„Der urbane Wind ist aufs Land geweht“

Digitale Orte sorgen für Innovationen und damit für eine Zukunft auf dem Land. Deshalb hatte das Potsdamer Wirtschaftsministerium zum ersten Mal einen Wettbewerb dazu ausgelobt. Titel: „Digitale Orte in Brandenburg: Innovativ. Offen. Regional.“ Nach Abschluss wurden von 37 eingereichten Vorhaben sechs herausragende Projekte mit jeweils bis zu 200.000 Euro von einer Expertenjury prämiert. Die Qualität der Einreichungen sei beeindruckend gewesen, so Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer. Fachliche Grundlage für den Wettbewerb war die Studie „Digitale Orte in Brandenburg“, die das Ministerium 2021 in Auftrag gegeben hatte. Doch was sind eigentlich „Digitale Orte“? Wer braucht sie, wer betreibt sie, was braucht es für deren langfristigen Erfolg?

Interview mit Anna Momburg, einer der fünf Verfasserinnen der Studie – vom Verein neuland21.

FORUM: Frau Momburg, was war der Anlass für die Studie?

ANNA MOMBURG: Das Ministerium hatte uns mit der Studie beauftragt. Sein Anliegen war, die zahlreichen Innovationsorte – Co-Working-Spaces, digitale Bildungsorte wie Maker-Spaces und Fablabs, neue Arbeits- und Wohnorte sowie Kreativorte, die derzeit in Brandenburg wie Pilze aus dem Boden schießen, näher zu untersuchen und deren Bedarfe zu ermitteln. Viele der Orte entstehen durch das große, teils ehrenamtliche Engagement von Rückkehrern oder Zuzüglern, von Kommunen oder lokaler Wirtschaftsförderung. Das Land Brandenburg hat erkannt, dass die Orte oftmals eine große Wirkung in ihrer Region erzielen, doch nicht unbedingt wirtschaftlich tragfähig sind. Hier entstand die Frage nach Unterstützung: Was brauchen diese Orte, damit sie weiter gedeihen können und wirtschaftlich tragfähig werden? Das Ziel der Studie war, aus den gewonnen Erkenntnissen heraus Handlungsempfehlungen zu formulieren, um darauf aufbauend ein passendes Förderinstrument zu entwickeln. Im Land Brandenburg möchte man die Entwicklung „Digitaler Orte“, so der Sammelbegriff für eine Vielfalt von Orten, fördern!

FORUM: Was verbirgt sich hinter den „Digitalen Orten“?

ANNA MOMBURG: Junge Wirtschaft, Start-ups, Gründer, innovative Kommunen und Wirtschaftsförderer. Hier ist jetzt definitiv der urbane Wind aufs Land geweht. „Digitale Orte“ ist dabei eher ein Sammelbegriff für eine Vielfalt an Orten. Nicht alles ist digital, aber eben vieles ist vom Digitalen abhängig. Es gibt sogenannte „Co-Working-Spaces“, wo sich viele Menschen mit verschiedenen Berufen ein Großraumbüro teilen können oder auch die Vermietung von Veranstaltungsräumen, Büros, Kreativräumen, Werkstätten und Bühnen. Es gibt Gründerzentren, Wohnprojekte mit integrierten Arbeitsprojekten oder aber auch touristische Projekte für remote Arbeitende. Ein Beispiel ist ein Schloss mit Übernachtung, Verpflegung und – der Möglichkeit, dort seiner Arbeit am Laptop oder Computer in anderer Umgebung nachzugehen. Wichtig ist: Digitale Orte sind offene Orte, sie sind nicht exklusiv. Es sind Orte, wo digital gearbeitet, gelernt, gewirtschaftet wird, wo durch ein innovatives Angebot Wertschöpfung erzielt wird.

FORUM: Wer sind die Gründer/Macher und wer die Nutzer solcher Projekte?

