EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten

Mit der am 29.06.2023 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten in der Europäischen Union, kommen auf Unternehmen zusätzliche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette zu. Sie regelt EU-weit , dass bestimmte Rohstoffe wie Soja, Rinder, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee, Kautschuk und deren Erzeugnisse nur dann in den Unionsmarkt ein-, ausgeführt oder darauf bereitgestellt werden dürfen, wenn diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen

Wesentlicher Regelungsinhalt der Verordnung

Angesichts eines in der Verordnung geregelten umfangreichen Pflichtenkatalogs und einer gewissen Rückwirkung bis zum 31. Dezember 2020 sollten betroffene Unternehmen sich auf die neuen Vorgaben einstellen und Maßnahmen ergreifen, um die Marktgängigkeit ihrer Produkte sicherzustellen und ihr internes Compliance-System anzupassen. 

Verkehrsverbot

Während das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Sorgfaltspflichten vorsieht und Produkten, die unter Verstoß dagegen hergestellt wurden, nicht die Verkehrsfähigkeit abspricht, sieht die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten eine andere Regelungssystematik vor. 
Die Verordnung regelt in Artikel 3 ein sogenanntes Verkehrsverbot, wonach die relevanten Rohstoffe (Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz) und relevanten Erzeugnisse (Erzeugnisse gemäß Anhang I der Verordnung, die relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden) nur dann in Verkehr gebracht oder auf dem EU-Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
  • sie sind entwaldungsfrei, 
  • sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt und 
  • für sie liegt eine Sorgfaltserklärung vor.
Die Liste der erfassten Rohstoffe sowie Erzeugnisse wird regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, wobei neue Daten wie sich verändernde Entwaldungsmuster berücksichtigt werden. Unternehmen sollten die Liste daher regelmäßig prüfen.

Entwaldungsfreiheit

“Entwaldungsfrei” bedeutet, 
  • dass die relevanten Erzeugnisse relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden, die auf Flächen erzeugt wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 nicht entwaldet wurden, und 
  • im Fall relevanter Erzeugnisse, die Holz enthalten oder unter Verwendung von Holz hergestellt wurden — dass das Holz aus dem Wald geschlagen wurde, ohne dass es dort nach dem 31. Dezember 2020 zu Waldschädigung gekommen ist.

Einhaltung einschlägiger Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes

Zusätzlich zur Entwaldungsfreiheit fordert Artikel 3 der Verordnung auch die Einhaltung einschlägiger Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes.
Bei näherer Betrachtung der hiervon erfassten Themenbereiche zeigt sich, dass hiermit ein breites Spektrum an Regelungsbereichen umfasst wird.
Laut Definition sind dies die im Erzeugerland geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum rechtlichen Status des Erzeugungsgebiets in Bezug auf: 
  • Landnutzungsrechte, 
  • Umweltschutz,
  • forstbezogene Vorschriften, einschließlich Regelungen der Forstwirtschaft und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, wenn sie in direktem Bezug zur Holzgewinnung stehen,
  • Rechte von Dritten,  
  • Rechte von Arbeitnehmenden, 
  • völkerrechtlich geschützte Menschenrechte, 
  • den Grundsatz der freiwilligen und in Kenntnis der Sachlage erteilten vorherigen Zustimmung (the principle of free, prior and informed consent — FPIC), auch entsprechend der Verankerung in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker,
  • Steuer-, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften.

Sorgfaltserklärung

Mit einer Sorgfaltserklärung müssen Marktteilnehmende und Händler/-innen, die keine KMU sind, die Erfüllung der Sorgfaltspflicht und die Einhaltung der Verordnung bestätigen (Art. 4 und 5).
Ohne vorherige Vorlage einer Sorgfaltserklärung dürfen sie keine relevanten Erzeugnisse in Verkehr bringen, ausführen beziehungsweise bereitstellen.
Verpflichtete, die auf Grundlage der Erfüllung der in Art. 8 der Verordnung beschriebenen Sorgfaltspflicht zu dem Schluss gekommen sind, dass die relevanten Erzeugnisse Art. 3 entsprechen, übermitteln den zuständigen Behörden - bevor sie diese in Verkehr bringen oder ausführen - über das (noch einzurichtende) Informationssystem eine Sorgfaltserklärung.
Diese elektronisch abrufbare und übermittelbare Sorgfaltserklärung muss die in Anhang II der Verordnung für diese Erzeugnisse aufgeführten Informationen enthalten sowie eine Erklärung des Verpflichteten darüber, dass er die Sorgfaltspflicht erfüllt hat, und dass kein oder lediglich ein vernachlässigbares Risiko festgestellt wurde. 

