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Mehr als nur ein Laden - das Herz von Hangelsberg
„Der Schnitzeltopf mit Kartoffelstampf war wieder lecker!“, lobt Karin Kurth nach ihrem freundlichen „Guten Tag!“ Sarah Korallus, die Inhaberin des Bistro Mister X in Hangelsberg (Oder-Spree). Dabei legt die 83-Jährige eine Packung Kuchen und ein paar Bananen in den Korb, denn sie ist nach dem Mittagessen noch zum täglichen Einkauf in den benachbarten Markt L38 gekommen. Auch der gehört Sarah Korallus.
Die heute 37-Jährige hat beide Unternehmen 2008 in einem eigens errichteten Objekt direkt an der (namensgebenden) Landesstraße an den Start gebracht und zu einem Lebensmittelpunkt in dem knapp 2000-Seelen-Ort entwickelt. Eine gute Entscheidung, wie sie sagt, auch wenn – aus heutiger Sicht – nicht für die Ewigkeit.
Wir sind halt mehr als nur Laden und Essensversorger.Sarah Korallus, Geschäftsführerin des Bistros Mister X und des L38 Marktes
Aber zurück zu der hochbetagten Kundin. Sie verwickelt die Geschäftsfrau in ein Gespräch über ihren neuen Rentenbescheid, ihre gesundheitlichen Gebrechen, die politische Lage und darüber, wie froh sie sei, dass ihre Familie 1960 in Hangelsberg heimisch geworden ist.
Sarah Korallus, einst Schülerin von Karin Kurth, nimmt sich die Zeit für den Plausch, auch wenn sie weiß, dass in ihrem Büro der Essenplan für die kommende Woche fertiggestellt, Bestellungen ausgelöst und der für Mai traditionell geplante Frühlingsmarkt vorbereitet werden müssen.
Ausbildung legte Schalter um
Beim Blick auf die Anfänge räumt Sarah Korallus ein, zum Leidwesen ihrer Eltern eine eher lausige Schülerin gewesen zu sein. Nach der 10. Klasse eine Lehre beginnen und arbeiten? „Ich hätte gern drauf verzichtet“, gibt die zweifache Mutter ehrlich zu.
Für Vater Andreas, der im benachbarten Fürstenwalde eine Baufirma betrieb, und Mutter Martina, die sich um dessen Büro kümmerte, ein inakzeptabler Lebensplan. Die Eltern haben gestupst und gezogen – bis sich die Tochter einen Ausbildungsplatz besorgte.
„Ich lernte Einzelhandelskauffrau im Dänischen Bettenlager und habe Matratzen verkauft.“ Das habe bei ihr einen Schalter umgelegt. Sie sei mit so viel Freude und Engagement bei der Sache gewesen, habe sogar erfolgreich an deutschen Meisterschaften teilgenommen, dass sie sich letztlich sicher war, ihr Leben lang Schlafunterlagen an die Kunden bringen zu wollen.
Deshalb habe es ihr Vater mit seiner überraschenden Idee von einem Gespann aus Laden und Bistro schwer gehabt, in ihr dafür ein Feuer zu entfachen.
Die Küchenfeen: Melanie Kowoll (l.) und Denise Engemann sorgen dafür, dass zum Frühstück und mittags leckere Speisen auf die Teller kommen - auch für außer Haus. Die Liebling-Suppen werden zudem frisch abgefüllt und nebenan im L38 Markt als Konserve verkauft.
Inspiriert durch die Eltern
Die Eltern verbringen seit jeher ihre Ferien gern in Südspanien. Dort entdeckten sie in den 2000ern einen Supermarkt mit angeschlossenem Café. Orangen, die nicht mehr ganz frisch waren, wurden nebenan zu Saft verarbeitet statt weggeworfen zu werden.
„So was machen wir auch, Lebensmittel und Imbiss!“ Vaters Vorschlag erging an die Tochter, die sofort ablehnte: „Ich verkaufe doch keine Büchsen!“
Aber: Nach etwas Überlegung teilte sie die Begeisterung. Ein Grundstück war vorhanden, die Lage an der Ortsdurchfahrt strategisch günstig, der nächste Supermarkt mehrere Kilometer entfernt und genug Kundschaft für ein Frühstücksangebot und Mittagessen dank mangelnder Alternativen erkennbar.
Seither bietet Sarah Korallus im Markt ein Vollsortiment für Waren des täglichen Bedarfs. Sie ist zudem Post, hat einen Briefkasten für den Apothekendienst angebracht, verhandelte nach dem Rückzug der Sparkasse mit dem Bank-Institut erfolgreich über die Aufstellung eines Geldautomaten vor ihrer Tür – und ist Auskunftsstelle für das, was im Dorf so passiert.
Mag die Vielseitigkeit ihres Jobs: Die Hangelsbergerin Sandra Fietz arbeitet seit 2009, also quasi von Anfang an, im L38 Markt. Sie füllt Regale - hier mit nebenan produzierten Suppen - verkauft, liefert Essen aus und ist Auskunftgeber für die Kundschaft.
Im Bistro nebenan kehren nicht nur Einheimische ein, Geschäftsleute und Handwerker nehmen das Angebot ebenso gern an. Mitarbeiterin Sandra Fietz, selbst Hangelsbergerin und von Anfang an im Team, fährt zudem im Ort das vorbestellte Mittagessen aus.
„Das Schöne an meinem Job: Er ist so vielfältig“, sagt sei. Regale bestücken, verkaufen, ausliefern, Zuhörer und Ratgeber sein – alles gehöre dazu. Es sei eben anders als im Supermarkt, viel persönlicher und individueller.
Viele Ideen für die Zukunft
Apropos Supermarkt: Wie erwähnt, einen Discounter gibt es in Hangelsberg nicht. Das wird sich mit der Entwicklung des örtlichen Gewerbegebiets ändern. Auf dem Papier existiert er schon. Sarah Korallus ist davor nicht bange.
Ich habe so viele Ideen, ich kann mir nochmal eine andere Arbeit vorstellen, vielleicht wieder als Angestellte - ohne die Verantwortung rund um die Uhr fürs Geschäft und die viereinhalb Mitarbeiter.Sarah Korallus, Geschäftsführerin des Bistros Mister X und des L38 Marktes
Allerdings wisse sich auch, dass der Kundschaft Dinge verloren gehen würden. Denn der Markt Bistro sind nebenher Treffpunkt, Auskunftgeber und Kummerkasten zugleich.
Ohne Plausch geht es bei Stammkunden nicht: Karin Kurth (r.) kommt fast täglich zu Sarah Korallus in den Laden und nutzt regelmäßig den Mittagstisch nebenan im Bistro.
Im Hier und Jetzt ist sie die freundliche, optimistische und begeisterungsfähige Geschäftsfrau, die mit stets neuen Ideen und einer großen Portion von Herzen kommendem Service versucht, ihre Kundschaft zufrieden zu stellen.
FORUM/Anke Beißer
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