Deutsche Firmen setzen weiter auf China

Über drei Viertel der deutschen Unternehmen in China (77 Prozent) erwarten, dass sich die chinesische Volkswirtschaft 2021 deutlich besser entwickelt als die Wirtschaft in anderen Ländern. Entsprechend optimistisch sind Umsatz- und Gewinnerwartungen unter den 535 Firmen, welche an der Umfrage zum Geschäftsklima der Deutschen Handelskammer in China in Kooperation mit der KPMG AG (Business Confidence Survey 2020/2021) im Oktober und November 2020 teilnahmen. 
Trotz der wachsenden Spannungen zwischen China und den USA und den damit einhergehenden Entflechtungstendenzen (Decoupling) bleibt China ein wichtiger Investitionsstandort: 96 Prozent haben keine Pläne, China zu verlassen, und 72 Prozent beabsichtigen in den kommenden zwei Jahren sogar weitere Investitionen.
Tatsächlich reagieren die vor Ort tätigen Unternehmen auf die globalen Entkopplungstendenzen nicht mit Rückzug, sondern mit stärkerer Lokalisierung – etwa von Forschung und Entwicklung (43 Prozent), Beschaffung (34 Prozent) und Anpassung von Schlüsseltechnologien (33 Prozent). Die Handelskammer spricht von einem klaren Bekenntnis zu China.
Dies gilt trotz großer Herausforderungen wie administrativer Hürden bei der Einholung notwendiger Lizenzen, großen Unsicherheiten zum grenzüberschreitenden Datentransfer mit Blick auf das bewusst vage gehaltene Cyber Security-Gesetz oder zum im Aufbau befindlichen Corporate Social Credit System und nicht zuletzt wachsende chinesische Konkurrenz.
Tatsächlich halten es 12 Prozent der antwortenden Unternehmen für sehr wahrscheinlich und 29 Prozent für wahrscheinlich, dass ihre chinesischen Wettbewerber innerhalb der nächsten fünf Jahre in ihrer Branche die Innovationsführerschaft übernehmen könnten. Dagegen hielten 7 Prozent eine solche Entwicklung für sehr unwahrscheinlich und 28 Prozent für unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist die Gleichbehandlung von deutschen und anderen ausländischen Unternehmen mit chinesischen vor Ort umso bedeutsamer.
Einreiserestriktionen als größte Herausforderung
Seit Beginn der Coronapandemie beschäftigt die Firmen allerdings vor allem die Reiserestriktionen und harschen Quarantänevorschriften – speziell bei Einreisen nach China. Für 74 Prozent der Ende 2021 befragten Firmen gehören diese zu den Hauptherausforderungen im Chinageschäft, gefolgt von verringerter Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen (49 Prozent) und Unterbrechungen der internationalen Lieferketten (32 Prozent). Angesichts der Verschärfungen der letzten Wochen, welche China verfügt hat, müsste das Thema zusätzlich an Problematik gewonnen haben.
Abgesehen davon, dass der internationale Flugverkehr weiter stark eingeschränkt ist und immer wieder Flüge gestrichen werden, wenn auf einer Route Corona-Infizierte entdeckt werden, hat China die Visa-Neuausgabe auf ein Minimum reduziert. Hinzu kommen zwei bis vier Wochen Hotelzimmer-Quarantänezeit (ohne Wahl des Quarantänehotels, zum Teil ohne zu öffnende Fenster und dürftiger Verpflegung).
Kurzfristige Besuche (etwa zu Messen oder Montagen) sind somit quasi unmöglich – und den Unternehmen fällt es schwer, auch für längere Aufenthalte Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, sich dem aussetzen. Ferner wurden kurz vor Beginn des chinesischen Frühlingsfestes 2021 innerchinesische Reisen insofern erschwert, dass das Überschreiten einer Provinzgrenze eine zweiwöchige Quarantäne am Zielort nach sich zieht.
Den Worten des deutschen Botschafters während der Vorstellung der Handelskammer-Umfrage zufolge gibt es derzeit keinerlei Anzeichen für eine Lockerung der chinesischen Visa- und Quarantänepolitik. Das Gegenteil sei der Fall. Der Botschafter sprach von einer „schweren Belastung für alle Unternehmen und andere deutsche Institutionen wie Schulen, Kulturzentren, Wissenschaftsorganisationen und Medien“.
Spürbare wirtschaftliche Folgen
Die Folgen sind bereits messbar: 58 Prozent der deutschen Firmen beklagten in der „Covid-19 Special Analysis“ der Deutschen Handelskammer in China die Beschränkungen, ihre Geschäftsbeziehungen nicht pflegen zu können, und 37 Prozent die fehlenden Möglichkeiten, an Messen teilzunehmen. Beides schmälert künftige Geschäftschancen. Bei schon bestehenden wichtigen Verhandlungen kommen 32 Prozent nicht weiter; 27 Prozent sind bei der Inbetriebnahme/Installation gelieferter Maschinen vor Ort behindert – was manchen potenziellen Kunden nach einem anderen Anbieter Ausschau halten lässt.
Schon jetzt sieht ein Viertel der deutschen Firmen Umsatzverluste, welche sich auf Reiserestriktionen zurückführen lassen – und immerhin jedes fünfte Unternehmen hat bereits geplante Investitionsprojekte nicht realisiert. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: Die Handelskammer führt beispielsweise eine ausgebliebene 100-Millionen-Euro-Investition eines KMU aus der Elektroniksparte an, das auf die Errichtung einer neuen Fabrik verzichten musste. Einem anderen Unternehmen aus dem Maschinenbau entgingen Verkäufe im Wert von 40 Millionen Euro.
Ambivalentes Bild bei Umsatz und Gewinnzuwächsen
Dessen ungeachtet sahen 39 Prozent der befragten Unternehmen wegen der robusten chinesischen Wirtschaftserholung seit Sommer 2020 ein Umsatzplus und 42 Prozent einen Gewinnzuwachs. Denen standen allerdings 35 Prozent von Unternehmen mit einem Umsatzminus und 37 Prozent mit einem Gewinnminus gegenüber.
Die Ergebnisse sind also durchaus gespalten. Zugleich steigt die Zahl der Unternehmen, für die China der Top-Absatzmarkt ist – nicht zuletzt aufgrund des einseitigen Wirtschaftswachstums, das China im Vergleich zu anderen großen Ländern der Welt aufzuweisen hat: China war 2020 die einzige Volkswirtschaft mit einem positiven Anstieg des Bruttoinlandsprodukts. So war das Land für 16 Prozent der Unternehmen weltweit der wichtigste Gewinnbringer (2019 noch 13 Prozent) und für 12 Prozent der wichtigste Umsatzbringer (2019: 12 Prozent).
(22.03.2021)
Quelle: GTAI