Deutsches Lieferkettengesetz nimmt Unternehmen stärker in die Pflicht
Rund anderthalb Jahre nach seiner Verkündung tritt es nun zum Jahreswechsel in Kraft: das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt in Lieferketten. Was heißt das für Sie als direkt oder indirekt betroffenes Unternehmen?
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), auch als Lieferkettengesetz bekannt, soll der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage dienen, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten festlegt. Es verpflichtet konkret die Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland durch die Umsetzung definierter Sorgfaltspflichten zur Identifikation, Vermeidung und Minimierung von Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt in der Lieferkette.
Die für die Kontrolle und Durchsetzung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten zuständige Behörde ist das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA). Diese hat weitgehende Kontrollbefugnisse, kann etwa Geschäftsräume betreten, Auskünfte verlangen und Unterlagen einsehen sowie Unternehmen auffordern, konkrete Handlungen zur Erfüllung ihrer Pflichten vornehmen und dies durch die Verhängung von Zwangsgeldern durchsetzen.
Um die betroffenen Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten zu unterstützen, entwickelt und veröffentlicht das BAFA Handreichungen. Die Handreichungen stehen auf der Webseite zum Lieferkettengesetz unter www.bafa.de/lieferketten bereit.
Wichtig: Das Gesetz begründet eine Bemühenspflicht für Unternehmen, aber weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung. Das Lieferkettengesetz soll an eine künftige europäische Regelung angepasst werden, auch mit dem übergeordneten Ziel, Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu verhindern.
Der Umsetzungsstand
Sorgfaltspflichten für direkt betroffene Unternehmen:
Ab dem 1. Januar 2023 sind in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer Größe von 3000 Mitarbeitern dazu verpflichtet, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und den per Gesetz definierten Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten besser nachzukommen. Mit Beginn des Jahres 2024 gilt das auch für in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer Größe von 1000 Mitarbeitern.
1. Risikoanalyse und Risikomanagement
Die Risikoanalyse beinhaltet die Ermittlung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern. Mittelbare Zulieferer sind nur bei konkreten Anhaltspunkten zu überprüfen. Im nächsten Schritt werden ermittelte Risiken gewichtet und priorisiert und die Ergebnisse an die Unternehmensleitung kommuniziert. Die Risikoanalyse muss regelmäßig jährlich sowie anlassbezogen bei neuen Risikolagen wie der Aufnahme von neuen Projekten, Produkten oder Geschäftsfeldern erfolgen.
2. Abgabe einer Grundsatzerklärung
In der Grundsatzerklärung, welche durch die Unternehmensleitung abzugeben und zu veröffentlichen ist, wird die sogenannte Menschenrechtsstrategie beschrieben. Zum Mindestinhalt gehört eine Darstellung der Prozesse, mit welchen das Unternehmen seinen Pflichten nachkommt, welche prioritären menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken bestehen sowie welche Erwartung das Unternehmen an seine Beschäftigten und Zulieferer richtet. In diesem Zusammenhang ist intern die oder der Menschenrechtsbeauftragte zu benennen, welcher die Koordination und Kontrolle eingeführter Maßnahmen, die Durchführung der Risikoanalysen und das vorgeschriebene Reporting an die Geschäftsleitung übernimmt. Die beauftragte Person sollte der Geschäftsführung direkt unterstellt sein und mit entsprechenden Handlungskompetenzen ausgestattet werden.
3. Verankerung von Präventionsmaßnahmen
Wurden Risiken entdeckt, gilt es, angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Auch die Präventionsmaßnahmen sind jährlich beziehungsweise anlassbezogen auf die Eignung zu überprüfen. Im eigenen Geschäftsbereich hat das Unternehmen die in der Grundsatzerklärung verankerte Menschenrechtsstrategie umzusetzen, zum Beispiel durch die Einführung geeigneter Beschaffungsstrategien, Schulungen der Mitarbeitenden sowie risikobasierten Kontrollmaßnahmen. Bei unmittelbaren Zulieferern sind die in der Menschenrechtsstrategie dargelegten Auswahlkriterien einzuhalten sowie eine Zusicherung des Zulieferers einzuholen, dass dieser die Erwartungen des Unternehmens einhält und auch innerhalb seiner Lieferkette angemessen adressiert. Schulungen und Kontrollmaßnahmen sind auch in diesem Kontext durchzuführen.
4. Ergreifung von Abhilfemaßnahmen
Bei Eintritt oder unmittelbarem Bevorstehen einer Pflichtverletzung nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind unverzüglich geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Dadurch muss die Verletzung verhindert, beendet beziehungsweise das Ausmaß der Verletzung reduziert werden. Verletzungen im Inland müssen zwingend beendet werden; im Ausland muss die Abhilfemaßnahme lediglich in der Regel zur Beendigung führen. Bei einer Verletzung durch einen unmittelbaren Zulieferer gilt es, ein Konzept auszuarbeiten, wie der Verletzung entgegengewirkt werden kann. Dabei kommen Mittel wie der Zusammenschluss zu Brancheninitiativen, das Aussetzen oder sogar der Abbruch von Geschäftsbeziehungen in Betracht.
5. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
Jedes betroffene Unternehmen muss bei Inkrafttreten des Gesetzes über ein Beschwerdeverfahren verfügen, über das interne und externe Personen ebenjenes Unternehmen auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken oder Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette hinweisen können. Details dazu finden Sie in der Handreichung des BAFA.
6. Dokumentation und Bericht
Betroffene Unternehmen müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle jährlich einen Bericht über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten vorlegen und ihn online veröffentlichen. Spätestens vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres 2023 (ab 3000 Mitarbeitende) oder 2024 (ab 1000 Mitarbeitende) muss er online öffentlich zugänglich gemacht werden und für sieben Jahre verfügbar sein und bei der Aufsichtsbehörde BAFA elektronisch eingereicht werden.
Der Bericht muss nachvollziehbar Auskunft darüber geben, ob und welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken das Unternehmen identifiziert hat, was das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten unternommen hat, wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet und welche Schlussfolgerungen es aus der Bewertung für zukünftige Maßnahmen zieht.
Betroffene Rechtsgüter
Das Lieferkettengesetz enthält einen abschließenden Katalog von elf international anerkannten Menschenrechtsübereinkommen. Aus den dort geschützten Rechtsgütern werden Verhaltensvorgaben beziehungsweise Verbote für unternehmerisches Handeln abgeleitet, um eine Verletzung geschützter Rechtspositionen zu verhindern. Dazu zählen insbesondere:
- Verbot von Kinderarbeit,
- der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit,
- die Freiheit von Diskriminierung,
- der Schutz vor widerrechtlichem Landentzug,
- der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren,
- das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns,
- das Recht, Gewerkschaften beziehungsweise Arbeitnehmerinnen- und Arbeiternehmervertretungen zu bilden,
- das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung oder Gewässerverunreinigung und
- der Schutz vor Folter.
Kommen Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nach, können Bußgelder verhängt werden. Diese können bis zu 8 Millionen Euro oder 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Außerdem ist es bei einem verhängten Bußgeld ab einer bestimmten Mindesthöhe möglich, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden.
Das gilt für indirekt betroffene Unternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Pflichten aus dem Lieferkettengesetz selbst nicht einfach an die Zulieferer weitergegeben werden können. Das betrifft insbesondere die Berichtspflichten gegenüber der Behörde und der Öffentlichkeit, die für indirekt betroffene Unternehmen entfällt. Auch ist mit Kontrollmaßnahmen oder Sanktionen durch das BAFA bei einem Zulieferer außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereiches nicht zu rechnen.
Sofern Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches des LkSG jedoch Zulieferer von Unternehmen sind, die selbst unter das Gesetz fallen, dann können sie durch ihre Vertragsbeziehung zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten angehalten werden. Dann gilt es, die eigenen Lieferketten zu analysieren und Abhilfe- oder Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, um die Vertragsbeziehung langfristig nicht zu gefährden.
In den vergangenen Monaten wurden insbesondere hierfür Tools geschaffen, die speziell kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei Fragen rund um die Prüfung der bestehenden Lieferkette beziehungsweise einer geplanten Neuausrichtung unterstützen sollen. Hervorzuheben ist hier der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE). Die Initiative der Bundesregierung bietet interessierten Unternehmen unter anderem eine individuelle, vertrauliche und kostenfreie Beratung durch seine Experten zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt in den Unternehmensprozessen an.
Darüber hinaus stellt der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Unternehmen, die menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in ihr Kerngeschäft integrieren möchten, zwei kostenlose Tools zur Verfügung:
- KMU Kompass: Das kostenlose Info-Portal für KMU navigiert Sie Schritt für Schritt durch die fünf Säulen der Sorgfalt. Mit Hilfe des kostenfreien Online-Tools können kleine und mittlere Unternehmen Risiken erkennen und managen. Er unterstützt dabei, Geschäftsprozesse und Lieferkette genau(er) unter die Lupe zu nehmen. Das Tool enthält neben einem Leitfaden auch einen Siegel-Kompass.
- CSR Risiko-Check: Das kostenlose Online-Tool unterstützt Unternehmen bei der Einschätzung der lokalen Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette.
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Quellen: BAFA, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Agentur für Wirtschaft & Entwicklung
Hilfestellungen und weitere Informationen finden Sie hier: https://www.ihk.de/braunschweig/beratung-und-service/aussenwirtschaft/lieferkettensorgfaltspflichtengesetz/lieferkettensorgfaltspflichtengesetz-wissenswertes-5362772