Standpunkt

Kurs der Politik entscheidet über Wachstum und Wohlstand

STANDPUNKT. Das ist die FORUM-Serie, in der Menschen zu Wort kommen, die auf dem wirtschaftspolitischen Parkett unterwegs sind und damit die regionalen Unternehmen unterstützen. Ob in Verbänden oder Vereinen, im Ehrenamt oder hauptamtlich, in Verwaltungen oder Interessenvertretungen – im Mittelpunkt steht die Wirtschaft in der Hauptstadtregion, in Brandenburg und Berlin. Heute kommt zu Wort: Dieter Hütte, ADAC Berlin-Brandenburg
Die Studie zu den wirtschaftlichen Effekten des Wassertourismus in Berlin und Brandenburg beleuchtet anhand von einem der wassertouristisch bedeutendsten Reviere Deutschlands, welche ökonomische Bedeutung dieses Tourismusfeld annehmen kann, und signalisiert, dass die Branche bereit für die Mobilitätswende auf dem Wasser ist. Damit der Wassertourismus auch in Zukunft zum wirtschaftlichen Erfolg in der Region und zur Mobilitätswende beitragen kann, sind konkrete Maßnahmen zur Sanierung der touristischen Bundeswasserstraßen nötig. Eine weitere wichtige Entscheidungsgrundlage für Politik und Verwaltung könnte eine bundesweite Wassertourismus-Studie darstellen.
Die Bedeutung des Wassertourismus für die deutsche Wirtschaft wird häufig unterschätzt. Aktuelle Zahlen aus der in diesem Heft vorgestellten Studie für Berlin und Brandenburg zeigen eindrucksvoll, dass dieser Sektor nicht nur eine erhebliche wirtschaftliche Rolle spielt, sondern auch ein wichtiger Faktor für die Mobilitätswende auf dem Wasser ist. Mit einem jährlichen Umsatz von rund 300 Millionen Euro ist der Wassertourismus in der Region seit der letzten Untersuchung vor etwa zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen und stellt – damals wie heute – einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar.
Doch dieser Erfolg ist stark vom Zustand der touristischen Wasserstraßeninfrastruktur vor Ort abhängig. Diese wurde in den letzten Jahrzehnten besonders stiefmütterlich behandelt. So sind beispielsweise die Schleusen in den wichtigsten Revieren Deutschlands im Schnitt über 100 Jahre alt. Schleusenausfälle, wie in 2019 an der Schleuse Zaaren oder von 2017 bis 2023 an der Schleuse Kannenburg, haben in der Vergangenheit ganze Reviere vom Wassertourismus abgeschnitten.
Weitere Ausfälle sind nur eine Frage der Zeit. Es besteht Handlungsbedarf: Der Fahrplan zur Sanierung der Bundeswasserstraßen muss zügig vorgelegt werden, z.B. in Form des vom Bundesverkehrsministerium bereits angedachten „Aktionsplan Ost“. Zwar wurden im BMDV in den letzten Jahren bereits wichtige Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des Wassertourismus gestellt, es bedarf aber weiterer konkreter Schritte, die eine neue Bundesregierung unterstützen muss, um die durchgängige Befahrbarkeit der touristisch genutzten Bundeswasserstraßen zu gewährleisten.
Dabei geht es nicht nur um die Bereitstellung finanzieller Mittel, die idealerweise in einem eigenen Haushaltstitel für touristische Wasserstraßen gebündelt werden, sondern auch um eine verlässliche und nutzerorientierte Schleusenbesetzung.

Ein weiteres zentrales Thema ist die Mobilitätswende, für die sich die Branche bereit zeigt. Das geht aus der Studie hervor, in der erstmals auch das Thema Elektromobilität auf dem Wasser abgefragt wurde. Besonders erfreulich ist die hohe Bereitschaft der befragten Unternehmen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen: Von Hafenbetreibern, die in eine entsprechende Infrastruktur investieren, bis hin zu Charterbetrieben, die ihre Flotte auf Elektroantriebe umstellen oder alternative Kraftstoffe nutzen. Doch auch hier ist politische Unterstützung notwendig, damit der Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingt und der Wandel beschleunigt wird.
Eine wichtige Grundlage für Politik und Verwaltung für Entscheidungen zugunsten eines weiterhin prosperierenden Wassertourismus könnte die Aktualisierung der letzten bundesweiten Wassertourismusstudie von 2016 sein. Zuletzt wurde anhand der vom Bundeswirtschaftsministeriums in Auftrag gegeben Studie „Ökonomische Effekte des Wassertourismus in Deutschland“ eindrucksvoll die Relevanz dieses Tourismuszweiges für die Bundesrepublik aufgezeigt: zwischen 60.000 und 70.000 Beschäftigte bei einem erwirtschafteten Umsatz in Milliardenhöhe.
Ein gutes Beispiel dafür, dass sich in ländlichen Räumen durch gezielte Maßnahmen Arbeitsplätze und Wirtschaft voranbringen lassen. Inzwischen dürften die Zahlen weiter gestiegen sein, wie die aktuellen Erkenntnisse aus Berlin und Brandenburg nahelegen. Nun wäre ein geeigneter Zeitpunkt, diese Vermutung durch eine neue Studie mit deutschlandweiten Zahlen zu belegen, damit Politik und Verwaltung die Bedeutung des Sektors klar erkennen und zum Handeln bewegt werden. Denn die Zeit für eine politische Weichenstellung ist jetzt!
FORUM/Dieter Hütte
Zur Person: Dieter Hütte engagiert sich seit 2018 ehrenamtlich als Vorstand für Touristik im ADAC Berlin-Brandenburg e.V. In seiner über 25-jährigen Tätigkeit als Geschäftsführer der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH hat er maßgeblich zur Entwicklung des Tourismus im Land Brandenburg beigetragen und diesen zu einem wichtigen Wirtschafts- und Imagefaktor gemacht. Impulsgeber für den Deutschlandtourismus war Hütte bis November 2024 als Vizepräsident des Deutscher Tourismusverband e.V.
Manuela Neumann
Referentin Tourismus
Regionalcenter Berliner Umland