ANNA MOMBURG: Die Gründer sind oft junge Selbstständige aus der Stadt, die aufs Land gezogen sind oder noch ziehen wollen. Aber auch Bürgermeister, Wirtschaftsförderungen und Hochschulen. Es sind nicht nur Städter, die Innovation aus Land bringen, sondern auch innovative Menschen aus den Regionen selbst. Sie entwickeln solche Orte häufig neben ihrer Arbeit, zuerst ehrenamtlich. Das Anliegen ist nicht, damit Geld zu verdienen, sondern gemeinsam mit anderen zu leben und zu arbeiten. Nutzer sind Städter und ländliche Einheimische oft gemeinsam. Das reicht vom Lehrer, der seine Klassenarbeiten in geselligerer Atmosphäre korrigiert und sich austauscht, über den Freelancer, Mitarbeitende der Kommune, Senioren, den Handwerker bis hin zum Förster, der einmal in der Woche seine Büroarbeit dort erledigt, weil der WLAN-Anschluss so leistungsstark ist. Es sind immer die Mischformen, die für eine Zukunft unheimlich interessant sind. Dabei ist es für die jungen Gründer nicht leicht, wirtschaftliche Orte aufzubauen, die sich auch dauerhaft tragen.

FORUM: Welche Wirkung haben die Digitalen Orte, welche Wertschöpfung bringen sie? Haben sie eine langfristige Zukunft?

ANNA MOMBURG: Man muss ganz klar sehen, dass es bei diesen Orten eine wirtschaftliche und eine gesellschaftlich-soziale Komponente gibt. Teils herrscht die eine vor, teils die andere, ganz oft aber verknüpfen sich beide ideal. Zum Beispiel ist ein gutes und schnelles Internet Voraussetzung für neue Arbeitsstrukturen. Dies bringt einen Effekt, der großen Wert hat, auch gesellschaftlich. Die Menschen fangen an, den Ort zu nutzen, bilden Netzwerke – das bringt wiederum Clustereffekte. Dann kommen auch Menschen von weiter her, aus Dörfern oder Kleinstädten, die 15 Kilometer entfernt sind. Zusätzlich gibt es einen Zuzug aus der Stadt von Menschen, die schon lange hier wohnen wollen, nun aber endlich auch hier arbeiten können. Sie alle suchen einen Ort, wo sie „andocken“ können. Die Orte schließen Lücken: Es gibt wieder einen Dorfladen, ein Café, die Kneipe, den Hofverkauf. Die erste Wertschöpfung ist, dass es eine neue Dorfmitte gibt, wo man sich treffen, austauschen, neue Ideen verwirklichen kann. So gibt es auch Stammtische für Zuzügler, wenn Leute in die weiter entfernte Uckermark oder ins Oderbruch ziehen wollen. An den digitalen Orten ist Zuzug und Rückzug gleichermaßen möglich. Eine Daseinslücke wird geschlossen. Es ist wieder möglich, auf dem Dorf zu leben. Teilhabe und Partizipation sind angesagt. Alles ist sehr Community-orientiert. GEMEINSAM gestalten ist allen wichtig. Wirtschaftlich betrachtet werden neue Arbeitsplätze geschaffen, wenn es am Anfang auch nicht immer gleich sehr viele sind. Aber die Clustereffekte verstärken das später. Ein Beispiel ist hier der ländliche Co-Working-Space, gut laufende Coconat im Hohen Fläming. Hotellerie und Co-Working haben bislang viele Arbeitsplätze geschaffen – von der Putzkraft über den Koch bis zum Buchungsmanager. Die meisten dieser Orte werden sich halten können, es kommt eben auf das Geschäftsmodell an. Die Gründer sind alle sehr engagiert, aber sie müssen von Anfang an viel investieren. Deshalb brauchen sie Zeit, um wirtschaftlich tragfähig zu werden.

FORUM: Welche Faktoren braucht es für den Erfolg dieser Digitalen Zukunftsorte?

ANNA MOMBURG: Da sind zum ersten wichtig: Naturnähe und ein gutes Internet. Gute Netzwerke und gute Kontakte in die Kommune, zu Playern vor Ort, zu Vereinen und Initiativen. Aber auch eine gute Anbindung – der Ort muss erreichbar sein, deshalb finden wir auch viele Projekte an Bahnhöfen oder in Anbindung an den ÖPNV oder oft in alten, leer stehenden Bahnhofsgebäuden, wie beispielsweise das „Gleis 21“ in Wiesenburg. Dort gibt es einen kleinen Co-Working-Space, der von der Gemeinde selbst betrieben wird.

