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„Wir müssen die Stadt jeden Tag schönreden"

Rasende Radfahrer, huckeliges Kopfsteinpflaster, fehlende Zebrastreifen, Stolperfallen und fehlende Toiletten: Das sind nur einige Probleme, auf die Köln-Besucherinnen und Besucher täglich stoßen.
Für Gästeführer, die den Gruppen gegen Geld die Stadt zeigen möchten, führt das oft zu unangenehmen Situationen. „Wir sollen Köln gut verkaufen, aber müssen jeden Tag die Stadt schönreden und immer aufpassen, dass den Gästen nichts passiert“, bringt Stadtführerin Ilona Priebe vom Verein Guides Köln die Situation auf den Punkt. Gerade die Altstadt, die Domumgebung und das Rheinufer, wo besonders viele Touristen unterwegs sind, seien voller schwieriger Stellen.

Nicht nur Probleme aufzeigen, sondern nach Lösungen suchen

Um auf diese Probleme hinzuweisen, hat die IHK Köln gemeinsam mit Kölner Gästeführern Politiker und Stadtangestellte zum Rundgang eingeladen. Mit dabei: Lars Wahlen, Derya Karadag (beide Bündnis 90/Die Grünen), Christian Beese (FDP), Robert und Jennifer Glashagen, Emilia Witzel (alle Volt), Christian Schulz-Hillebrand vom Dombauquartier (Dezernat VI – Planen und Bauen) und Elisabeth Grauvogel vom Büro der Behindertenbeauftragten. Das Besondere: Die Tour sollte nicht nur die Probleme aufzeigen, sondern Betroffene und Entscheider zusammenbringen, um direkt vor Ort gemeinsam über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen.
Vom Pegelturm am Rheinufer gingen die Stadtführer mit den Interessierten die typischen Touristenrouten ab und zeigten, was sie täglich bei ihrer Arbeit einschränkt. „Das sind alles brandgefährliche Situationen. Deshalb sind wir froh, dass sie sich das anschauen“, machte Claas Möller von den Kölner Stadtführern deutlich.

Kopfsteinpflaster ist für Rollstuhlfahrer kaum zu überwinden

Zum Beispiel das holprige Kopfsteinpflaster in den Altstadt-Gassen. Sieht gut aus und gehört irgendwie zur Altstadt dazu, ist aber eine kaum zu überwindende Strecke für Rollstuhl- und Rollator-Fahrer. „Ich betreue Gäste von einem niederländischen Schiff, die alle im Rollstuhl sitzen. Viele von ihnen haben Schmerzen. Für sie ist die Fahrt über das Kopfsteinpflaster die reine Tortur“, sagte Möller.
Um das Problem noch spürbarer zu machen, hatte er extra Rollstuhl und Rollator mitgebracht, den die Teilnehmerinnen und Teilnehmer abwechselnd ausprobierten und alle paar Meter an einer Kante hängen blieben. Ein Vorbild könnte laut Möller Paris sein: „Dort sind die Steine abgeschliffen und die Fugen verfüllt. Das ursprüngliche Pflaster ist also noch da, aber auch für Gehbehinderte gut zu passieren.“

Rasende Radfahrer am Rheinufer

Auch der Verkehr ist eine große Herausforderung für Touristengruppen – egal ob Rad oder Auto. „Am Rheinufer müssen wir die Gäste dauernd vor rasenden Radfahrern warnen“, so Marina Bartel von den Freien Gästeführern Köln. Stadtführerin Danielle Mataré-Onis hat uns in einem Video erzählt, wie das Problem mit den rasenden Radlern im Detail aussieht.
Am gefährlichsten sei es morgens, denn da nutzten viele Menschen die Strecke am Rhein, um mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Das ist grundsätzlich auch erlaubt, denn die Rheinufer-Promenade soll von Radfahrern und Fußgängern gemeinsam genutzt werden. In der Realität funktioniert das allerdings nicht, die Fußgängerinnen und Fußgänger haben oft das Nachsehen. „Shared Space heißt eben auch teilen“, meinte Christian Schulz-Hillebrand dazu. Eine gute Möglichkeit könnten allerdings deutlichere Schilder sein, die klar machten, dass Fußgänger hier Vorrang haben.

Zebrastreifen und Übergänge fehlen

Kommt man weiter in die Stadt, werden Autos und Baustellen zum größten Problem. An der Kreuzung vor dem Wallraf-Richartz-Museum fehlt vor allem ein sicherer Fußgängerübergang. Hier gibt es wegen der Baustelle des MiQua-Museums mehrere provisorische gelbe Zebrastreifen, die laut Stadtführerin Priebe eigentlich alle drei Wochen erneuert werden müssten, weil sie ständig abbröckeln.
Auch der Bauzaun sei ein Problem, die Gruppen stünden aus Platzmangel oft mitten auf der Straße. Dazu ist es laut. „Das absolute Chaos. Ich gehe mit meinen Gästen nicht mehr hier hin. Das ist mir zu gefährlich. Schade, weil wir dann auch das Museum und das Farina-Haus auslassen müssen“, so Priebe. Wie chaotisch die Verkehrssituation an dieser Stelle ist, beschreibt Louise Farina in diesem Video.
Ähnliche Situationen finden sich rund um das Rathaus und den Dom: Nirgends scheint es ausreichend Platz zu geben, damit Autos, Radfahrer und Fußgänger gemeinsam existieren können. „Aber wir haben eine Verantwortung für unsere Gäste, damit sie sich sicher bewegen können“, machte Marina Bartel deutlich.

Römische Stadtmauer voller Taubendreck

Außerdem müsse man ständig vom Dreck ablenken oder die Verschmutzung schön reden, zum Beispiel rund um die römische Stadtmauer und den römischen Brunnen, die in der Tiefgarage am Dom zu besichtigen sind. Stadtführerin Ilona Priebe ist mit ihren Gästen oft hier, obwohl sie den Ort nicht ideal für Gruppen findet. „Zu laut. Zu voll. Und alles voller Taubendreck. Das ist mir jeden Tag peinlich. Ich will das alles anständig zeigen können und mich dafür nicht immer rechtfertigen müssen. Die Stadt sollte mehr an die Touristen denken, die schließlich viel Geld nach Köln bringen.“
Anke Greiling
Wirtschaft und Politik
Christopher Köhne
Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität
Long Nguyen
Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität