IHKplus 3.2025 | Innenstädte

Innenstädte: Warum schafft Krefeld, was Köln nicht hinkriegt?!

Der Kölner Neumarkt ist zum geflügelten Wort für öffentliche Verwahrlosung und Drogenkonsum geworden. Auch in Krefeld gab es dieses Problem.
Text: Willi Haentjes, Jakob Jander
Der Kölner Neumarkt KÖNNTE eine Visitenkarte der Stadt sein. Knotenpunkt für Bus und Bahn, schattige Bänke unter den Platanen, ein zentraler Ort für Veranstaltungen jeder Art, für Fußgänger ein perfekter Flanier-Fixpunkt zwischen den Einkaufsstraßen.
Der Neumarkt IST ein Schandfleck für die Stadt Köln. Der Platz ist ein Hotspot von Dealern und Suchtkranken, die Menschen konsumieren offen vor Kindern, betteln und vermüllen das Areal mit Drogenbesteck und Spritzen. Kriminalität und Konsum. Crack und Heroin. Verelendung und Unberechenbarkeit. Das ist die Realität, die dort für jeden sichtbar ist, der mit offenen Augen durch die Stadt läuft – und immer schlimmer wird, während Politik und Verwaltung tatenlos daneben stehen und den Dingen ihren Lauf lassen.
Zum Ende ihrer zehnjährigen Amtszeit scheint Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) die Zustände auf dem Platz, der zu Fuß 15 Minuten entfernt von ihrem Amtszimmer liegt, immerhin registriert zu haben. „Ja, ich sehe eine zunehmende Verwahrlosung der Stadt“, so Reker gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger. Ihre Antwort auf diesen Befund: Erst einmal nichts tun. „Die Mittel, dieser Verwahrlosung zu begegnen, sind sehr restriktiv. Einige Städte vertreiben die Obdachlosen und Drogenabhängigen aus der Stadtmitte. Dafür gibt es in Köln keine Mehrheit.“

Probleme brauchen politische Antworten

Ist das so? Wer sich im Kölner Rathaus umhört, der spürt: Verwaltung und Ordnungsamt würden den Kurs gerne korrigieren, ihnen fehlt aber der politische Rückhalt. Dabei zeigt ein Blick über den gar nicht so weit entfernten Tellerrand : Unbequeme Politik findet auch dort Mehrheiten, wo man sie nicht vermuten würden, wenn sie im Sinne der Menschen ist. Wir sind nach Krefeld gefahren, wo ein rot-grünes Ratsbündnis das Drogenproblem im Herzen der Stadt nicht nur erkannt, sondern auch eine politische Antwort gefunden hat.
Im Rathaus arbeitet Frank Meyer (SPD), seit 2015 Oberbürgermeister der 230.000-Einwohner-Stadt, und erklärt uns im Gespräch, wie er den Theaterplatz vom „Angstraum“ zu einem Ort entwickelt hat, an dem nicht mehr öffentlich uriniert oder gespritzt wird.
„Das Drogenhilfezentrum ist der Ort, an dem in Krefeld Drogen konsumiert werden dürfen. Im öffentlichen Raum ist dies untersagt. Wir setzen das auf der Straße durch.“
– Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld
Während der Corona-Hochphase tummelten sich 200 Drogensüchtige auf dem repräsentativen Platz zwischen Theater, Stadtbücherei und Seidenweberhaus. Familien mit Kindern mieden den Platz, es hagelte Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Der Vorwurf lautete, man könne den Platz mit Einbruch der Dunkelheit nicht mehr betreten. Einzelhändler kündigten ihren Abschied für den Fall an, dass sich nicht schleunigst was ändert.
„Wir wollten diese Situation so nicht mehr akzeptieren“, sagt Frank Meyer. „Wir haben die zahlreichen Hinweise der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen, die Lage analysiert und einen klaren Plan gefasst.“ Sein Büro liegt nur rund 300 Meter vom Theaterplatz entfernt, beim Gang über den Platz habe er früher „keine 100 Meter gehen können, ohne nicht von Drogenabhängigen angebettelt zu werden“. Die Stimmung in der Bürgerschaft sei immer mehr umgeschlagen. Heute ist die Zahl der Suchtkranken laut Ordnungsamt mehr als halbiert, viele auswärtige „Drogen-Touristen“ würden inzwischen wegen der ordnungspolitischen Maßnahmen andere Städte ansteuern.
Sozialdemokrat Meyer betont, dass es ihm wichtig sei, die suchtkranken Menschen würdevoll zu behandeln: Er sei froh, nicht in der Situation der Drogenkranken zu sein und hätte ein hartes Durchgreifen von Polizei und Ordnungsamt ohne ein entsprechendes Hilfekonzept niemals befürwortet. Gerade die Kombination von ordnungs- und sozialpolitischen Maßnahmen sei das Erfolgsgeheimnis gewesen.

