Physik-Technologien aus MV retten Ernten

Wissenschaftler aus Mecklenburg-Vorpommern machen wertvolle Ernten länger haltbar und sorgen z. B. für den feinen Biergeschmack.
Das Bündnis PHYSICS FOR FOOD der Hochschule Neubrandenburg, dem Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald und weiteren Wirtschaftspartnern der Region forscht an umweltfreundlichen physikalischen Methoden für alternative Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft.
Chemisch und biologisch wirksame Keimbekämpfung wird dabei durch unkritische Methoden der Physik ergänzt oder gar ersetzt.
Kornkäfer gehören zu den häufigsten Schädlingen im Nachernte-Bereich. Sie fressen sich durch die Getreidehülle und legen im Korn ihre Eier ab. Laut dem Internet-Portal „Ökolandbau“ sorgt ein Kornkäfer-Weibchen allein in einem Jahr für 250.000 Nachkommen. Die gleiche Zahl an Getreidekörner geht verloren und entspricht einem Gewicht von sechs Kilogramm. In massenhaft befallenem Erntegut entstehen zudem sogenannte „Wärmenester“, die Luftfeuchtigkeit steigt und damit das Risiko, dass das Getreide von Pilzsporen befallen wird. Der wirtschaftliche Schaden, der durch Pilze und Schädlinge verursacht wurde, geht weltweit in die Millionen. Die Schädlinge können im Extremfall für den Totalausfall einer Ernte sorgen.

Physik ersetzt Chemie

Schrittweise wird der Einsatz chemischer Pestizide zur Bekämpfung der Insekten wie in der gesamten Land- und Ernährungswirtschaft immer weiter beschränkt beziehungsweise untersagt. Extreme Witterungsverhältnisse mit Hitze, Dürre oder Überschwemmung nehmen aber gegenwärtig zu und damit auch der Schädlingsbefall. Nach gut zweijähriger Planung und Forschung sind ein Förderband mit Plasma-Technologie und ein Silo entwickelt worden, bei dem das gelagerte Getreide von Plasma umströmt wird und zugleich auch Daten gesammelt werden können.
Immerhin handelt es sich weltweit um eines der größten Förderbänder mit einer solchen Plasmaeinrichtung. In Versuchen wird nun getestet, welche Durchsatzmenge an Körnern oder auch welche Fördergeschwindigkeit angebracht sind, um den größten Nutzen zu erzielen. Das Silo ist zu Forschungszwecken mit der Möglichkeit ausgerüstet, die klimatischen Bedingungen und die Gaszusammensetzung im Innenraum zu erfassen und das gelagerte Schüttgut während der Lagerung zu behandeln und Proben zu entnehmen.

UV-C-Licht sorgt für weniger Keimbelastung

Nicht nur sichtbare Schädlinge und Keime können durch Physik positiv in die Wertschöpfung eingreifen: Junge Wissenschaftler von PHYSICS FOR FOOD & FEED haben über Jahre in der Braumanufaktur Ludwigslust die Zusammensetzung der Luft in den Arbeitsräumen kontrolliert. Das Neubrandenburger Unternehmen automation & software Günther Tausch (autosoft) aus Neubrandenburg hat zwei UV-C-Umluftanlagen installiert worden. Das Ziel war es, die Betriebshygiene zu verbessern und damit die Produkthaltbarkeit der nicht pasteurisierten, ungefilterten Bierspezialitäten zu steigern.
Über 20 Monate hinweg haben die Wissenschaftler weit mehr als 1.500 mikrobiologische Proben ausgewertet, um die Effizienz der Maßnahmen zu überprüfen. In diesem Zeitraum hergestelltes obergäriges Bier, das India Pale Ale (IPA) wurde parallel durch ein Sensorik-Panel auf geschmackliche Veränderungen untersucht und die Qualität beurteilt.
 Physics for Food – Eine Region denkt um
Die Hochschule Neubrandenburg, das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) und Wirtschaftsunternehmen starteten im Jahr 2018 das Projekt ‚PHYSICS FOR FOOD – EINE REGION DENKT UM!‘. Das Bündnis entwickelt seitdem gemeinsam mit zahlreichen weiteren Partnern neue physikalische Technologien für die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung. Dabei kommen Atmosphärendruck-Plasma, gepulste elektrische Felder und UV-Licht zum Einsatz.
Ziele sind
  • Agrarrohstoffe zu optimieren,
  • Schadstoffe in der Lebensmittelproduktion zu verringern,
  • chemische Mittel im Saatgut-Schutz zu reduzieren,
  • die Pflanzen gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken.
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative ‚WIR! – Wandel durch Innovation in der Region‘ (Förderkennzeichen 03WIR2810).