EU-Herkunftsbezeichnungen schützen vor Nachahmung
Wie steht es um den Schutz regionaler Spezialitäten mit langer Tradition - wie z. B. Allgäuer Emmentaler oder Lübecker Marzipan - und welche Kriterien sind rechtlich zu berücksichtigen, wenn es um die Verwendung von Angaben geht, die auf ein geografisches Gebiet Bezug nehmen? Diese und weitere Fragen beantwortet uns Rechtsanwältin Andrea Ringle.
Welche EU-Siegel gibt es?
Zwei Siegel der Europäischen Union sind hier wegweisend: sie zeichnen geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) mit dem roten Symbol und geschützte geografische Angaben (g.g.A.) mit dem blauen Symbol aus – auch bekannt als DOP/IGP oder AOP/IGP.
Für Produkte, die aus der Union stammen und unter einer geografischen Angabe vermarktet werden, ist die Verwendung dieser Unionszeichen in der Kennzeichnung und im Werbematerial sogar Pflicht. Die Nutzung der Symbole gilt aber auch als positiv besetztes Qualitätszeichen und wird von Produzenten und im Handel gern genutzt.
Den rechtlichen Rahmen für landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Weine und Spirituosen stellt die EU-Verordnung (EU) 2024/1143. Sie erlaubt EU-weiten Schutz für Namen, welche Eigenschaften, Merkmale oder ein Ansehen aufweisen, die mit dem jeweiligen Erzeugungsort in Zusammenhang stehen. Bei einer g.U. liegen alle Produktionsschritte in dem Herkunftsgebiet, für die g.g.A. genügt ein einziger Schritt. Vor allem unsere europäischen Nachbarn haben einige sehr bekannte Vertreter der g.U. aufzuweisen: Champagner, Parmigiano Reggiano, Cava, Prosciutto di Parma zum Beispiel. Für Deutschland lassen sich auch einige Namen nennen, wie Allgäuer Emmentaler, „Schwarzwälder Schinken“ (g.g.A.), „Bayerisches Bier“ oder Lübecker Marzipan (g.g.A.), international haben sie aber weniger Gewicht.
Wovor schützt die EU-Herkunftsbezeichnung?
Im Kern zielt der Schutz gegen missbräuchliche Verwendung aus dem Ruf geschützter Namen und der mit den Produkten verbundenen Qualität, ohne sich denselben strengen Herstellungsregeln und Kontrollen zu unterwerfen. Das Gesetz schützt eingetragene Namen nicht nur unmittelbar, sondern auch gegen mittelbare Anspielungen oder Assoziationen. Um Erzeugnisse unter diesen Schutz zu stellen, muss von einer Erzeugervereinigung ein Eintragungsverfahren durchlaufen werden. Der Prozess beginnt mit einer nationalen Phase, d. h. einer Antragstellung beim Deutschen Patent- und Markenamt, an die sich ein nationales Einspruchsverfahren anschließt. Bei erfolgreichem Verlauf folgt die Unionsphase, in der die EU-Kommission den Antrag prüft und im Rahmen dessen andere EU-Mitglieder Einspruchsmöglichkeiten haben.
Nutzen darf den eingetragen Namen jeder, der Erzeugnisse gemäß der Produktspezifikation vermarktet. Zusätzlich zum Schutz in der EU besteht die Möglichkeit, den Schutz auf das außereuropäische Ausland auszuweiten. Hierfür ist die World Intellectual Property Organization WIPO zuständig. In der Datenbank GIview oder eAmbrosia kann man unter einer Stichwort- oder Ländersuche alle Informationen zu eingetragenen oder sich im Antragsverfahren befindlichen Namen einschließlich der Produktspezifikationen finden. Dieser Antrag läuft bei deutschen Produkten aktuell für Berliner Currywurst und Obst vom Bodensee.
Drei Fragen an…
…..Andrea Ringle, ist als Rechtsanwältin und Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz u. a. im Bereich geografischer Herkunftsangaben tätig und vertritt vor allem ausländische Erzeugergemeinschaften bei der Durchsetzung ihrer Rechte in Deutschland.
IHK: Wie sind Ihre Erfahrungen im deutschen Umgang mit geografischen Angaben?
