Auftakt der Darmstädter Dialoge für besseres Wirtschaften

"Nachhaltigkeit muss das Leitbild von Wirtschaft und Gesellschaft sein"

Rund 150 Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tauschten sich am 2. Februar in der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar über den Weg zu mehr Nachhaltigkeit aus. Zu den renommierten Gästen auf dem Podium zählten neben Dr. Werner Schnappauf vom Rat für Nachhaltige Entwicklung Dr. Michael Pack, CEO der Röhm GmbH (Darmstadt), Claudia Lässig, Geschäftsführerin der Lässig GmbH (Babenhausen), und Dieburgs Bürgermeister Frank Haus. Auch Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir brachte sich in den Dialog ein. Er sieht in der Transformation des Wirtschaftssystems die große Zukunftsaufgabe und rief zum entschlossenen Handeln auf. Damit Wirtschaftswachstum dauerhaft möglich ist, forderte der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Daniel Theobald einen leistungsfähigen, aber nicht anmaßenden Staat mit einer schlanken und effektiven Verwaltung.

Pressemeldung vom 3. Februar 2023

Wirtschaft und Gesellschaft sehen sich tiefgreifenden Veränderungen gegenüber. Das hätten die vergangenen drei Jahre besonders deutlich gemacht, sagte Christian Jöst, Vizepräsident der IHK Darmstadt, als er die rund 150 Gäste der „Darmstädter Dialoge für besseres Wirtschaften“ begrüßte, die am 2. Februar erstmals in der IHK stattfanden. Corona, Krieg und die Folgen des Klimawandels – drei Krisen in drei Jahren, die auch die Unternehmen in Südhessen zum Teil hart getroffen haben. „Wir sind überzeugt: Unternehmen, die sich systematisch nachhaltig aufstellen, übernehmen nicht nur Verantwortung für ihren Betrieb und die Gesellschaft. Sie sind auch für Krisen besser gerüstet und insgesamt wettbewerbsfähiger“, so Jöst.
Das Momentum für mehr Nachhaltigkeit sei so groß, wie nie zuvor, sagte Dr. Werner Schnappauf, Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), in seiner Keynote. Doch setzten multiple Krisen den Transformationsprozess von Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend unter Druck – und damit auch die Erreichung der „Sustainable Development Goals“ (SDGs), die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. „Ressourcenknappheit, der Verlust der Biodiversität, der Klimawandel und auch Abhängigkeiten von fossilen Energien zeigen deutlich: Nachhaltigkeit muss das Leitbild von Wirtschaft und Gesellschaft sein – auch um Deutschlands Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten“, betonte der Nachhaltigkeitsexperte und frühere Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
„Dafür müssen wir beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien und entsprechender Infrastruktur deutlich schneller werden und in Innovationsmärkte wie die der Circular Economy investieren“, sagte Schnappauf und ist überzeugt: „Hierfür ist ein konsequentes, partnerschaftliches Handeln in Deutschland, Europa und auf globaler Ebene sowie ein neues Miteinander von Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft notwendig. Denn Nachhaltigkeit ist ein Gemeinschaftswerk.“
Die Transformation der auf fossilen Energien basierenden, rohstoffintensiven und naturverbrauchenden Wirtschaft hin zu einer klimaneutralen, sozialen und damit zukunftssicheren Wirtschaft sieht der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir als die große Zukunftsaufgabe. Er appellierte an die Gäste: „Wenn wir jetzt entschlossen handeln, werden wir an Lebensqualität, an individueller Freiheit, an sozialer Sicherheit gewinnen. Denn Klimaschutz ist heute die Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Wohlstand und damit auch unsere Wirtschaftskraft.“

SDGs geben Orientierung bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen

Die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen wurden als Orientierungsrahmen für Staaten entwickelt. Die Europäischen Union, die Bundesregierung und das Land Hessen wollen mit ihrer Politik zur Erreichung der SDGs beitragen. Aber auch immer mehr Unternehmen nutzen diese als Kompass, wie Dr. Michael Pack, CEO der Röhm GmbH aus Darmstadt, deutlich machte: „Die SDGs geben Orientierung für die Bewältigung der globalen Herausforderungen und decken alle drei Bereiche der nachhaltigen Entwicklung ab: ökologisch, ökonomisch und sozial. Für uns sind sie wichtige Leitplanken für unsere Nachhaltigkeitsstrategie, und unsere Aktivitäten zahlen direkt auf die einzelnen Ziele ein.“
Dabei richte das Unternehmen seine Strategie nach den SDGs aus, zu denen es einen wirksamen Beitrag leisten könne, beispielsweise „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ und „Maßnahmen zum Klimaschutz“. „Durch effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen und durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der nachhaltigen Produktionsprozesse können wir in hohem Maße zur Erreichung dieser Ziele beitragen“, sagte Pack.
Als Claudia Lässig 2006 gemeinsam mit ihrem Ehemann die Lässig GmbH in Babenhausen gründete, war der Nachhaltigkeitsgedanke Motivation und Voraussetzung zugleich. „Es war uns von Beginn an wichtig, dass unsere Werte sich in allen Bereichen unseres Unternehmens wiederfinden und gelebt werden“, erklärte Lässig. „Durch den Mix aus fairen Produkten, ressourcenschonenden, schadstofffreien Materialien, innovativen Herstellungsprozessen sowie sozialem Engagement kommen wir unserer Vision eines nachhaltigen, auf Menschlichkeit basierenden Wirtschaftens Schritt für Schritt näher“, sagte die Unternehmerin und ergänzte: „Weite Bereiche der Grundsätze, die in der Agenda 2030 mit ihren SDGs festgelegt wurden, begleiten uns täglich und dienen uns als Kompass.“

