Lieferketten

EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten

Mit der am 29. Juni 2023 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten in der Europäischen Union kommen auf Unternehmen zusätzliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette zu. Sie regelt EU-weit, dass bestimmte Rohstoffe wie Soja, Rinder, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee, Kautschuk und deren Erzeugnisse nur dann in der EU in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden dürfen, wenn diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen.
Hintergrund: Für den Konsum von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der Europäischen Union (EU) werden an anderen Orten der Welt Wälder gerodet. Bis zu 90 Prozent der globalen Entwaldung gehen laut der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf Rodungen für die Landwirtschaft zurück. Antriebsfaktor hierfür ist die große Nachfrage nach Rohstoffen wie Palmöl, Soja und Kakao in Konsumregionen wie den USA, China und der EU. Für einen erfolgreichen internationalen Waldschutz müssen ab 2024 auch Agrarrohstoffe entwaldungs- und waldschädigungsfrei produziert werden.
Die Etablierung von Transparenz ermöglicht es Unternehmen nicht nur, die Einhaltung der EUDR zu gewährleisten, sondern auch Risiken und Chancen in ihrer Lieferkette frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Anwendungsbereich

Die EU-Verordnung Nr. 2023/1115 für entwaldungsfreie Produkte wurde vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union am 31. Mai 2023 erlassen. Sie ist am 29. Juni 2023 in Kraft getreten und gilt – nach einer Übergangszeit von 18 Monaten – ab dem 30. Dezember 2024. Für KMU-Marktteilnehmer gilt nach Art. 38 Abs. 3 eine verlängerte Frist bis 30.06.2025.
Anders als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) findet die Verordnung auf alle Unternehmen Anwendung, die bestimmte Rohstoffe oder Erzeugnisse in die EU einführen, in der EU in Verkehr bringen, oder aus der EU ausführen. Alle relevanten Rohstoffe bzw. Erzeugnisse sind in Anhang I der Verordnung gelistet. Der Anhang umfasst u. a. die Rohstoffe Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja, Holz sowie deren relevante Erzeugnisse (Erzeugnisse gemäß Anhang I der Verordnung, die relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden), wie z. B. Lederwaren, Schokolade, Reifen oder Druckerzeugnisse.
Es ist zudem mit einer dynamischen Entwicklung zu rechnen: Die Liste der erfassten Rohstoffe sowie Erzeugnisse wird regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, wobei neue Daten wie sich verändernde Entwaldungsmuster berücksichtigt werden. Unternehmen sollten die Liste daher regelmäßig prüfen.
Angesichts eines in der Verordnung geregelten umfangreichen Pflichtenkatalogs und einer gewissen Rückwirkung bis zum 31. Dezember 2020 sollten betroffene Unternehmen sich frühzeitig auf die neuen Vorgaben einstellen und Maßnahmen ergreifen, um die Marktgängigkeit ihrer Produkte sicherzustellen und ihr internes Compliance-System anzupassen.

Regelungsinhalt

Während das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Sorgfaltspflichten vorsieht und Produkten, die unter Verstoß dagegen hergestellt wurden, nicht die Verkehrsfähigkeit abspricht, sieht die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten eine andere Regelungssystematik vor. 
Die Verordnung regelt in Artikel 3 ein sogenanntes Verkehrsverbot, wonach die relevanten Rohstoffe bzw. deren relevante Erzeugnisse nur dann in der EU in Verkehr gebracht, auf dem EU-Markt bereitgestellt oder aus dem EU-Markt ausgeführt werden dürfen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
  1. Sie sind entwaldungsfrei.
  2. Sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt.
  3. Für sie liegt eine Sorgfaltserklärung vor.

1. Entwaldungsfreiheit

“Entwaldungsfrei” bedeutet, 
  • dass die relevanten Rohstoffe bzw. relevante Erzeugnisse daraus nicht auf Flächen erzeugt worden sein dürfen, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden, oder
  • – im Falle von Holz und Holzerzeugnissen – dass das Holz aus dem Wald geschlagen wurde, ohne dass es dort nach dem 31. Dezember 2020 zu Waldschädigung gekommen ist.

