IHK-Neujahrsempfang 2024

“Machen ist wie wollen, nur krasser”

Unternehmer und KI-Experte Dr. Sven Körner hat sich mal eben über die Feiertage per 3D-Druck eine Gitarre hergestellt. Er nutzte seinen Auftritt als Keynote-Speaker auf dem IHK-Neujahrsempfang, um sie spontan zu testen. Getreu seinem Motto: „Einfach mal ausprobieren.“ Damit sorgte der Gründer der Karlsruher thingsTHINKING GmbH nicht nur für den musikalischen Rahmen des Jahres-auftakts in der Gartenhalle, sondern lieferte den Beweis, dass auch ein Instrument, das die Töne verzerrt wieder-gibt, durchaus einen Mehrwert besitzt. Seine Metapher für den Umgang mit KI. „Wir müssen unser deutsches Mindset ändern“, so der leidenschaftliche „Techie“. „KI ist nichts Anderes als den Verstärker auf elf stellen oder mit einer Gitarre verzerrte Töne wiedergeben. Ganz entgegen der typisch deutschen Devise ‚Haben wir noch nie gemacht‘“. 
Körners Plädoyer in seiner mitreißenden Keynote: „Nutzt die KI wo sie Euch helfen kann, ändert das Mindset, lasst Alexa die Lautstärke auf der Skala von 0 bis 10 einfach mal auf 11 drehen.“ Körner erinnerte dabei an das „Archiv der Pessimisten“ „Wir Deutschen haben oft Probleme mit technischen Neuerungen. Große Ängste hatten wir beispielsweise schon bei der Erfindung von Spiegeln und Fahrrädern.“ 
Auch IHK-Präsident Wolfgang Grenke erklärte in seiner Neujahrsrede: „Es ist sinnlos, dieser Technik mit Angst zu begegnen! Ich bin überzeugt: was wir heute als künstliche Intelligenz bezeichnen, ist nicht mehr und nicht weniger als die nächste Stufe der Industrialisierung, der Automatisierung, der Digitalisierung, also der nächste Schritt in die Zukunft! Längst haben KI-Technologien die Wirtschaft erobert, längst profitieren wir davon: Die Frage ist vielmehr, wie kann KI gesteuert und reguliert werden?“ 

“Nehmen Sie nie den Menschen aus der Gleichung heraus”

Und hierauf gaben Körner, aber auch Prof. Dr. Steffen Kinkel, Professor für Innovationsmanagement, International Management und International Business Networks im Fachbereich Wirtschaftsinformatik der Hochschule Karlsruhe eine ganz klare Antwort: „Bitte nehmen Sie nie den Menschen aus der Gleichung heraus.“ 
Sonst könne es passieren, dass ein Marmorkuchenrezept für den Posten des Vice-Presidents ausgewählt würde, wie es einmal der in Personalabteilungen genutzten Bewerberauswahl-KI passiert ist, die in der Bewerbung verschlüsselten Empfehlungen blind geglaubt hat. 
Bei aller Heimatschelte kamen aber auch die Stärken der Deutschen in der von Nicole Köster moderierten Diskussionsrunde nicht zu kurz: „Wir sehen Karlsruhe und die TechnologieRegion als Forschungsstandort innerhalb Deutschlands und auch Europas gut aufgestellt. Weltweit sind wir zwar abgehängt, was aber gar nicht so schlimm ist, wenn wir die internationalen Innovationen nutzen lernen“ so Kinkel. „Unsere ethische Denkweise sollte uns aber auch in Sachen KI nicht verlassen. Die Ethische KI könnte ein Mehrwert und Alleinstellungsmerkmal in Deutschland und Europa sein.“

74 Zettabyte Daten haben die Menschen angesammelt

Gebraucht werde die KI schon allein zum Ordnen und Sortieren der enormen Datenmenge von 74 Zettabyte oder 74 Billionen Gigabyte, die von der Menschheit bisher aufgehäuft wurde, 90 Prozent davon in den vergangenen zwei Jahren. Das entspricht laut Körner einem Lkw-Konvoi mit Festplatten von Hamburg bis München. 
Frank Roth, Geschäftsführer der Ettlinger AppShere AG und Vorsitzender des IHK-Arbeitskreises „KI und digitale Innovation“ hat einen Zukunftstraum: „Wenn die KI uns bei unangenehmen arbeitsintensiven Aufgaben unterstützt, haben wir vielleicht eines Tages eine Drei- oder Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich.“
Getreu Körners erster Regel der KI: „Die schweren Dinge für den Menschen einfach machen.“

Grenzen der KI

Man müsse aber auch die Grenzen der KI kennen. Noch immer klappe es nicht mit dem autonomen Fahren. Auch bei Fragestellungen, die für uns Menschen sehr leicht sind, müsse die KI oft passen. So weiß ChatGPT nur, was häufig im Netz auftaucht. 
Wie erfolgreich aber die menschliche Intelligenz „gepromptet“ werden kann, bewiesen die rund 800 Besucherinnen und Besucher des Neujahrsempfangs, die problemlos be-kannte Songs nach den Einstiegsworten weitersingen konnten. Bei nicht bekannten Songs schwieg der Saal. „Ein Vorteil, den wir Menschen immer noch haben. Wir wissen, was wir nicht wissen“, so Körner und schloss mit einem Aufruf: „Lassen Sie uns den Status Quo beerdigen und experimentieren.“ Oder anders gesagt: „Machen ist wie wollen, nur krasser!

Energieformen der Zukunft

Neben all den Chancen und dem Nutzen der Künstlichen Intelligenz, ließ es sich der IHK-Präsident allerdings nicht nehmen, auch noch andere für die Wirtschaft dringliche Themen in seiner Rede anzusprechen. Zum Beispiel die Energieformen der Zukunft: „Es wird immer deutlicher, dass grüner Wasserstoff als Energieträger Solar- und Windkraft ideal ergänzt. Grüner Wasserstoff kann damit einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen leisten. Ich bin fest überzeugt davon, dass die Wirtschaft ihren Beitrag leisten kann und wird – wenn die politischen Rahmenbedingungen verlässlich sind -- und die Betriebe nicht in Bürokratie ersticken.“
Für 71 Prozent der befragten Unternehmen in Baden-Württemberg sei es wichtig, dass der Zugang zu Wasserstoff als Energieträger für Unternehmen aller Branchen und in allen Regionen planungssicher hergestellt wird.
Glücklicherweise gebe es inzwischen Pläne, bestätigt der Fernleitungsnetzbetreiber Gascade, die Technologieregion mittels einer Stichleitung von Ludwigshafen nach Karlsruhe in das projektierte deutsche Wasserstoff-Kernnetz mit einzubeziehen. 
Auch bei weiteren Themen wie dem Bürokratieabbau und der Fachkräftesicherung bringe sich die IHK aktiv in Diskussion und Umsetzung ein. „Wir bleiben im Dialog mit der Politik“, erklärte Grenke. „Die IHK-Vollversammlung ist als demokratisch gewählte Vertretung der Wirtschaft ein wichtiges Instrument, und mit unseren abgestimmten Positionen zu regionalen Wirtschaftsfragen bringen wir klare Forderungen ein: Bürokratieabbau – jetzt! Eine Willkommenskultur für internationale Fachkräfte – jetzt! Und auch jetzt: Die TechnologieRegion Karlsruhe stärken - als Innovationsregion für KI-Anwendungen und Wasserstoffwirtschaft.“

Der Neujahrsempfang im Video

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Karlsruhe; 09.01.2024