Gesundheit am Arbeitsplatz
Psychische Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz
Körperliche Belastungen können gesundheitsgefährdend sein. Aber auch psychische Belastungen bei der Arbeit haben eine gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung. Deshalb ist die Beurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz fester Bestandteil des Arbeitsschutzes.
Nach § 5, Absatz 3, Nr. 6 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sind alle Arbeitgeber in der Pflicht, Arbeitsplätze auf potenzielle psychische Gefahren zu untersuchen, unabhängig von ihrer Betriebsgröße und bereits ab dem ersten Mitarbeitenden. Worauf Sie bei dieser Gefährdungsbeurteilung achten sollten, zeigt Ihnen unser kurzer Leitfaden.
Wer kann eine Gefährdungsbeurteilung durchführen?
Der Gesetzgeber erlaubt Arbeitgebern, diese selbst oder durch Fachpersonal nach geeigneter Unterweisung durchzuführen. Prinzipiell kann also jeder eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Wichtig dabei ist aber, dass die Entscheidungen nachvollziehbar sein müssen (zum Beispiel auf Grundlage einer Befragung).
Planung und Vorbereitung
Grundsätzlich gilt: Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung dient der Prävention und nicht der Beurteilung von Beschäftigten oder deren Gesundheit! Es geht darum, Belastungsfaktoren bei der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, der Arbeitsplatzumgebung oder bei den sozialen Rahmenbedingungen aufzuspüren und Verbesserungen durch geeignete Maßnahmen herbeizuführen. Um hierfür beste Voraussetzungen zu schaffen, ist es wichtig, dass Sie möglichst frühzeitig alle Beteiligten (Betriebsräte, Betriebsärzte, Personaler, Führungskräfte und Beschäftigte) informieren und mit einbeziehen.
In sechs Schritten zur Gefährdungsbeurteilung
Schritt 1: Festlegen der Tätigkeiten und Bereiche
Definieren Sie die Tätigkeiten und Bereiche, die beurteilt werden sollen. Es kann hilfreich sein, zunächst mit einem Pilotprojekt zu starten und sich dann erst „echten“ Problembereichen zu zuwenden. Fassen Sie gleichartige Tätigkeiten zusammen, denn bei gleichen oder ähnlichen Arbeitsplatztypen reicht die Beurteilung eines Arbeitsplatzes beziehungsweise Tätigkeit aus.
Schritt 2: Ermittlung der psychischen Belastung
Machen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme. Wichtige Hinweise könnten Informationen zu Qualitätsmängel, Fluktuation, Beschwerden, Fehlzeiten oder Gesundheitsbeschwerden sein. Kennzahlen unterstützen hier gegebenenfalls. Um betroffene Arbeitsplatztypen festzulegen, können auch Interviews, Mitarbeiterbefragungen oder moderierte Workshops sinnvoll sein.
Schritt 3: Beurteilung der psychischen Belastung
Klares Ziel der Beurteilungsphase sollte sein, das Gesundheitsrisiko einzuschätzen und abzuklären, ob Maßnahmen erforderlich sind und welche dies sein könnten. Dabei kann Ihnen ein Ampelsystem weiterhelfen: Geben mehr als zwei Drittel der Beschäftigten eine Fehlbelastung an, dann macht es Sinn, Maßnahmen dazu abzuleiten. Bis zu zwei Drittel der Beschäftigten klagen über Fehlbelastungen – es könnte sich lohnen, noch mal genauer zu schauen, welche Arbeitsbereiche oder Tätigkeiten speziell betroffen sind. Oft ist es hilfreich, wenn diese Einschätzung im Team diskutiert wird und auf Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.
Schritt 4: Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen
Auf Grundlage der aus den ersten drei Schritten gewonnenen Erkenntnisse findet die Entwicklung von präventiven Maßnahmen sowohl bezüglich der Verhältnis, als auch Verhaltensprävention statt. Folgendes sollten Sie dabei beachten:
- Bestimmen Sie vorher Schwerpunkte,
- planen Sie die Umsetzung und
- begleiten Sie die Maßnahmen.
- Beziehen Sie dabei alle relevanten Akteure mit ein.
Schritt 5: Durchführung und Kontrolle der festgelegten Maßnahmen
Die durchgeführten Maßnahmen sollten Sie auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Es geht vor allem darum, ob die Maßnahme zum gewünschten Effekt geführt hat und sich positiv auf Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten auswirkt.
Um dies festzustellen, eignen sich Kurzbefragungen, Workshops mit Beschäftigten und Führungskräften oder Vorher-Nachher-Beurteilungen.
Schritt 6: Dokumentation
Eine klar strukturierte Vorgehensweise und vor allem eine gute Dokumentation sind wichtig. An die Form, den Umfang oder die Art der Dokumentation werden keine bestimmten Anforderungen gestellt. Die Unterlagen können in Papierform vorliegen oder als elektronische Daten gespeichert werden.
Entsprechend der GDA-Leitlinie „Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ sollte die Dokumentation aber mindestens folgende Punkte enthalten:
- Beurteilung der Gefährdungen
- Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Terminen und Verantwortlichen
- Durchführung der Maßnahmen
- Überprüfung der Wirksamkeit
- Datum der Erstellung
Die Dokumentation dient als:
- Nachweis für Aufsichtspersonen der Arbeitsschutzbehörden und Unfallversicherungsträger
- Instrument zur Organisation der Gefährdungsbeurteilung (beispielsweise durch Festlegung von Terminen, Aufgaben oder Zuständigkeiten)
- Grundlage eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses
Aktualisierung und Fortschreibung
Eine Gefährdungsbeurteilung sollte aktualisiert werden, wenn:
- Veränderungen der Arbeitsbedingungen vorliegen (Restrukturierung, Reorganisation von Tätigkeiten und Abläufen, Anschaffung neuer Maschinen etc.),
- eine plötzliche Häufung von Beschwerden, Fluktuation oder Gesundheitsbeeinträchtigungen eintreten,
- neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen,
- verbesserte Möglichkeiten der Gefahrenprävention oder neue Arbeitsschutzvorschriften vorliegen.
Wer kann Ihnen bei der Umsetzung helfen?
- Berufsgenossenschaften
- Unfallkassen
- Betriebsärzte
Weitere Informationen und nützliche Links
- Auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) finden Sie umfangreiches Infomaterial.
- Das Arbeitsprogramm Psyche der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie bietet geballtes Expertenwissen und Service auf www.gda-psyche.de an.
- Ebenso liefert die PsyGA (Initiative Neue Qualität der Arbeit) hilfreiche Informationen.
- Bitte informieren Sie sich auch auf den Seiten der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaften.
- Und die Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) liefert neben vielen Informationen zum Thema vor allem die Möglichkeit passende Netzwerke zu finden.
Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: Mai 2023
Quelle: IHK Stuttgart