2. Einhaltung einschlägiger Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes

Zusätzlich zur Entwaldungsfreiheit fordert Artikel 3 der Verordnung auch die Einhaltung einschlägiger Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes. Bei näherer Betrachtung der hiervon erfassten Themenbereiche zeigt sich, dass hiermit ein breites Spektrum an Regelungsbereichen umfasst wird.
Laut Definition sind dies die im Erzeugerland geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum rechtlichen Status des Erzeugungsgebiets in Bezug auf: 
  • Landnutzungsrechte, 
  • Umweltschutz,
  • forstbezogene Vorschriften, einschließlich Regelungen der Forstwirtschaft und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, wenn sie in direktem Bezug zur Holzgewinnung stehen,
  • Rechte von Dritten,
  • Rechte von Arbeitnehmern, 
  • völkerrechtlich geschützte Menschenrechte, 
  • den Grundsatz der freiwilligen und in Kenntnis der Sachlage erteilten vorherigen Zustimmung (the principle of free, prior and informed consent — FPIC), auch entsprechend der Verankerung in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker,
  • Steuer-, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften.

3. Sorgfaltserklärung

Mit einer Sorgfaltserklärung müssen Marktteilnehmer und Händler, die keine KMU sind, die Erfüllung der Sorgfaltspflicht und die Einhaltung der Verordnung bestätigen (Art. 4 und 5).
Ohne vorherige Vorlage einer Sorgfaltserklärung dürfen keine relevanten Erzeugnisse in Verkehr gebracht, bereitgestellt bzw. ausgeführt werden.
Verpflichtete, die auf Grundlage der Erfüllung der in Art. 8 der Verordnung beschriebenen Sorgfaltspflicht zu dem Schluss gekommen sind, dass die relevanten Erzeugnisse Art. 3 entsprechen, übermitteln den zuständigen Behörden – bevor sie diese in Verkehr bringen oder ausführen – über das (noch einzurichtende) Informationssystem eine Sorgfaltserklärung.
Diese elektronisch abrufbare und übermittelbare Sorgfaltserklärung muss die in Anhang II der Verordnung für diese Erzeugnisse aufgeführten Informationen enthalten sowie eine Erklärung des Verpflichteten darüber, dass er die Sorgfaltspflicht erfüllt hat, und dass kein oder lediglich ein vernachlässigbares Risiko festgestellt wurde. 

Sorgfaltspflicht: Was kommt auf Marktbeteiligte zu?

Die Verordnung verpflichtet die Marktbeteiligten zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten vor Einfuhr oder Bereitstellung auf dem Markt der EU oder Ausfuhr aus der EU.

1. Marktteilnehmer und Nicht-KMU-Händler

Bevor Marktteilnehmer und Nicht-KMU-Händler relevante Erzeugnisse in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen bzw. ausführen, müssen sie für alle relevanten Erzeugnisse, die von jedem einzelnen Lieferanten geliefert werden, die Sorgfaltspflicht erfüllen.
Die Sorgfaltspflicht umfasst zunächst die Sammlung bestimmter Informationen, Daten und Unterlagen in Bezug auf die Herkunft der Lieferung. Auf dieser Grundlage erfolgt eine Risikobewertung, um festzustellen, ob die Gefahr besteht, dass die relevanten Erzeugnisse nicht verordnungskonform sind. Ergibt die Risikobewertung, dass ein nicht vernachlässigbares Risiko besteht, müssen Verfahren und Maßnahmen zur Risikominderung getroffen werden. Die betroffenen Waren dürfen nur dann in der EU in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn kein oder allenfalls ein vernachlässigbares Risiko dafür vorliegt, das sie nicht verordnungskonform sind.
Vereinfachte Sorgfaltspflicht
Für relevante Rohstoffe und Erzeugnisse aus Ländern, die von der EU-Kommission als Länder mit geringem Risiko eingestuft wurden, gilt eine Sonderregelung: die vereinfachte Sorgfaltspflicht.
Sorgfaltserklärung
Kommen Marktteilnehmer und Nicht-KMU-Händler zu dem Ergebnis, dass die relevanten Erzeugnisse verordnungskonform sind, übermitteln sie vor dem Inverkehrbringen, der Bereitstellung oder der Ausfuhr elektronisch über das von der EU-Kommission errichtete Informationssystem eine Sorgfaltserklärung.

