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Ein Jahr mutig, ein Jahr menschlich, ein Jahr mittendrin
„Ich bräuchte mal ein neues Kabel für meinen Fernseher“, sagt die ältere Dame und schaut Christian Nickel fragend an. „So ein Fernseher hat viele Kabel, was soll es denn für eins sein“, fragt der Chef des Fachgeschäftes in Beeskow freundlich zurück. Die Kundin kramt in ihrer Handtasche und zeigt das kaputte Teil. „Ach, Sie meinen ein Antennenkabel. Da kann ich helfen.“
EP Baumann, das Fachgeschäft für die gesamte Elektronik-Palette, ist in Beeskow eine feste Adresse. Als Günter Baumann und seine Frau im März 2024 nach über 30 Jahren in den Ruhestand gingen, suchten sie qualifizierte Nachfolger, die das Traditionsgeschäft weiterführen wollten. Und das in einer Zeit, wo Einzelhandelsgeschäfte aufgrund des übermächtigen Internethandels und konkurrierender Großmärkte reihenweise schließen. Eine Tatsache, vor der auch Christian Nickel (43) und Dierk Richter (47) nicht die Augen verschlossen.
Dennoch hatten sie den Mut, das Fachgeschäft zu übernehmen. „Wir wollen das bieten, was kein Online-Handel leisten kann. Nämlich Service“, hatte Christian Nickel kurz nach der Geschäftsübernahme gesagt. Sein Compagnon Dierk Richter hatte schon einige Jahre zuvor bei Günter Baumann gearbeitet, war bisher Angestellter und wagte nach reichlicher Überlegung den Schritt in die Selbstständigkeit. Christian Nickel, der zwar in Beeskow wohnte, aber noch in Berlin arbeitete, erfuhr von der Suche nach einem Nachfolger und stieg mit ins Geschäft ein, das die Männer seit Anfang an gleichberechtigt führen. Wegen der Bekanntheit des Namens blieb es trotz des Eigentümerwechsels bei „EP Baumann“.
Neuer Service: Passbilder gehen digital an die Behörde
Neu ins Sortiment haben sie neben „grauer“ und „brauner Ware“ (Fernseher einschließlich Zubehör und IT-Produkte wie Handys oder Notebooks) auch „weiße Ware“ wie Waschmaschinen, Trockner, Kühlschränke, Backöfen, Mikrowellen, Kaffeeautomaten und Elektroherde aufgenommen. Da es das Nachbargeschäft, das diese Artikel führte, nicht mehr gab, hatten die Neuen das Angebot übernommen und eine Lücke für Kunden aus Beeskow und Umgebung geschlossen. Getrennt haben sie sich allerdings von den Fotoapparaten.
Aber Passfotos machen sie weiterhin, demnächst besteht auch hier die Möglichkeit, die Lichtbilder digital an die Behörde weiterzuleiten. Davon wird, wie beim Besuch im Geschäft erlebt, rege Gebrauch gemacht. In Beeskow befindet sich schließlich die Kreisverwaltung einschließlich Ausländerbehörde und wer sein Dokument erneuern muss, wird bei EP Baumann „dokumentengerecht“ fotografiert. Papierlichtbilder werden schließlich nur noch in Ausnahmen akzeptiert.
Dierk Richter zeigt digital seinem Kunden Thomas Röschke (l.), was alles im Geschäft bestellt werden kann. Der Rentner aus Beeskow nutzt bei der Fülle des Angebots gern die fachmännische Beratung. Und auch, dass zum Beispiel beim Kauf eines Fernsehers dieser auch geliefert und installiert wird.
Gleich nach Geschäfts-Neueröffnung richteten Christian Nickel und Dierk Richter eine Kaffeeecke mit Bistrotisch ein. Kunden, die es nicht eilig haben und sich ganz in Ruhe über Handys, Tablets oder Fernseher informieren lassen möchten, können das ganz entspannt bei einem Kaffee tun. Ja, und vielleicht weckt das auch ihr Interesse an einem Kaffeeautomaten. Dazu sind ausgewählte Kaffeesorten im Angebot und sämtliches Pflegezubehör.
Thomas Röschke will heute nur eine Druckerpatrone kaufen, dennoch lässt er sich gern einen Kaffee anbieten. „Ich bin noch einer von den Alten. Ich kaufe hier, weil ich möchte, dass die Geschäfte vor Ort bleiben“, sagt der Beeskower. Auch Sandra Barow-Seidel und Dana Barow aus Trebatsch nehmen gern einen Kaffee, während sie sich von Dierk Richter (etwas gehandicapt wegen seiner gebrochenen Hand) über die neusten Handy-Modelle beraten lassen. „Wir nehmen den Service vor Ort gern an“, betonen die Frauen und fühlen sich bestens informiert und versorgt.
Sandra Barow-Seidel (r.) und ihre Schwägerin Dana Barow aus Trebatsch nutzen gern das Geschäft vor Ort und schätzen die persönliche Beratung beim Kauf eines Handys.
Neu ist auch, dass Rechner für den speziellen Bedarf mit verschiedenen Komponenten auf- und umgerüstet werden können. „Wir arbeiten mit dem größten deutschen Computerhersteller zusammen und beraten unsere Kunden ganz individuell bei ihrem Wunsch-PC“, versichert Nickel. Gut ein Jahr ist das nun her, dass Christian Nickel und Dierk Richter das Fachgeschäft übernommen haben. Zeit zu fragen: Wie geht es Ihnen und dem Geschäft in Beeskow heute?
Wir bekommen ein gutes Feedback, die Leute sind froh und dankbar, dass es in Beeskow noch dieses Fachgeschäft samt Service gibt. Kunden kommen aus Frankfurt (Oder) oder bis aus Rüdersdorf.Christian Nickel, Geschäftsführer EP Baumann
Manche erzählten ihm auch von ihren schlechten Erfahrungen mit dem Onlinehandel, von Betrug und Problemen bei Garantiefällen. Bei den Preisen orientiere sich EP Baumann an den Angeboten im Internet. Wer also in Beeskow kaufe, kaufe nicht unbedingt teurer, habe aber den Fachmann vor der Tür und könne bei der Auslieferung, beim Anschluss des Gerätes oder bei der Reparatur helfen. Dennoch: „Die Stimmung in der Gesellschaft ist schlecht. Die Leute halten ihr Geld zusammen“, sagt Nickel.
Die Beeskower Händler lassen sich für die Kunden immer etwas Neues einfallen: Jeden Freitag Happy Hour mit Rabattaktion. Zehn Geschäfte machen mit, auch EP Baumann.
Er selbst sieht Deutschland nicht so düster: „Es ist deutlich mehr Optimismus angebracht, als derzeit unter den Leuten vorherrscht.“ Den wollen die beiden Inhaber, die inzwischen mit Daniel Gomoll einen Vollzeitkraft angestellt haben, beibehalten. Sie wissen, dass bei kurzfristigen Flauten es nicht dienlich ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Weitermachen und Durchalten ist die Devise. Auch mit neuen Ideen wie die „Happy Hour-Aktion“: Immer freitags gibt es von 15 bis 18 Uhr eine Rabattaktion in zehn Beeskower Geschäften, die sich zu dieser Initiative zusammengeschlossen haben. „Wir Innenstadt-Händler müssen zusammenhalten“, sagt Nickel entschlossen.
FÒRUM/Ruth Buder
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