FORUM: Gibt es noch andere Beispiele?

ANNA MOMBURG: Ja, es gibt zum Beispiel die Alte Schule Letschin, ein Gründerzentrum mit Co-Working-Space, Gründungsberatung, Einzelbüros und bald einen Bildungscampus für Schüler und Senioren. Oder das Coconat in Bad Belzig mit Hotellerie, Verpflegung und Arbeitsplätzen. Zielgruppe ist hier der Städter, der sein Projekt in der Natur voranbringen will. Dort geht er vielleicht wandern, schwimmen, laufen, aber er arbeitet eben auch von dort. Dann gibt es die klassische Verbindung von Arbeiten, Wohnen, Kultur wie in Forst. Arbeitsräume, Veranstaltungsräume, Kino, Workshops, Tanz, Café, Nachhaltigkeit – alles an einem Platz. Oder am Hof Prädikow, wo Wohnen und Arbeiten zusammenfällt und offen für alle ist.

FORUM: Wie steht Brandenburg im Vergleich zu anderen Bundesländern da?

ANNA MOMBURG: Was das betrifft, ist Brandenburg Vorreiter. In ganz Deutschland existieren aktuell rund 150 ländliche Co-Working-Spaces, Tendenz steigend. Davon befinden sich allein über 40 in Brandenburg. Eine Erklärung könnte sein, dass es im Osten Deutschlands, so auch in Brandenburg, vergleichsweise immer noch recht viel Leerstand gibt. Junge Leute können hier noch mehr gestalten und ihre Visionen verwirklichen. Die Nähe zur Metropole Berlin trägt zu der Entwicklung sicher auch einiges mit bei.
FORUM/Reisinger

Creative Space Forst: eine Digitalstation im alten Konfirmandenhaus

Eine schöne Immobilie mit Terrasse, direkt am Bahnhof in Forst (Lausitz) – die hatte es den Kreativen um Managerin Mo Zielinski angetan. „Mit Beginn der Pandemie sind wir spontan rausgezogen aus Berlin. Ein radikaler Schritt, das war so nicht geplant. Doch als wir hier waren, kamen die Ideen im Überfluss. Eine davon war, den Co-Working-Space im Grünen zu eröffnen.“
Die jungen Kreativen waren zum Teil unzufrieden mit ihrer Wohnsituation in der Großstadt. Und: Sie wollten herausfinden, wie es ist „in ländlicher Umgebung zu wohnen.“ Die Immobilie am Bahnhof ist es dann doch nicht geworden – „das unternehmerische Risiko war uns zu hoch“, so Zielinski. In Forst haben sie dann erst einmal von zu Hause aus gearbeitet, aber der Austausch mit Gleichgesinnten fehlte. Mo sagt: „Hier auf dem Land reduziert sich das, es sind weniger Leute, aber ich war mir sicher, es gibt sie. Leute, die das suchen, was wir anbieten wollen.“ Dann lernten sie immer mehr Rückkehrer kennen. Als Kleinstadt galt Forst von vielen als fast abgeschrieben. Von den Einwohnern her sei die Stadt noch halb so groß wie früher. Bei vielen Älteren herrschten Passivität und Negativität. Aber, so Mo, „es ist eben auch ganz viel vom Lausitz-Aufschwung und von Neuanfang zu spüren.“ Von Freunden in Forst wurden wir dann ständig gefragt: Wann kommt denn nun euer Co-Working-Space?“ Im September 2022 wurde der Wettbewerb ausgeschrieben. „Da dachten wir: Das passt ja wie die Faust aufs Auge“, erinnert sich Mo, die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin studiert hat. So holten die beiden Gründer Mo Zielinski und Sebastian Kürten ihre Freunde mit ins Boot und bildeten eine sechsköpfige Interessensgruppe. Jetzt gab es regelmäßige Treffen, zum Teil auch online, und innerhalb von 30 Tagen schauten sie sich alle verfügbaren Immobilien in Forst an. Der entscheidende Tipp kam dann jedoch von der Mutter eines der Gruppenmitglieder: ein ehemaliges Konfirmandenhaus der Kirche.

