die Produkte müssen durch eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ähnliche geeignete Elemente identifizierbar sein (Absatz 5). Die Hersteller geben ihren Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke, die Postanschrift und die elektronische Adresse sowie, falls abweichend, die Postanschrift oder die elektronische Adresse der zentralen Anlaufstelle an, unter der sie kontaktiert werden können (Absatz 6).
Falls eine Kennzeichnung auf dem Produkt aufgrund seiner Größe oder Art nicht möglich ist, sind die erforderlichen Informationen auf der Verpackung oder in einer dem Produkt beigefügten Unterlage anzugeben.
Die Anweisungen und Sicherheitsinformationen müssen in einer vom Mitgliedsstaat festgelegten Sprache zur Verfügung gestellt werden, in dessen Marktgebiet das Produkt bereitgestellt wird. Die gilt nicht, wenn das Produkt auch ohne solche Anweisungen und Sicherheitsinformationen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden kann. (Absatz 7). Die Anweisungen und Sicherheitsinformationen für in Deutschland bereitgestellte Produkte müssen laut nationaler Umsetzung im Produktsicherheitsgesetz in deutscher Sprache vorliegen.
Absatz 8: Wenn ein Hersteller aufgrund ihm vorliegender Informationen der Auffassung ist oder Grund zu der Annahme hat, dass eines seiner Produkte ein gefährliches Produkt ist, so muss der Hersteller unverzüglich
  • die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergreifen, um die Konformität des Produkts auf wirksame Weise herzustellen sowie das Produkt ggf. vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen,
  • die Verbraucher infomieren und
  • die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten, in denen das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wurde, über das Safety-Business-Gateway davon unterichten.
Die Hersteller stellen sicher, dass andere Wirtschaftsakteure, verantwortliche Personen und Online-Marktplätze rechtzeitig über Sicherheitsprobleme auf dem Laufenden gehalten werden (Absatz 10) und richten über öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle die Möglichkeit zur Information und Beschwerde von Verbraucher:innen ein (Absatz 11). Die Hersteller untersuchen eingereichte Beschwerden und erhaltene Informationen über Unfälle, die die Sicherheit von Produkten betreffen (Absatz 12) und richten ein internes Beschwerdeverzeichnis ein (Absatz 13).

EU-Muster für Rückrufanzeigen

Artikel 35 fordert von den Wirtschaftsakteuren und Online-Marktplätzen im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs eine direkte und unverzügliche Unterrichtung der ihnen bekannten Verbraucher sowie der übrigen Verbraucher über geeignete Kanäle in Form einer Rückrufanzeige nach Artikel 36. Um ein einheitliches Verfahren zu fördern, hat die EU-Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) 2024/1435 eine Mustervorlage für eine Rückrufanzeige veröffentlicht. Die Anwendung der Mustervorlage ist nicht verpflichtend.

Pflichten der übrigen Wirtschaftsakteure

Die Pflichten der übrigen Wirtschaftsakteure sind unterschiedlich umfassend. Sie werden geregelt in
  • Artikel 10 Pflichten der Bevollmächtigten
  • Artikel 11 Pflichten der Einführer
  • Artikel 12 Pflichten der Händler
  • Artikel 13 Fälle, in denen die Pflichten der Hersteller für andere Personen gelten
    (Absatz 1: Übertragung der Herstellerpflichten beim Inverkehrbringen von Produkten unter eigenem Namen oder Handelsmarke)
Im Interesse der Verbraucher:innen und der Marktüberwachungsbehörden sieht der Entwurf des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) vor, dass die betreffenden Wirtschaftsakteure die folgenden nach der EU-ProdSV notwendigen Informationen in deutscher Sprache zur Verfügung stellen:
  • Anweisungen und Sicherheitsinformationen des Herstellers nach Artikel 9 Absatz 7 der EU-ProdSV (Einführer haben zu überprüfen, dass die Anweisungen und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache) beigefügt sind,
  • die Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen bei Produkten, die im Fernabsatz vermarktet werden,
  • die Informationen, die ggf. in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden und
  • die Informationen, die Online-Marktplattformen aus Verpflichtungen des Digital Services Act anzeigen müssen.