Ordnung durchsetzen, Kranken helfen

Am 13. März 2023 hat das Drogenhilfezentrum in der Nähe des Hauptbahnhofs seine Pforten geöff net. Seither gilt laut Meyer in Krefeld: „Das Drogenhilfezentrum ist der Ort, an dem in Krefeld Drogen konsumiert werden dürfen. Im öff entlichen Raum ist dies untersagt. Wir setzen das auf der Straße durch und müssen es den Leuten weiter unangenehm machen, die sich woanders treffen. Die Botschaft ist: Krefeld geht gegen Drogenkonsum im öffentlichen Raum vor, Drogendeals werden konsequent verfolgt, für Drogenkonsumenten gelten klare Regeln.“ Die Immobilie Drogenhilfezentrum ist eine städtische Einrichtung, die früher als Kindergarten und danach in der Coronazeit als Test- und Impfzentrum genutzt wurde. 1,8 Millionen Euro Kosten entstehen der Stadt pro Jahr. Aktuell finden dort rund 1.100 Konsumvorgänge im Monat statt, intravenöser, aber auch inhalativer und nasaler Konsum. Die Nachfrage ist so groß, dass eine Erweiterung der Öffnungszeiten geprüft werde.
Wer öffentlich konsumiert, der kann dies in Krefeld nur im Drogenhilfezentrum tun, diese Marschroute setzen Polizei und Ordnungsamt durch. Und gleichzeitig wird den Drogenkranken geholfen – mit Arbeitsangeboten und ärztlicher Versorgung. Meyer erklärt: „Wir alle wollen, dass diese Menschen im Bedarfsfall zum Arzt gehen. Wir möchten nicht, dass Leute mit einem offenen Bein oder einer Hepatitis durch die Gegend laufen. Deswegen ist das ein Gewinn für uns alle, wenn sie eine medizinische Unterstützung bekommen.“
Natürlich ist das Problem der Drogenabhängigkeit nicht aus Krefeld verschwunden. Aber es wurde von einem zentralen Platz und einem Gefühl der unkontrollierten Ohnmacht in einen geschützten Raum verlagert.
Das Wichtigste laut Meyer am Krefelder Weg: Bei aller Empathie auch eindeutige Signale setzen. „Der Theaterplatz ist inzwischen nicht mehr der Ort der Szene, und das wird in der Bürgerschaft als positiv wahrgenommen. Gleichzeitig gibt es viele Angebote im Quartier rund um das Drogenhilfezentrum an der Schwertstraße. Wir lassen dieses Quartier nicht allein, und das spüren die Menschen. Das Drogenhilfezentrum ist als geschützter Raum immer noch zentral genug, damit die Drogenkranken ihn auch ansteuern. Niemand lässt sich mit einem Bus ins Gewerbegebiet fahren, um zu konsumieren, auch das wurde debattiert …“
Auch in Köln gibt es seit drei Jahren einen Drogenkonsumraum – der wurde allerdings im Gesundheitsamt, direkt am Neumarkt, eröffnet. Und fungiert seither als Staubsauger für die Szene, der Effekt der Maßnahme lautet: immer mehr Probleme in der Öffentlichkeit, immer weniger Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit.
Dabei gäbe es eine geeignete Alternative: einen geschützten Innenhof hinter der Kirche Maria in der Kupfergasse. „Perfekt für die Anforderung und optimal gelegen“, sagen Menschen, die sich seit Jahren um das Neumarkt-Problem kümmern. Ein Konzept liegt allen Beteiligten vor – jetzt ist es an der katholischen Kirche, der das Grundstück gehört, ihren Beitrag zu leisten.
„Der Unterschied zwischen Köln und Krefeld ist der Mut zur Durchsetzungskraft“, sagt IHK-Vizepräsident Stefan Bisanz, ausgewiesener Experte für Sicherheit und städtische Ordnung, nach einem Gang durch die Krefelder Innenstadt. „Politik und Verwaltung strahlen den Willen aus, ihren Ansatz zur Problemlösung ganz konkret auch umzusetzen. Die Mitarbeiter vom Ordnungsamt spüren die Rückendeckung durch die Stadtspitze, wenn sie zu Maßnahmen greifen – ein Zustand, der selbstverständlich sein sollte, in Köln aber leider nicht existiert.“
Aus informierten Kreisen erfahren wir, dass mittlerweile andere Großstädte aus NRW im Krefelder Rathaus vorbeischauen, um sich den Weg von Oberbürgermeister Frank Meyer erklären zu lassen. Köln ist nicht darunter … +
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