Digitalstation: mitmachen, Neues entwickeln und seine Reise fortsetzen

Bald war auch der passende Name für das Vorhaben gefunden: Digitalstation. „Man kann bei uns Station machen, sich umschauen, mitmachen, Neues entwickeln und seine Reise fortsetzen“, erklärt Mo. Zum Co-Working sollen zusätzlich Kino, Barabend, Kulturangebote und vieles mehr entstehen. Kunst- und Kulturformate, aber auch Bildungsangebote für Vereine, Unternehmen und Senioren zur Steigerung der Digitalkompetenz. Vieles davon soll bedarfsorientiert mit den Menschen vor Ort zusammen entwickelt werden. Neben den konkreten Angeboten ist die Digitalstation auch als Netzwerk-Hub und Anlaufstelle für Gründer, lokale Gruppen und Unternehmen gedacht. Die Mischung aus digitalen und kulturellen Angeboten soll bestehende Lücken in einer Region schließen, die stark von demografischem Wandel, Abwanderung und dem Schwinden der Daseinsvorsorge betroffen ist. Der Zuwendungsbescheid ist in Arbeit, in Kürze wird die Immobilie von der Mobanisto UG angemietet und dann beginnt der Aufbau der drei multifunktionalen Etagen. „Wir möchten die Digitalstation vor allem zu einem gemütlichen Ort machen, hier soll man sich richtig wohlfühlen“, sagt Mo.
Nach der Förderung sollen Mieteinnahmen das Projekt decken
Die jungen Macher zwischen 23 und 39 Jahren wollen jetzt einen Verein gründen, der sich dem Kulturangebot widmen soll. Bis die Förderung nach zwei Jahren abgelaufen ist, sollen Mieteinnahmen generiert werden. Sie kommen unter anderem durch Co-Worker rein, aber auch über Seminare, Workshops und andere Veranstaltungen. Die sechs Macher, die bislang dabei sind, haben Expertise in IT, Software, Programmierung und 3-D-Scan. Da ist Bedarf da. Gefragt nach ihrem bisher zweijährigen Leben in Forst, sind die Beteiligten überzeugt. „Forst ist deutlich entspannter, grüner und ruhiger als Berlin“, sind sie sich einig. „Es gibt hier weniger Menschen, weniger Autos, weniger Verkehr, weniger Werbung – dafür viel mehr Platz für Kreativität und Raum zur Selbstverwirklichung.“ Die Leute hier seien unglaublich gut vernetzt, man könne zudem alle Besorgungen mit dem Fahrrad machen. Und Cottbus nebenan diene als „Stadtersatz“, wenn man doch mal etwas Spezielleres sucht oder ins Theater möchte. Was in Forst fehle, sei eher ein kulturellsoziales Angebot: so etwas wie ein Näh- und Strick-Treff, Tanzkurse, Open Mic oder Repair Café. Auch hier wollen die jungen Leute ansetzen – zusätzlich zu einem „Maker-Space“, wo man Lasercutter und 3-D-Drucker mitbenutzen und etwas erschaffen kann. Das Fazit: „Uns ist in der Pandemie klarer geworden, dass der Umgang mit Menschen wichtig ist, das betrifft die Freizeit und auch die Arbeit. In der Gruppe entsteht Neues und es entsteht Bindung. Wir können nicht immer nur in unserer Blase Homeoffice machen“, sagt Mo Zielinski und spricht damit allen aus der Seele.

Wegen Umbau geöffnet

Die Digitalstation wird im März 2023 ihre Tore öffnen. Mit dem Motto „Wegen Umbau geöffnet“ möchte die Gruppe nicht nur Interessierte vom Digitalarbeiter bis zum Förster, sondern auch Rückkehrer willkommen heißen und bereits während der Entstehungsphase zur Partizipation einladen. Kontaktaufnahme über: info@mobanisto.de
Und noch etwas – für ehemalige Großstädter – Besonderes hat Forst zu bieten: Es gibt hier über 40 Gartenkolonien. Das seien „superschöne kleine Parzellen, wo man nach Herzenslust gärtnern, Blumen säen und Gemüse anbauen kann. Dafür stehst du in Berlin jahrelang auf einer Warteliste!“

