Arbeitsrecht

Arbeitszeiterfassung

Im September 2022 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil entscheiden, dass Unternehmen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassen müssen. Seit April 2023 liegt ein Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vor.

1. BAG-Urteil

Anlass der BAG-Entscheidung war ein mitbestimmungsrechtliches Thema. Gegenstand des Verfahrens vor dem BAG war ein Rechtsstreit eines Betriebsrates mit dem Arbeitgeber, ob und inwieweit ihm im Rahmen seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht. Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG bereits gesetzlich zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet ist und in soweit kein Initiativrecht des Betriebsrats besteht. 

1.2 Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung leitet das BAG aus § 3 ArbSchG ab. Gem. § 3 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Nach der unionsrechtskonformen Auslegung der Norm muss der Arbeitgeber ein System zur Erfassung der von seinen Arbeitnehmenden geleisteten täglichen Arbeitszeiten einführen. Aufgezeichnet werden muss Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden. [BAG Urteil vom 13.09.2022 – 1ABR 22/21

1.3 Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit

Die Pflicht zur Zeiterfassung gilt ab sofort. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit jeder Arbeitnehmerin bzw. jedes Arbeitnehmers zu erfassen, einschließlich deren geleisteter Überstunden. Das BAG fordert in seinem Entscheidungsgründen, dass die Arbeitszeit nicht nur erhoben, sondern auch so erfasst und aufgezeichnet werden muss, dass eine Kontrolle durch die zuständigen Behörden möglich ist. Nicht ausreichend ist es, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden lediglich ein Zeiterfassungssystem anbietet und ihnen freistellt, ob sie das System nutzen oder nicht. Arbeitgeber müssen also nachhalten, ob die Arbeitnehmenden das System nutzen und ihre Arbeitszeit erfassen. 
Das BAG räumt die Möglichkeit ein, die Aufzeichnung der Arbeitszeit an die Arbeitnehmenden zu delegieren. Jedoch bleibt der Arbeitgeber für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Arbeitsschutzes verantwortlich. 

1.4 Form der Arbeitszeiterfassung

Bisher wurde zur Form der Arbeitszeiterfassung noch keine konkretisierende Regelung getroffen. Das bedeutet, dass zum jetzigen Zeitpunkt das System frei gewählt werden kann, solange es objektiv, verlässlich und zugänglich ist. Je nach Tätigkeit und Betrieb kann daher eine Erfassung der Stunden in Papierform genauso zulässig sein, wie die elektronische Erfassung der Arbeitszeit. 

1.5 Vertrauensarbeitszeit

Da der Begriff der Vertrauensarbeitszeit nicht eindeutig festgelegt ist, kann auf Basis der Entscheidung noch keine finale Aussage getroffen werden, ob und in welcher Form Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich sein wird. 
Die Möglichkeit, dass Arbeitnehmende Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit frei wählen können, wird wahrscheinlich auch nach dem BAG-Urteil noch möglich sein. Neu wird jedoch sein, dass Arbeitgeber nicht mehr auf die Dokumentation der Arbeitszeiten verzichten dürfen. Auch Personen mit Vertrauensarbeitszeit müssen basierend auf den Urteilsgründen Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit erfassen. 

1.6 To Dos für Unternehmen

Da die Erfassung der Arbeitszeit bereits heute geltendes Recht ist, sollten Arbeitgeber eine Bestandsaufnahme im Unternehmen durchführen und spätestens jetzt ein Arbeitszeiterfassungssystem etablieren. Sofern bereits ein System vorhanden ist, sollte dieses auf die Übereinstimmung mit den Vorgaben der BAG-Entscheidung geprüft werden. 
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© IHK Schwaben

2. Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Der erste Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes ist online abrufbar. 
Stand: April 2023
Hinweis:
Diese Informationen sollen nur erste Hinweise in übersichtlicher Form geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.