Andrea Ringle: Regionalität bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen hat eine große Bedeutung für den Verbraucher. Deutsche Hersteller legen aber im Vergleich zu unseren südeuropäischen Nachbarn weniger Aufmerksamkeit auf den Schutz ihrer regionalen Spezialitäten. Deutschland hat durchaus einige eingetragene Namen aufzuweisen. Hingegen sind die Bekanntheit und wirtschaftliche Bedeutung der meisten Produkte eher gering, anders als in anderen Nationen. Dabei ist der Schutz kein Selbstzweck, sondern die Erzeuger infrage kommender Produkte sollten sich zusammentun, um das Marketing-Potenzial einer g.U. oder g.g.A. zu evaluieren. Kleinere Betriebe können sich als Teil einer Erzeugergemeinschaft in einer globalisierten Welt besser behaupten. Die Kosten für ein Eintragungsverfahren könnten sich lohnen, wenn es gelingt, sich hierüber national und international Gewicht zu verschaffen.
IHK: Was raten Sie dem Handel bei der Nutzung von geografischen Angaben?
Andrea Ringle: Hier stellen sich ganz andere Fragen. Insoweit geht es nicht darum, Erzeugnisse unter Schutz zu stellen, sondern den Produktvertrieb, insbesondere die Kennzeichnung und Verpackungsgestaltung, rechtlich sauber zu gestalten. Im Zusammenhang mit geografischen Angaben ist einiges zu beachten. So dürfen ganz grundsätzlich keine Produktnamen verwendet werden, die über die geografische Herkunft des darunter vertriebenen Produkts täuschen. Solche Namen können auch nicht als Marke geschützt werden. Verboten sind auch Produktnamen, die zu einem als g.U. oder g.g.A. eingetragenen Namen identisch sind, die eine Aneignung, Nachahmung oder Anspielung darstellen. So stellt die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ eine widerrechtliche Anspielung auf die g.U. „Parmigiano Reggiano“ dar, wenn darunter kein „Parmigiano Reggiano“ (g.U.) verkauft wird. Der EuGH hat einige spannende Fälle behandelt und Details darüber mitgeteilt, was erlaubt und was verboten ist. Als Beispiel sprach er sich auch für Assoziationen aufgrund der Verwendung von Bildern aus, nämlich die Verletzung der g.U. „Queso Manchego“ durch ein Etikett für aus der spanischen Region Mancha kommenden Käse, das Bilder einer Don Quijote de la Mancha ähnelnden Person mit abgemagertem Pferd und Windmühlen zeigt. Wer ein geschütztes Produkt als Zutat nutzt und dies erwähnen möchte, muss zudem Regeln bei der Kennzeichnung und der Formulierung der Zutatenliste beachten
IHK: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: welche Entwicklung erwarten Sie im Bereich Geoschutz?
Andrea Ringle: Ich gehe davon aus, dass die Anzahl von geschützten regionalen Erzeugnissen international substanziell wachsen und somit eine steigende Bedeutung erhalten wird – das schließe ich jedenfalls aus dem Austausch mit ausländischen Herstellern und Kollegen, vor allem auch außerhalb Europas, die sich viel davon versprechen, in Europa auf diesem Weg die Vermarktung ihrer Produkte zu verbessern. In Deutschland scheint das Interesse im Bereich Lebensmittel, Weine und Spirituosen begrenzt zu sein und ich erkenne aktuell keine Anzeichen für einen Gesinnungswandel. Das könnte sich allerdings im Bereich des Schutzes geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse ändern. Denn über die neue Verordnung (EU) 2023/2411, die ab dem 1. Dezember 2025 gilt, wird erstmals EU-weiter Schutz für solche Erzeugnisse ermöglicht, die aus einem bestimmten Gebiet stammen und eine besondere Verbindung zu ihrem geografischen Ursprung aufweisen. Gerade Deutschland mit seiner handwerklichen und industriellen Tradition hat eine Vielzahl von Lokalprodukten zu bieten, die unter den neuen Schutz fallen können - wenn hierfür ein entsprechender Antrag gestellt wird.
von Andrea Ringle