Die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften müssen stimmen

Die Region Rhein-Main-Neckar ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort, der sich durch einen vielfältigen Branchenmix, eine hohe Dichte an renommierten Forschungseinrichtungen sowie eine sehr hohe Lebensqualität auszeichnet. Gerade die Lebensqualität nimmt bei der Fachkräftegewinnung einen immer höheren Stellenwert ein. Da waren sich Dieburgs Bürgermeister Frank Haus und Dr. Daniel Theobald, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter Unternehmen und Standort der IHK Darmstadt, einig. Ein systematisches Nachhaltigkeitsmanagement sei nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für eine wettbewerbsfähige Standortentwicklung entscheidend.
Die Stadt Dieburg hat deshalb in den vergangenen Jahren verschiedene Aspekte in den Fokus genommen. So etwa, eine hohe Wohnungsqualität zu schaffen, eine Stadt der kurzen Wege zu werden oder attraktive Freizeitangebote zu machen. „Einen besonders hohen Stellenwert hat für uns zudem das Thema Bildung. Wir möchten dazu beitragen, den Menschen ein lückenloses Bildungsangebot zu machen“, sagte Haus. „Nicht zuletzt wollen wir als Kommune den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und der Natur vorleben.“ Dieburg ist eine von 13 Kommunen des Projekts „Global nachhaltige Kommune Hessen“ und erarbeitet auf Basis der SDGs und der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Hessens einen strategischen Nachhaltigkeitsansatz für die weitere kommunale Entwicklung.
Neben der Fachkräfteproblematik bereiten Theobald weitere Faktoren Sorge. Saubere, bezahlbare Energie etwa sei ein Schlüsselfaktor für die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Hier müsse die Politik nun endlich den Turbo für den Ausbau der erneuerbaren Energien zünden. „Schon vor der Energiekrise hatten Unternehmen mit steigenden Preisen zu kämpfen. Deutschland hat als Standort über die Krise hinaus ein akutes Wettbewerbsproblem. Unternehmen zahlen hierzulande fünfmal so viel für Strom wie in den USA und dreimal so viel wie in Frankreich. Dieser gravierende Unterschied lässt sich gerade für energieintensive Betriebe kaum noch durch andere Vorteile ausgleichen“, warnte der der Wirtschaftsexperte.

Am Willen der Unternehmen scheitert der Wandel nicht

Der Energiebedarf in der Region werde in den kommenden Jahren weiter wachsen. Mit den bisherigen Maßnahmen seien die ambitionierten Klimaziele der Politik kaum erreichbar, meinte Theobald. Hinzu komme, dass bei staatlichen Eingriffen Anspruch und Wirklichkeit oft weit auseinander lägen. Statt Unternehmen zum nachhaltigen Wirtschaften zu befähigen, würden neue Probleme entstehen. „Für ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum braucht es einen leistungsfähigen, aber nicht anmaßenden Staat mit einer schlanken und effektiven Verwaltung, der dafür sorgt, dass unsere Wirtschaft ihre Stärken ausspielen und die Probleme unserer Zeit mit Kreativität und Innovationskraft lösen kann“, so Theobald.
In der abschließenden Fragerunde mit dem Publikum wurde deutlich: Am Willen scheitert der Wandel in den Unternehmen nicht. Doch gerade kleine und mittlere Betriebe sind mit den wachsenden gesetzlichen Anforderungen und dem steigenden bürokratischen Aufwand vielfach überfordert. Hier will das Land Hessen mit seiner neuen Servicestelle WirtschaftsWandel Hessen stärker unterstützen. Auch IHK und RNE bieten entsprechende Hilfestellungen an.
Mehr zu WirtschaftsWandel Hessen: https://www.servicestelle-wirtschaftswandel.de/Homepage
Mehr zur Arbeit und den Hilfestellungen des RNE: https://www.nachhaltigkeitsrat.de/ 
Infos der IHK zu den SDGs als freiwilliger Orientierungsrahmen: https://www.ihk.de/darmstadt/SDGs
Hilfestellungen der IHK zur Umsetzung des „Green Deal“: https://www.ihk.de/darmstadt/produktmarken/beraten-und-informieren/umwelt-energie/green-deal
Veronika Heibing
Bereich: Hauptgeschäftsführung
Themen: Unternehmerische Verantwortung, Ehrbare Kaufleute