Sorgfaltspflicht, Informationsanforderungen, Risikobewertung

Die Sorgfaltspflicht nach Artikel 8 umfasst Folgendes:
  • die Sammlung von Informationen, Daten und Unterlagen, die erforderlich sind, um die Anforderungen gemäß Art. 9 (Informationsanforderungen) zu erfüllen;
  • Maßnahmen zur Risikobewertung gemäß Artikel 10 sowie
  • Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Artikel 11.
Verpflichtungen für Unternehmen hängen von der Höhe des Risikos ab, unter Umständen kann bei geringem Risikoprofil ein reduzierter Umfang der anzuwendenden Sorgfaltspflicht gelten. Letztlich greift ein händlerspezifisch eingeschränkter Pflichtenkanon für KMU (Artikel 5 Absätze 2 und 3).

Einführung und Handhabung der Sorgfaltspflichtregelungen

Die Verpflichteten müssen nach Artikel 12 verfahren und Maßnahmen einführen, um die Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 8 zu erfüllen („Sorgfaltspflichtregelung“). Die Sorgfaltspflichtregelung ist regelmäßig (mindestens jährlich) und anlassbezogen zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren, etwa wenn sie von neuen Entwicklungen Kenntnis erlangen, die die der Sorgfaltspflichtregelung beeinflussen könnten. 

Berichterstattung und Aufzeichnungen

Von der Verordnung Verpflichtete, die keine KMU oder natürliche Personen sind, müssen jährlich öffentlich (auch im Internet) über ihre Sorgfaltspflichtregelung berichten (Artikel 12 Absatz 3). Verpflichtete, die auch in den Anwendungsbereich anderer Rechtsakte der EU fallen, in denen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht in der Wertschöpfungskette festgelegt sind, können ihre Berichterstattungspflichten erfüllen, indem sie die erforderlichen Informationen in die Berichterstattung im Zusammenhang mit diesen anderen Rechtsakten der EU aufnehmen. 
Die im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht stehenden Unterlagen, wie beispielsweise alle Aufzeichnungen, Maßnahmen und Verfahren gemäß Artikel 8, sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren. Diese Unterlagen stellen sie auf Verlangen den zuständigen Behörden zur Verfügung. 

Durchsetzung und Sanktionen

Die EU-Mitgliedstaaten sind für die Durchsetzung und Kontrolle der Verordnung verantwortlich. In Deutschland wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sein (BLE) die hierfür zuständige Behörde sein.
Verstöße gegen die neue EU-Verordnung können mit
  • hohen Bußgeldern, bis 4 Prozent des Jahresumsatzes,
  • dem Einzug der relevanten Erzeugnisse,
  • der Einziehung der Einnahmen aus der Transaktion mit den relevanten Erzeugnissen,
  • den vorübergehenden, im Höchstfall 12 Monate dauernden Ausschluss von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge und vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung, darunter auch Ausschreibungsverfahren, Finanzhilfen und Konzessionen,
  • einem vorübergehenden Verbot des Inverkehrbringens oder der Bereitstellung auf oder der Ausfuhr aus dem Unionsmarkt von relevanten Rohstoffen / relevanten Erzeugnissen und
  • einem Verbot der Anwendung der vereinfachten Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 13 bestraft werden.
Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten werden über ein digitales Informationssystem im Austausch sein.

Übergangsfrist und Verhältnis zur EU-Holzhandelsverordnung

Als unmittelbar geltendes EU-Recht muss die Verordnung nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Sie ist grundsätzlich ab dem 30.12.2024 anzuwenden (Artikel 38 Absatz 2). Bestimmte KMU profitieren von einer längeren Anpassungsfrist, da für diese die Pflichten erst ab dem 30.06.2025 (Artikel 38 Absatz 3) gelten. 
Die EU-Holzhandelsverordnung (EU) Nr. 995/2010 wird mit Wirkung vom 30.12.2024 aufgehoben (Artikel 37). Allerdings gibt es für bestimmte Erzeugnisse Übergangsregelungen (Artikel 37). Etwa für bestimmte Erzeugnisse, die vor dem 29.06.2023 erzeugt und ab dem 30. Dezember 2024 in Verkehr gebracht wurden, besteht eine Übergangsfrist bis 31.12.2027 (Artikel 37 Absatz 1).
Im Zusammenhang mit der bisherigen Holzhandelsverordnung ist zudem darauf hinzuweisen, dass in Anhang I der Verordnung (EU) 2023/1115 eine erhebliche Ausweitung der erfassten Holzprodukte vorgenommen wurde. Folglich werden zukünftig auch zahlreiche Wirtschaftsakteure in Bezug auf Holz betroffen sein, die bislang nicht in den Anwendungsbereich der Sorgfaltspflichten nach der Holzhandelsverordnung fielen.

Weitere Informationen

Darüber hinaus stehen weitere Informationen auf den folgenden IHK- beziehungsweise DIHK-Webseiten bereit: