Reinhard Mohn und Bertelsmann - Jahresvortrag der GWWG

„Pionier eines neuen Management-Geistes“

Reinhard Mohn, einst Chef des Medienkonzerns Bertelsmann und eine der herausragenden Gründergestalten der Bundesrepublik Deutschland, war Thema des  traditionellen Jahresvortrags der GWWG in der IHK. Dazu hatte die GWWG einen der profiliertesten Kenner deutscher Großunternehmer als Referenten eingeladen: Prof. Dr. Joachim Scholtyseck von der Universität Bonn. 
Nach einem Jahr Unterbrechung durch die Corona-Pandemie konnte der Vorsitzende der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte (GWWG) und IHK-Vizepräsident Dr. Ansgar Fendel am 17. Mai rund 100 Gäste im  Großen Saal der IHK begrüßen. „Wir haben als Ausdruck des Dankes für die langjährige Treue und Unterstützung unserer Arbeit exklusiv nur unsere Mitglieder eingeladen“, erklärte er bei seiner Begrüßung.
Fendel freute sich besonders, Prof. Scholtyseck als Referenten gewonnen zu haben. Auf der Liste seiner Veröffentlichungen stehen außer Reinhard Mohn unter anderem die Namen Quandt, Freudenberg, Merck oder der des Metro-Gründers Otto Beisheim. „Ich finde es natürlich besonders spannend zu erfahren, welche Faktoren bei der Transformation eines traditionellen Buchverlages zu einem international führenden Medienkonzern die wesentliche Rolle gespielt haben“, so Dr. Fendel.
Reinhard Mohn (1921–2009) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Unternehmer des 20. Jahrhunderts. Aber war er auch ein „Jahrhundertunternehmer“? Einiges spricht dafür: Abschied vom Denken in patriarchalischen Strukturen, konsequente Delegation von Verantwortung und das Streben nach einem Unternehmertum, das sich der gesellschaftlichen Aufgaben eines dynamisch und international agierenden Unternehmens bewusst ist und zugleich höchst erfolgreich wirtschaftet – alle diese Aspekte kennzeichnen Mohns Kultur der Unternehmensführung.
Als Kriegsheimkehrer übernahm Mohn 1947 den elterlichen Verlag. Er repräsentierte die fünfte Generation der Eigentümerfamilien Bertelsmann/Mohn. Angeregt durch seine Ideen, deren Wurzeln unter anderem in seinen USA-Erfahrungen während seiner Kriegsgefangenschaft liegen, war er ein Pionier eines neuer Management-Geistes, der mit seinen Vorstellungen flacher Hierarchien seit den 1950er Jahren wegweisend war. Er stellte in den folgenden Jahrzehnten, beginnend mit der Gründung des Bertelsmann Leserings 1950, die Weichen für die Entwicklung von Bertelsmann zu einem international operierenden Medienkonzern mit sozialpartnerschaftlicher Unternehmenskultur. Zum wirtschaftlichen Erfolg seit der Zeit des „Wirtschaftswunders“ gesellte sich für die aus der ostwestfälischen Provinz heraus von Mohn gelenkte Bertelsmann AG hohes Ansehen als einer der attraktivsten und fortschrittlichsten Arbeitgeber der Bundesrepublik. 1977 rief Reinhard Mohn die Bertelsmann Stiftung ins Leben, die sich der Förderung einer demokratischen Bürgergesellschaft widmet und heute als bedeutendste unter den deutschen Stiftungen gilt.
In der anschließenden lebhaften Diskussion lenkte Dr. Karl-Peter Ellerbrock, Direktor des Westfälischen Wirtschaftsarchivs und GWWG-Geschäftsführer, den Blick auf die Frage nach den Verstrickungen der Familie Mohn mit dem NS-System und die Geschichtspolitik bei Bertelsmann. Auch die Rolle, die Liz Mohn in der Unternehmenspolitik spielte, wurde thematisiert.