DigiCampus Oderbruch: Die Ideen liegen auf der Straße

Gut ausgelastete, alte Schule ist bereits Treffpunkt für Selbstständige, Gründer und Kreative sowie für Jung und Alt. DigiCampus Oderbruch möchte digitale Kompetenzen zu den Menschen hier draußen bringen. „Die Ideen dazu liegen auf der Straße, man muss sie nur aufheben“, sagt André Buch, Leiter der Hauptverwaltung und stellvertretender Bürgermeister in Letschin. Und Ideen haben sie hier viele: Mit dem „Digitalen Dorfhörsaal“, der „Digitalen Werkstatt“ und Angeboten zu digitalen Medien soll ein Ort entstehen, der Schülern, Azubis, Gründern, Selbstständigen, Vereinen und Senioren gleichermaßen Zugang zu digitalen Bildungsmöglichkeiten und Werkzeugen ermöglicht.
„In der alten sanierten Schule hatten wir schon einige Zeit unseren Co-Working-Space“, so Buch, „Corona war dann noch einmal ein richtiger Zündmotor für das digitale Lernen.“ Beste Audio- und Videotechnik sollen in Zukunft dafür sorgen, dass Schulungen sowohl vor Ort im Hörsaal als auch digital aus der Ferne besucht werden können. Ziel sei es, digitale Kompetenzen zu verbreiten, Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten, auch für örtliche Unternehmen. Das Oderbruch ist sehr mittelständisch und handwerklich geprägt. Viele Gewerbetreibende müssen sich digital ganz neu aufstellen. Zusätzlich sollen auch handfeste moderne Angebote zur Verfügung stehen: wie zum Beispiel ein 3-D-Drucker für das nachhaltige Reparieren von Dingen oder VR-Brillen, die in Echt- und 3-D-Optik zeigen, wie man einen Motor repariert.

Alte Schule schon jetzt ausgelastet
André Buch: „Wir sind noch am Anfang, kennen noch nicht die Bedarfe. Deshalb soll es Ende März, Anfang April 2023 eine Eröffnungsveranstaltung geben, um zu schauen, wer kommt und etwas nutzen möchte.“ Auch an die Landwirtschaft denken die Verantwortlichen dabei, denn sie ist schon hoch digitalisiert und entwickelt rasant neuen Bedarf. Die alte Schule ist jetzt schon immer gut ausgelastet. Vom Filmemacher über den Dachbau-Sachverständigen, Selbsthilfegruppen bis zur Schneiderin wechseln sich hier die Gewerke und Menschen ab. Verschiedene Arbeits- und Besprechungsräume, angrenzend ein großer Schulhof mit Freifläche und großer Kastanie – damit „man sich auch mal den Kopf durchpusten lassen und frische Luft tanken kann“.
Vernetzung mit ähnlichen Orten geplant
Der neue DigiCampus entsteht im Dachgeschoss mit bestechender, offener Balkenbauweise. Den multifunktionalen Hörsaal werden dann auch die Senioren reichlich nutzen. Denn hier in Letschin gibt es sogar einen digitalen Seniorenbeirat und einen Senioren-IT-Stammtisch. Damit alles nachhaltig wird und sich wirtschaftlich tragen kann, streben die Letschiner die Vernetzung mit anderen ähnlichen Orten an. Die Kommune arbeitet eng mit der Wirtschaftsförderung Stic zusammen. Über ein klassisches Projektmanagement beider Häuser laufen die Fäden zusammen. Mindestens einmal im Monat treffen sich alle Verantwortlichen und Mitstreiter. „Wir sehen uns nicht als Leuchtturm und denken auch nicht nur an Letschin. Sondern es sollen Angebote für das ganze Oderbruch entstehen“, so Buch.

