Tochter übernimmt, Vater bleibt im Team

Linh Pham – der Name klingt asiatisch. Aber zur Verabredung am Telefon erklingt eine Frauenstimme in perfektem Deutsch. „Na klar können wir uns treffen. Am besten heute noch“, sagt die freundliche Stimme, bei der man nicht die Spur eines Akzentes hören kann. Linh Pham will die Dinge erledigen, am besten sofort und verbindlich. Sie ist ein Macherin. Seit Anfang dieses Jahres ist die 36-Jährige die Inhaberin der beiden Nahkauf-Märkte in Frankfurt (Oder) und Schwedt. Die hat sie von ihrem Vater übernommen, der die Märkte viele Jahre geführt hat.
Die Eltern von Linh Pham stammen aus Vietnam. Ihr Vater Xuan-Chung kam 1978 mit 18 Jahren in die DDR, um in Chemnitz (damals noch Karl-Marx-Stadt) Betriebswirtschaft zu studieren. Er stammte aus Ninh Binh, einer kleinen Stadt bei Hanoi. 1981 war der junge Student beauftragt worden, eine aus Vietnam einreisende Delegation, darunter angehende Krankenschwestern, auf dem Bahnhof in Empfang zu nehmen. Als er die junge, hübsche Hien Nguyen sah, wusste er sofort: Die heirate ich! Und so kam es.
1988 wurde Töchterchen Linh geboren, da lebte die kleine Familie bereits in Dresden. Nach einem längeren Besuch der Verwandten in der Heimat kehrte das Trio 1991 wieder zurück ins vereinte Deutschland, die DDR gab es ja nicht mehr. „Meine Eltern hatten noch Arbeitsverträge, deshalb durften sie wiederkommen. Gingen aber nach Frankfurt an der Oder“, erzählt die Tochter. Die Eltern lebten vom Handel, hatten einen Stand bzw. einen Laden, wo sie vorwiegend Bekleidung verkauften. Linh wuchs in Frankfurt (Oder) auf, ging hier zur Schule, machte ihr Abitur und studierte an der BTU Cottbus BWL.
Hier lernte sie ihren deutschen Mann aus Euskirchen kennen, studierte in Köln weiter, bekam 2013 ihre Tochter Ronja und zog mit ihrer Familie nach Potsdam, wohin ihr Mann versetzt worden war. Gut ausgebildet arbeitete Linh Pham in verschiedenen Unternehmen, bis ihr Vater ihr 2018 die Chance eröffnete, in beide Nahverkaufs-Märkte einzusteigen. Zuerst als Assistentin der Geschäftsführerin, wo sie hinter die Kulissen schauen durfte und viele praktische Erfahrungen sammeln konnte, seit Anfang 2025 nun als Geschäftsführerin.

Knirschgespräche gehören dazu

„Meine Eltern haben mir Fleiß vorgelebt, nähern sich aber dem Rentenalter und möchten sich langsam zurückziehen“, erklärt die Tochter. Die neue Konstellation ist nicht immer einfach und es gibt auch mal „Knirschgespräche“, räumt sie ein. „Mein Vater hat einen ganz anderen Führungsstil. Ich bin dabei, meinen eigenen aufzubauen und bin dabei, meine Mitarbeiter darauf einzustellen“, sagt Linh Pham.
Wir haben die Stellung gewechselt, erst war mein Vater der Chef, jetzt ist er der Angestellte und ich bin die Chefin.