2. KMU-Händler

Dagegen dürfen KMU-Händler relevante Erzeugnisse nur dann auf dem Markt bereitstellen, wenn sie Informationen über An- und Verkäufer sammeln und dokumentieren.

Zuständige Behörde, Durchsetzung und Sanktionen

Die EU-Mitgliedstaaten sind für die Durchsetzung und Kontrolle der Verordnung verantwortlich. In Deutschland wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sein (BLE) die hierfür zuständige Behörde sein. Dabei kontrolliert die BLE insbesondere die Einhaltung der Verpflichtungen der Marktbeteiligten aus dieser Verordnung. Für die Kontrolle der heimischen Rohstoffe und Erzeugnisse aus Rindern, Soja und Holz sind dagegen die jeweiligen Landesbehörden zuständig. 
Mit den Vorbereitungen zur Umsetzung der Verordnung hat die BLE begonnen. In einem Erklärvideo des BZL – Bundesinformationszentrum Landwirtschaft wird gezeigt, wie die Verordnung in der Praxis umgesetzt werden kann.
Die BLE kontrolliert in Deutschland niedergelassene Marktteilnehmer und Händler sowie relevante Erzeugnisse. Dies erfolgt nach einem risikobasierten Ansatz. Die Liste der Länder wird spätestens am 30. Dezember 2024 veröffentlicht. Zu den weiteren Aufgaben der BLE gehören:
  • die Feststellung, Beseitigung und Verhinderung von Verstößen,
  • die Ergreifung vorläufiger bzw. sofortiger Maßnahmen,
  • die Ahndung von Verstößen,
  • die Zusammenarbeit mit Zollbehörden, mit (Zoll-)Behörden anderer Mitgliedstaaten und der Kommission.
Verstöße gegen die neue EU-Verordnung können mit
  • hohen Bußgeldern, bis 4 Prozent des Jahresumsatzes,
  • dem Einzug der relevanten Erzeugnisse,
  • der Einziehung der Einnahmen aus der Transaktion mit den relevanten Erzeugnissen,
  • den vorübergehenden, im Höchstfall 12 Monate dauernden Ausschluss von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge und vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung, darunter auch Ausschreibungsverfahren, Finanzhilfen und Konzessionen,
  • einem vorübergehenden Verbot des Inverkehrbringens oder der Bereitstellung auf oder der Ausfuhr aus dem Unionsmarkt von relevanten Rohstoffen / relevanten Erzeugnissen und
  • einem Verbot der Anwendung der vereinfachten Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 13 
bestraft werden.

Übergangsfrist und Verhältnis zur EU-Holzhandelsverordnung (EUTR)

Als unmittelbar geltendes EU-Recht muss die Verordnung nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Sie ist grundsätzlich ab dem 30.12.2024 anzuwenden (Artikel 38 Absatz 2). Bestimmte KMU profitieren von einer längeren Anpassungsfrist, da für diese die Pflichten erst ab dem 30.06.2025 (Artikel 38 Absatz 3) gelten. 
Die EU-Holzhandelsverordnung (EU) Nr. 995/2010 (EUTR) wird mit Wirkung vom 30.12.2024 aufgehoben (Artikel 37). Allerdings gibt es für bestimmte Erzeugnisse Übergangsregelungen (Artikel 37). Beispielsweise besteht für bestimmte Erzeugnisse, die vor dem 29.06.2023 erzeugt und ab dem 30. Dezember 2024 in Verkehr gebracht wurden, eine Übergangsfrist bis 31.12.2027 (Artikel 37 Absatz 1).
Im Zusammenhang mit der bisherigen Holzhandelsverordnung ist zudem darauf hinzuweisen, dass in Anhang I der Verordnung (EU) 2023/1115 eine erhebliche Ausweitung der erfassten Holzprodukte vorgenommen wurde. Folglich werden zukünftig auch zahlreiche Wirtschaftsakteure in Bezug auf Holz betroffen sein, die bislang nicht in den Anwendungsbereich der Sorgfaltspflichten nach der Holzhandelsverordnung fielen.

Weiterführende Informationen

Informationen der EU-Kommission

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu entwaldungsfreien Lieferketten

Initiativen und Foren

(Stand: April 2024)