Großraumbüro Zehdenick: zusammen wohnen, arbeiten, gestalten

Junge Berliner finden Freiräume in „bestechender“ Landschaft. Die Idee entstand auf einem Kreuzberger Balkon in Berlin. Bei Immoscout schauten Louise Gassenmeyer und Johannes von Streit nach etwas Passendem. Sie fanden zuerst ein schönes leeres Schulgebäude in der Lausitz. Der Antrieb? Der Wunsch nach mehr Freiraum, mehr Kontakten, persönlichen Gesprächen und schönem Wohnen. „Solche Orte werden in Berlin immer weniger und teurer“, erzählt Johannes von Streit. „Kreuzberg zum Beispiel hat schon alles, man merkt keine Unterschiede mehr, kann nichts mehr gestalten. Ich brauche in meinem Leben nicht den nächsten Bioladen, sondern Menschen, die andere Probleme und Ansichten haben. Mit denen man sich kreativ austauschen kann.“
Am Ende klappte es mit dieser ersten Immobilie nicht – sie ging an einen Investor. Aber die Idee war geboren und es war klar: „Wir müssen mehr werden – und beim nächsten Mal besser vorbereitet sein.“ Mit Timon Weber und Kim Kaborda fanden sich in zwei ehemaligen Schulfreunden die idealen Mitstreiter. So gründeten die Vier mit weiteren Unterstützern im Oktober 2020 den Verein Großraum e.V. Es kamen noch weitere Mitglieder hinzu – alle zwischen 24 und 35 Jahre alt, noch ohne Kinder. Über anderthalb Jahre erarbeiteten sie Konzepte, wie sie sich das Wohnen, Arbeiten und Gestalten vorstellen können. „Das war unsere Phase der Identitätsfindung“, erzählt Louise Gassenmeyer. „Immer wieder sind wir an andere Zukunftsorte gefahren, bis in die Uckermark hoch. Die Wünsche und Träume haben uns auch über die Corona-Zeit getragen, wir haben uns über eine Zukunft unterhalten, die wir gern haben wollen.“


Chance des Konzeptverfahrens genutzt
Als die Gruppe genau wusste, wie das Leben aussehen soll, haben sie sich in Zehdenick auf die ehemalige Schule beworben. Über den Immobilien-Newsletter des „Netzwerk Zukunftsorte e.V.“ fanden sie die passende Ausschreibung. Der Hintergrund: Die Stadt Zehdenick hatte die ehemalige Havelland-Grundschule leer stehen und eben nicht meistbietend verkauft, sondern im Rahmen eines Konzeptverfahrens zur Pacht oder Miete ausgeschrieben. „Das war unsere Chance. Wir haben all unsere Ideen für eine Nachnutzung aufgeschrieben“, so Johannes von Streit. Kurz vor Weihnachten kam dann ein Brief mit der Zusage, dass sie eine Runde weiter sind, im Februar vor einem Jahr dann die Präsentation vor knapp 20 Mitgliedern des Bauausschusses, samt Finanzkonzept. Mit einem einstimmigen „Ja“ und stabilen Zahlen im Gepäck fuhren sie nach Hause. Kurz darauf begann der Ukraine-Krieg. Die Prognosen änderten sich, alles wackelte. Eine erneute Präsentation vor der Stadtverordnetenversammlung im Sommer zeigte jedoch, dass die Zehdenicker das Projekt unbedingt wollten.
99 Jahre Pacht – Einnahmen über Miete und Genossenschaft
