Erst die Post, dann das Fässchen und jetzt – Bürobedarf

Die Kunden geben sich die Klinke in die Hand und steuern auf den Postschalter zu. Es ist Mittwoch gegen 12 Uhr, in einer Stunde schließt das „PostFässchen“ in Seelow. Die meisten holen Pakete, geben welche ab, brauchen Briefmarken, wollen ein Einschreiben versenden oder Lotto spielen. Einige schauen sich im „Bürobedarf“ um oder suchen noch ein kleines Geschenk.
Dass es das „PostFässchen“ heute in Seelows Zentrum gibt, ist Claudia Broßmann zu verdanken. Den Shop-in-Shop-Laden in der Breiten Straße eröffnete die heute 42-Jährige im September 2021, weil sie in Wohnortnähe eine Arbeit suchte. Die aus Schleiz (Thüringen) stammende junge Frau ist eigentlich Hygieneinspektorin, arbeitete in Berlin und Potsdam.
Dort lernte sie ihren Mann Hendrik Jahn kennen und zog – inzwischen schwanger - mit ihm in seinen Heimatort Gusow. Ihre Tochter Emma ist inzwischen fünf Jahre alt. Claudia Broßmann überlegte nach ihrer Elternzeit nicht lange und übernahm die frei gewordene Postfiliale. Und weil zur gleichen Zeit auch das „Fässchen“ in Seelow schloss, das unter anderem Öle, Essig, Gewürze und Spirituosen anbot, entschied sie sich, beide Läden zusammenzuführen. Das „PostFässchen“ war geboren.

Altes Geschäft lebt im neuen weiter

Die Post, so war Claudia Broßmann überzeugt, sei eine beständige Säule, die gute Einnahmen sichere. Aber nachdem sich die Post von der Postbank trennte und von der Deutschen Bank übernommen wurde, brach auch bei ihr ein Geschäft weg. Dafür eröffnete sich mit der Schließung des in Seelow alteingesessenen Schreib- und Spielwaren-Geschäftes Kroll eine neue Möglichkeit. In einem Bereich des 120 Quadratmeter großen „PostFässchens“ lebt nun ein Teil des Krollschen Fachgeschäfts weiter.
Zwar hat sich Claudia Broßmann vom Spielzeug getrennt, aber dem Angebot von Schreibwaren für Schule und Homeoffice ist sie im Interesse ihrer Kunden treu geblieben. Die Schreibwaren-Vertreterin Helga Seidler, die viele Jahre im Geschäft Kroll tätig war, ist gerade vor Ort und bestückt das „PostFässchen“ mit Material und Informationen. Die 61-Jährige sagt: „Ich bin sehr froh, dass ich hier in Seelow weiterarbeiten darf. Ich freue mich für die Region, für die Schulen und Eltern.
Wir kennen uns ja über Jahre, wir können auf die Ansprüche reagieren, wissen, was gebraucht wird.“ Diese guten Kontakte zu Schulen, Lehrern und Eltern möchte Claudia Broßmann ausbauen. Derzeit ist sie gemeinsam mit der Vertreterin bemüht, den Platz optimal auszunutzen, die Schreibwaren, Ordner, Stifte, Schreibetuis, Kalender und Bastelsachen effektiv zu präsentieren. „Wir bieten auch Firmen an, ihren Bürobedarf regional bei uns zu kaufen - von Kopierpapier bis Druckerpatronen. Wir können alles, was gebraucht wird, bestellen, auch wenn wir es nicht im Sortiment haben. Einfach mit uns Kontakt aufnehmen“, wünscht sich die Chefin des „PostFässchens“.

Neu: per Mail bestellen

Eltern aus Seelow und Umgebung waren es gewohnt, dass sie bei Krolls ihren Schulzettel abgeben konnten und eine gepackte Tüte zurückbekamen. Das will auch Claudia Broßmann fortsetzen, die stundenweise von ihren beiden Mitarbeiterinnen Nina Janiszewsky (26) und Yonne Pohl (44) unterstützt wird. „Zusätzlich möchte ich den Eltern anbieten, dass sie ihre Bestellung per Mail aufgeben können und dafür nicht extra ins Geschäft kommen müssen.“ Das ist neu.
Zur Erweiterung des Schulbedarfs und des Services hatte Claudia Broßmann einen Kredit beantragt. „Meine Hausbank lehnte eine Krediterhöhung gleich ab, bei der ILB hoffe ich, dass es klappt und das Geld für die Investition im Juli zur Verfügung steht.“ Grundsätzlich bemängelt sie die langwierige und komplizierte Beantragung von Krediten, die ohne Hilfe des Steuerberaters kaum zu schaffen sei.

Rückhalt in der Stadt

Während sie die viele Bürokratie kritisiert, lobt sie die Zusammenarbeit mit dem Seelower Bürgermeister Robert Nitz (parteilos), weil er immer ein offenes Ohr habe. „Ihm ist genauso wie seinem verstorbenen Vorgänger Jörg Schröder und der City-Managerin Ilona Weisemann daran gelegen, dass in Seelow Geschäfte weiter existieren.“ Die Kreisstadt von Märkisch-Oderland teilt das Schicksal vieler Städte, in denen Einzelhandelsgeschäfte reihenweise schließen. Jetzt macht auch noch der Schuhladen zu. Hoffnungen auf Belebung gibt es mit der Errichtung eines neuen Wohngebietes und eines Lebensmittelmarktes in Zentrumsnähe. Um die Interessen und Probleme des Handels gegenüber Politik und Verwaltung deutlich zu machen, entschied sich Claudia Broßmann, im Handelsausschuss der IHK mitzuarbeiten.
Neben den „Postsachen“ und dem „Schulbedarf“ hat das „PostFässchen“ viele kleine Nettigkeiten im Angebot – für die Käufer selbst oder zum Verschenken. Nicht nur verpackte Gewürze, Weine und Spirituosen, teils mit originellen Sprüchen zu einem bestimmten Anlass, Kaffee aus der Rösterei Görlsdorf oder Aufstriche aus Kienitz, sondern auch Keramiktassen. Die Chefin bedruckt sie selbst mit lustigen Sprüchen. Beliebt ist auch der dezente Holzschmuck, den sie aus Einzelteilen – importiert aus Kanada – selbst zusammensetzt.
Und weil sie weiß, was ihre Tochter gern mag, hat sie eine kleine rosafarbene Abteilung mit „Mädchenbedarf“ eingerichtet. Claudia Broßmann räumt ein, dass es auch Stunden und Tage gibt, in denen sie ihren Sprung in die Selbstständigkeit bereut. Die Verantwortung, die man trage, zahle sich bisher nicht in klingender Münze aus. Aber sie spürt die Dankbarkeit ihrer Kunden. Einer von ihnen ist Tobias Grünert.
Der 36-jährige Woriner kommt oft, kauft hier auch seine Druckerpatronen. „Warum soll ich denn mein Geld Amazon in den Rachen schieben?“ Er ist sehr froh, dass es das „PostFässchen“ in Seelow gibt. „Hier finde ich auch immer kleine Präsente für Freunde und Verwandte. Man wird gut beraten, alles ist tiefenentspannt, freundlich, man wechselt ein paar persönliche Worte. Und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt.“
FORUM/Ruth Buder
Uta Häusler
Referentin Handel und E-Business
Geschäftsbereich Service / Mitgliederbetreuung