Linh Pham, Geschäftsführerin Nahkauf

Sie möchte ihnen mehr Verantwortung für die ihnen zugewiesene Arbeit übergeben. "Über alles kann geredet werden. Jeder soll sich gesehen und verstanden fühlen.“ 15 Mitarbeiter sind im Nahkauf in Frankfurt (Oder) angestellt, 28 in dem größeren Markt in Schwedt. Systematisch möchte „die Neue“ auch aufstocken. „Ich bemerke, dass es wieder mehr Bewerbungen gibt. Allerdings sind von 20 Bewerbern nur etwa zwei geeignet. Auch für Quereinsteiger ist diese Arbeit im Markt gut geeignet.“ Linh Pham findet, dass bei Interesse und Engagement sowie freundlichem Auftritt jeder im Markt einen Job finden könne.
„Das sind alles Arbeiten, die angelernt werden können.“ Damit alle Mitarbeiter auf dem Laufenden bleiben und sich über neue Trends informieren können, zum Beispiel in den Sparten Obst und Gemüse, Käse, Fleisch und Wurst oder im Kassenbereich, möchte sie möglichst viele ihrer Angestellten zu Schulungen schicken. „Ich will, dass meine Mitarbeiter wissen, was los ist.“
Ich will keine Hierarchien aufbauen, möchte mit meinen Kollegen auf Augenhöhe und mit Respekt zusammenarbeiten. Natürlich muss auch eine gewisse Strenge und Disziplin herrschen.

Linh Pham, Geschäftsführerin Nahkauf

Digitale Unterstützung

Auch technisch und optisch werden sich ihre Märkte verändern. Neue Kühlschränke werden angeschafft, die Backstation wird vergrößert, weil in der Nachbarschaft in Frankfurt (Oder) ein Bäcker zugemacht habe. Auch moderne Tiefkühl-Möbel sind vorgesehen. „Und es wird elektrische Preisschilder geben. Die kommen von der Zentrale“, sagt Phan Linh und meint damit die REWE-Group, zu der die kleinen Nahversorger „Nahkauf“ gehören. Sie werden von selbstständigen Händlern betrieben und kaufen ihre Waren auch beim REWE-Großhandel ein.
Mit der Umrüstung auf elektronische Preisschilder sparen sich die Marktmitarbeiter umständliche Preisauszeichnungen, die sie noch per Hand an die Regale stecken. Alles geht dann digital und schnell. „Damit sparen wir Zeit für andere Aufgaben“, sagt Linh Pham und hat schon die Selbstscanner-Kassen im Auge, die ebenfalls kommen sollen. Beim Wareneinkauf richtet sich die Fachfrau auch nach dem Geldbeutel ihrer Kunden. Der Markt in Frankfurt (Dr. Salvador-Allende-Höhe 2) läge in einem sozialen Brennpunktgebiet. „Hier kauft keiner Olivenöl für zehn Euro.“
Ansonsten gib es hier in ihrem „Kiezmarkt“, wie sie ihn nennt, das volle Sortiment, alles gut und übersichtlich geordnet. Gezielt will sie regionale Produkte mit ins Sortiment aufnehmen, nicht nur Frankfurter Hefeklöße. Gestohlen werde hier wie in anderen Märkten, weiß die Chefin. Das könnte sich ändern, wenn in ihren Märkten die moderne KI-gesteuerte Überwachungsanlage in Betrieb gehe. Jeder Diebstahl oder Verstoß gegen das Hausverbot würde sofort auf die Handy-App gemeldet.
Linh Pham will ihre Märkte so führen, dass sie sich hundertprozentig auf die jeweiligen Filialleiterinnen und alle anderen Mitarbeiter verlassen kann. Obwohl sie alle anfallenden Arbeiten im Markt erledigen könnte - so hat sie es vom Vater gelernt – will und kann sie nicht täglich vor Ort in Frankfurt und Schwedt sein. Viele ihrer Verwaltungsaufgaben erledigt sie von zu Hause, im Homeoffice. Was ihr wichtig ist, ist die regionale Vernetzung. Gern möchte sie die Angebote, die auch die IHK bietet, annehmen. Zum Beispiel das Netzwerke junger Unternehmer unter 40 Jahren, den Casual Friday oder den Woman‘s Business Brunch. „Da ich mit meiner Familie in Potsdam wohne, ist es wichtig, hier in der Region stärker als Unternehmerin Fuß zu fassen.“
FORUM/Ruth Buder
Elisabeth Nepke
Projektmitarbeiterin Nachfolge
Regionalcenter Oderland