Wesentliche Veränderung (Artikel 13)

Im Falle einer wesentlichen Veränderung des Produkts durch eine andere natürliche oder juristische Person als den Hersteller, die sich auf die Sicherheit des Produkts auswirkt, gilt diese “Person” als Hersteller und unterliegt den Pflichten des Herstellers. Artikel 13 Absatz 3 präzisiert im Folgenden den Begriff der Wesentlichen Veränderung:
Eine physische oder digitale Änderung eines Produkts gilt als wesentlich, wenn sie sich auf die Sicherheit des Produkts auswirkt und die folgenden Kriterien erfüllt sind:
  • Durch die Änderung wird das Produkt in einer Weise verändert, die in der ursprünglichen Risikobewertung des Produkts nicht vorgesehen war;
  • aufgrund der Änderung hat sich die Art der Gefahr geändert, ist eine neue Gefahr entstanden oder hat sich das Risikoniveau erhöht; und
  • die Änderungen wurden nicht von den Verbrauchern selbst oder in ihrem Auftrag für ihren eigenen Bedarf vorgenommen.

Online-Vertrieb

Die Verordnung regelt eindeutig auch die Pflichten im Onlinehandel. So regelt Artikel 4 den Fernabsatz : Wird ein Produkt online oder über eine andere Form des Fernabsatzes zum Verkauf angeboten, so gilt das Produkt als auf dem Markt bereitgestellt, wenn sich das Angebot an Verbraucher in der Union richtet. Ein Verkaufsangebot gilt als an Verbraucher in der Union gerichtet, wenn der betreffende Wirtschaftsakteur seine Tätigkeiten in irgendeiner Weise auf einen oder mehr als einen Mitgliedstaat ausrichtet.
Folgende Angaben müssen laut Artikel 19 schon zum Zeitpunkt des Angebots gemacht werden:
  • Herstellerkennzeichnung: Angabe des Namens, des eingetragenen Handelsnamens oder der eingetragenen Handelsmarke sowie die Postanschrift und elektronische Adresse
  • Kennzeichnung des sog. EU-Wirtschaftsakteurs (sofern der Hersteller außerhalb der EU ansässig ist): Angabe des Namens sowie die Postanschrift und elektronische Adresse
  • Identifikationskennzeichnung: Produktabbildung und -art sowie sonstige Produktidentifikatoren
  • etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen
Online-Marktplätze werden künftig im Rahmen der Produktsicherheit stärker eingebunden (Artikel 22). Sie müssen eine zentrale Kontaktstelle für die Marktüberwachungsbehörden und Verbraucher benennen und sich beim Safety Gate Portal registrieren. Online-Marktplätze müssen anhand des Safety Gate Portal stichprobenartig prüfen, ob Angebote auf ihrem Marktplatz bereits als gefährlich identifiziert wurden. Sollte es bereits zu Verkäufen dieses Produkts gekommen sein, müssen die Plattformen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, beispielsweise die Verbraucher:innen informieren sowie alle notwendigen Abhilfemaßnahmen wie Produktrückrufe ergreifen. Auch sollen Online-Marktplätze solche Händler:innen von der Plattform nehmen, die häufiger gefährliche Produkte anbieten.

Wo finde ich EU-Produktanforderungen?

Die Datenbank von Access2Markets listet EU-weit harmonisierte Anforderungen an Produktgruppen oder Produktmerkmale auf. Darüber hinaus sind ggf. national geltende Vorschriften zu beachten, die nicht EU-weit harmonisiert sind. Die Datenbank enthält Informationen zu:
  • Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das jeweilige Produkt,
  • zuständigen Behörden, die über spezifische Produktanforderungen informieren,
  • Mehrwert- und Verbrauchssteuersätzen, die im jeweiligen EU-Land erhoben werden.
Die Access2Markets-Datenbank ist anhand der Zollcodes strukturiert.

(Quelle EU-Amtsblatt)