Also wurde ein Wertgutachten für das Gebäude erstellt, parallel gab es Vertragsverhandlungen mit der Gemeinde. In einem 99-jährigen Erbpachtvertrag sollen Gebäude, Grund und Boden nun von der Genossenschaft Selbstbau e.G. übernommen werden. Sie wird Vertragspartnerin der Stadt und übernimmt auch die Umbauten im Schulgebäude. Bald jeder zweite Einwohner in Zehdenick ist in diesem Gebäude zur Schule gegangen. Ein Leerstand oder Verkauf wäre fatal gewesen. Doch nun entsteht etwas für die Gemeinschaft. Eine Mischung aus zwölf Wohnungen, je 50 bis 120 Quadratmeter groß in einem Mehrgenerationenhaus, einer Gemeinschaftsküche, Veranstaltungsräumen, einer großen Freifläche draußen und – im Souterrain Medien- und Grafikwerkstätten als Begegnungs- und Lernstätte für Grafik, Medien, Schnittplätze für Podcasts und Videos. In ein 300 Quadratmeter separates Gebäude nebenan zieht der große Co-Working-Space mit rund 30 Arbeitsplätzen ein. Es ist der ehemalige Hort und so gut erhalten, dass nur neue Toiletten eingebaut werden müssen. Dann geht der Arbeitsort als Erstes an den Start. Die Mieter aller Teilbereiche zahlen dann ihre Miete an die Genossenschaft und werden selbst Mitglied. Die Ideengeber haben die OREUB GmbH gegründet – ausschließlich für das Großraumbüro und die Freifläche. Um das Vorhaben mit Leben zu füllen, haben die Kreativen gute Voraussetzungen. Sie kommen aus den Bereichen Umweltpsychologie, Bankwesen, Webdesign, Kinderkrankenpflege, Kultur- und Designwissenschaften, Musik, BWL und Agrarökonomie. „Man merkt, dass sich die Fähigkeiten und Leidenschaften gut ergänzen“, sagt Gassenmeyer.
Vom WLAN bis zur Bohrmaschine – geteilte Infrastruktur für alle
In die Wohnungen wollen die jungen Leute zum Teil selbst einziehen, suchen im nächsten halben Jahr zum anderen Teil aber noch Mitstreiter – auch aus älteren Generationen. Die Wohnungen sind autark, die Gemeinschaftsküchen gibt es zusätzlich. Man trifft sich, kommuniziert und neue Ideen entstehen. Auch Wohngemeinschaften, Clusterwohnungen und barrierefreie Wohnungen sind möglich. Die Infrastruktur können sich auf Wunsch viele teilen: vom WLAN bis zur Bohrmaschine und anderen Vorrichtungen muss ja nicht jeder alles doppelt vorhalten.
Vielfältige Veranstaltungs- und Beteiligungsformate zum Wissenstransfer und Community-Aufbau wie Repair-Cafés, Ask-Me-Anything-Runden mit lokalen Unternehmern oder auch eine „Bibliothek der Dinge“ werden das Angebot von Arbeitsinfrastruktur und Werkstätten ergänzen. Inzwischen waren die jungen Berliner über 50-mal in Zehdenick. „Wir haben die Menschen hier sehr ins Herz geschlossen“, erzählen Johannes von Streit und Louise Gassenmeyer. „Viele haben uns unterstützt und dafür sind wir dankbar. Es sind sehr interessante Menschen und ein frisches Leben im Ort.“ Sie betonen den Wert der „bestechenden Landschaft“ – dem alten Tonstichgebiet nördlich von Berlin. Auch sei Zehdenick eben kein 200-Seelen-Dorf, sondern eine Stadt mit viel Engagement, über 80 Vereinen und – mit 25 Jahren – dem jüngsten Bürgermeister Deutschlands.
FORUM/Reisinger

