IHKplus | Ausgabe 03.2023

Demografie: Erfolgreich im gemischten Team

Nordrhein-Westfalen wird immer älter – so auch die Mitarbeitenden in den Unternehmen. Betriebe, die nicht in die Demografiefalle tappen wollen, sollten rechtzeitig gegensteuern.
Text: Lilian Schmitt
Das Jahr 2021 war für die Unitechnik Systems GmbH aus Wiehl ein ganz besonderes: Das auf Automatisierung spezialisierte Familienunternehmen feierte sein 50-jähriges Bestehen. „Mit dem Jubiläum wurde uns bewusst, dass ein Großteil der Belegschaft genauso alt oder sogar älter ist als das Unternehmen“, sagt Inhaber Wolfgang Cieplik. Ihm war sofort klar: Daran muss sich schnell etwas ändern, wenn Unitechnik auch noch den nächsten runden Jahrestag erleben soll.

Mehr im Ruhestand, weniger Erwerbstätige

Tatsächlich wird die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen (NRW) immer älter. Damit steigt auch das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen an: Laut aktueller Bevölkerungsvorausberechnung leben 2030 in NRW etwa 3,9 Millionen Menschen im Rentenalter. Das ist nach Angaben des Statistischen Landesamts NRW im Vergleich zum Jahr 2024 ein Zuwachs von rund zehn Prozent. Doch gleichzeitig treten längst nicht so viele junge Menschen neu ins Erwerbsleben ein.
„Dabei ist der Fachkräftemangel bereits heute ein großes Problem und betrifft alle Unternehmen – egal ob Groß- oder Kleinbetrieb“, sagt Jasna Rezo-Flanze, Leiterin Qualifizierungsberatung der IHK Köln. Nach Prognosen der IHK NRW erhöht sich das Durchschnittsalter der NRW-Fachkräfte bis 2030 von derzeit 44,9› Jahren auf dann fast 48›Jahre. Wer wissen möchte, ob sein Unternehmen parallel zur Gesellschaft oder sogar schneller altert, kann dies mit dem Demografierechner NRW prüfen. Das Online-Tool verrät sogar, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht.
Wir fangen drei Jahre vorher mit der Einarbeitung an, damit meine Nachfolgenden später nahtlos übernehmen können.
Kurt Stark, Ausbilder am Standort Köln der Coca-Cola Europacific Partners Deutschland
Auch Cieplik hat seinem Unternehmen eine Verjüngungskur verordnet. Seine Idee: „Wir bieten jungen Leuten eine Perspektive und lassen sie schon früh Verantwortung übernehmen.“ In gleich mehreren Firmenbereichen hat das Wiehler Unternehmen erfahrenen Abteilungs- oder Teamleitenden deutlich jüngere Stellvertretungen an die Seite gestellt. Diese durchlaufen zusätzlich ein Nachwuchsführungskräfteprogramm und können sich auch für andere Aufgaben im Unternehmen qualifizieren „Geht eine verantwortliche Person in Rente, gibt es bereits eine eingearbeitete Nachfolge. Dies ist aber kein Automatismus, denn der Stellvertretende soll diese Entscheidung bewusst treffen“, erklärt Cieplik.
Der Vorteil für Unitechnik: Alle Kandidaten und Kandidatinnen sind dann zwischen 35 und 40 Jahre alt, haben schon erste Führungserfahrungen gemacht und kennen das Unternehmen aus dem Effeff.

Nachfolge rechtzeitig planen

Der Kölner Standort der Coca-Cola Europacific Partners Deutschland GmbH setzt ebenfalls alles daran, Führungspositionen mit jungen Mitarbeitenden zu besetzen. Zum Beispiel den Posten von Kurt Stark: Der 59-Jährige ist Ausbildungsleiter und plant, voraussichtlich in drei Jahren in Rente zu gehen. Doch schon jetzt arbeitet er zwei Kollegen ein, die vor Jahren als Auszubildende im Betrieb gestartet sind.
Bei Fragen rund um das Thema Fachkräftesicherung können sich Unternehmen an die Qualifizierungsberatung der IHK Köln wenden.
„Wir fangen so früh an, damit die beiden später nahtlos übernehmen können“, sagt der gelernte Braumeister. Rein formal sind die beiden 35-Jährigen als Teamleiter Labor und Teamleiter Prozesstechnik schon jetzt die fachlichen Vorgesetzten von Stark, der zusätzlich Mitarbeiter der Qualitätssicherung ist. „Ich bin stolz darauf, dass ich unter ihrer Regie arbeiten kann“, erklärt der 59-Jährige augenzwinkernd.
Auf eigene Ausbildung setzt auch die Adels-Contact Elektrotechnische Fabrik GmbH & Co. KG aus Bergisch Gladbach. Da es schon seit geraumer Zeit schwierig ist, offene Stellen im gewerblich-technischen Bereich zu besetzen, bildet der Spezialist für Anschlusstechnik verstärkt aus. Und scheut auch nicht davor zurück, neue Ausbildungsangebote zu schaffen: „Wenn der Markt nichts hergibt, müssen wir die Leute eben selbst ausbilden“, sagt Geschäftsführer André Rumpff pragmatisch.

Online-Rechner zeigt Handlungsbedarf auf

Mit dem kostenlosen Demografierechner NRW können Unternehmen anhand eigener Mitarbeitendendaten ermitteln, wie und in welchen Bereichen sich die Altersstruktur ihrer Belegschaft in den nächsten Jahren ändert. Das ermittelte Ergebnis zeigt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Abteilung sie neues Personal einstellen müssen. Dabei strukturiert das Online-Tool der IHK NRW die Daten nach Berufsgruppen und Qualifikationen. Es berücksichtigt auch die Erfahrungswerte der Beschäftigten, die jährlich neu in das Unternehmen eintreten, sowie derer, die in Rente gehen, und prognostiziert den jeweiligen Handlungsbedarf bis zum Jahr 2030. Gleichzeitig zeigt der Demografierechner, wie das Unternehmen im Branchen- oder im regionalen Vergleich dasteht.