Digitalisierung in der Praxis: Servicestellen für Betriebe

Neueste digitale Lösungen ausprobieren und eine mögliche Anwendung fürs Unternehmen durchspielen, diesen Service bieten verschiedene Kompetenzzentren in Brandenburg und andere Digitale Orte, die unter anderem in der Studie „Digitale Orte in Brandenburg“ aufgelistet sind. An diesen Orten können Unternehmen erfahren, welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet und wie die nächsten Schritte hin zum digitalen Wandel aussehen können.
 
Neues Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland
Unter dem Dach von „Mittelstand Digital" versammelt das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz derzeit zum Beispiel 40 unterschiedlich ausgerichtete Kompetenzzentren, die kleine und mittlere Unternehmen und das Handwerk kostenlos über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung informieren und bei der Umsetzung unterstützen. Fünf Partner aus Wissenschaft und Praxis haben bislang im Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Cottbus ihr Know-how gebündelt. Im März 2023 wird der Staffelstab an das sich in Gründung befindende Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland übergeben. An Bord werden wieder die IHK Cottbus (federführend für die brandenburgischen IHKs), die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, die Technische Hochschule Wildau und die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde sein. Dieses neue Zentrum wird die bisherigen Angebote für Unternehmen fortführen, erweitern und sich an neuen Themenfeldern der Digitalisierung ausrichten. Beispielsweise soll der Angebotsbereich künstliche Intelligenz verstärkt ausgebaut werden. Das Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland hat dabei vorrangig den brandenburgischen Klein- und Mittelstand im Fokus (Mehr dazu in der April-Ausgabe FORUM).
Digitalwerk Werder
Das Digitalwerk Werder unterstützt brandenburgische Handwerksbetriebe und Unternehmen aus den Branchen Kultur, Tourismus oder dem stationären Handel kostenfrei bei deren Digitalisierungsvorhaben – angefangen bei digitalen Einstiegslösungen bis hin zu innovativen Branchenlösungen. Interessierte können an praxisorientierten Erlebnisstationen, in Workshops, Onlineseminaren und Veranstaltungen digitale Technologien erleben. Teilnehmende können selbst anhand von Praxisfällen ausprobieren, welche Lösungen für ihr Unternehmen am besten geeignet sind.
Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben so die Möglichkeit, technische Aspekte einer Lösung im Detail zu erleben und zu hinterfragen. Neben Halb- und Ganztagsformaten bietet das Digitalwerk Werder auch sehr kurze „Digital to go"-Formate, die Einblicke geben zum Beispiel in digitale Lösungen zur Personalplanung, E-Rechnung oder Onlinesichtbarkeit. Betreiber des Digitalwerks Werder ist die Institut für Innovations- und Informationsmanagement GmbH. Unterstützt wird das Projekt durch Fördermittel der Europäischen Union und des Landes Brandenburg.
FORUM/Mahler

Übersicht digitale Orte:
TGZ Prignitz/Cowork Wittenberge
Hallo Perle, Perleberg
Kuckucksmühle, Heiligengrabe
Quartier 20, Neuruppin
Verstehbahnhof, Fürstenberg
Diester, Prenzlau
Kiez Büro – Eberswalde
Thinkfarm Eberswalde
Alte Post Eberswalde
Hebewerk Eberswalde
Terezas Lunow-Stolzenhagen
Rathenau Coworking im Schloss, Bad Freienwalde
Coworking Oderbruch – Alte Schule Letschin
Hof Prädikow, Prötzel
STIC/Coworking TP6, Strausberg
Working am Storchenturm, Altlandsberg
Spree-Hub, Fürstenwalde/Spree
Technologie- und Innovationszentrum in Fürstenwalde GmbH
Fach@Werk, Storkow
Roman & Frit, Frankfurt/Oder
BLOK O, Frankfurt/Oder
Coworking Zeuthen
TGZ Wildau/Coworking Wildau
ViNN:Lab, Wildau
Spreework.Coworking, Lübben
BRIK – Baruther Raum für Inovationskultur e.V., Baruth/Mark
Gewerbehof/Präsenzstelle Luckenwalde (Hochschulpräsenzstelle der TH Wildau und FH Potsdam), Luckenwalde
Das Tribunal, Jüteborg
Technologie- und Gründerzentrum Potsdam-Mittelmark GmbH, Teltow
Social Impact Lab – Beelitz
Coconat – A Workation Retreat, Bad Belzig
hulaHUB, Wiesenburg/Mark
GLEIS 21, Wiesenburg/Mark
Digitalwerk, Werder
Co-Working Wolle, Brandenburg an der Havel
THB Gründungskosmos, Brandenburg an der Havel
Die Offene Werkstatt, Brandenburg an der Havel
Vertragsengel, Potsdam
alteFEINbaeckerei, Potsdam
wir.raumgestalter, Potsdam
Unicorn Workspaces, Potsdam
MietWerk #City, Potsdam
MietWerk #HBF, Potsdam
Businesscenter Potsdam/Villa Work
St. Babelsberg, Potsdam
Simplioffice, Potsdam
machBar, Potsdam
Bahnhofszeit, Nauen
Die Waldstatt – Coworking im Grünen, Großwudicke
LUG2 Coworking, Herzberg
St.adtlabor, Herzberg
Meet@work, Bad Liebenwerda
ALEX Coworking Space, Finsterwalde
Dein Arbeitszimmer, Finsterwalde
K25 Coworking Senftenberg
Kaiserliche Postagentur, Vetschau/Raddusch
Dock3 Lausitz, Spreetal
Offene Werkstatt Spremberg
WIRACO – WirtschaftsRaum Cottbus
Co-Working-Space Cottbus
FabLab Cottbus
CoLab (im Aufbau), Cottbus


Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik