Selbstständigkeit

Entscheidung Selbstständigkeit

Wenn sich Kristine Lehmann heute auf den Weg zur Arbeit macht, geht sie nur wenige Schritte aus dem Haus hinein in ihren Garten in Woltersdorf. Inmitten von groß gewachsenen Bäumen, auf einer großen grünen Rasenfläche und mit Blick auf den Flakensee empfängt sie ihre Kunden. Ihnen bietet sie eine Kombination aus Coaching und Personal Training.
Dass sie einmal freibestimmt ihrer Passion – der individuellen mentalen und körperlichen Unterstützung von Menschen – nachgehen wird, war zu Beginn ihrer beruflichen Karriere nicht abzusehen. Die 44-Jährige hat Sportwissenschaften mit dem Schwerpunkt Rehabilitation und Prävention studiert. Bereits während ihres Studiums jobbte sie in zwei Fitnessstudios: „Durch meine zusätzliche Ausbildung zur Wassergymnastik bin ich in eine Fitnesskette gerutscht und habe Wassergymnastikkurse geleitet. Dann wurde ich zum Ende des Studiums gefragt, ob ich fest angestellt als Trainerin arbeiten möchte“, sagt Kristine Lehmann. In den 2000er-Jahren wurden persönliche Trainer zunehmend interessanter für die Kunden, sodass Kristine Lehmann begann, Einzeltrainings anzubieten. „Das war mein Ding. Jetzt konnte ich mein Wissen zielgerichtet weitergeben. Ich trainierte Menschen individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten, sah sie regelmäßig und konnte so auch Vertrauen gewinnen.“ Sie stieg daneben bis zur Bereichsleiterin des Trainerteams auf. 2009 wurde die heute 44-Jährige schwanger und nahm nach der Geburt erst einmal Elternzeit.

Erste eigene Gruppentrainings

In der Elternzeit sehnte sich Kristine Lehmann nach beruflichen Aufgaben. Sie organisierte aus ihrem Bekanntenkreis heraus Sportgruppen. „Zu diesem Zeitpunkt fehlte mir noch der Mut, mich selbstständig zu machen. Ich merkte, wie mühevoll es war, Gruppen selbst aufzubauen. Damit Geld verdienen? Das Risiko war mir zu groß.“ Aus diesem Grund ging sie zurück zur Fitnesskette in Berlin, in der sie nach wie vor angestellt war. Anstatt Management und Einzeltrainings arbeitete sie in Teilzeit und übernahm die Qualitätskontrolle in den Berliner Studios.
Damit war ich aber sehr unglücklich.

Kristine Lehmann

Schließlich entschied sie sich gegen das Studio in Berlin und begann, in einem Fitnessstudio in Woltersdorf zu arbeiten, wo sie mit ihrer Familie auch wohnt. Bei diesem Wechsel spielte auch die Geburt ihres zweiten Kindes eine Rolle. Doch in Woltersdorf wuchs der Wunsch zur Selbstständigkeit weiter. „Ich konnte mein Können nicht ausreichend einbringen, betreute immer verschiedene Menschen an den Geräten und arbeitete wenig individuell. Daneben merkte ich, dass die Menschen immer mit einem kleinen mentalen Rucksack zum Sport kommen. Das wiederum beeinflusst das Erreichen von Zielen. Ich interessierte mich zunehmend für das Thema Persönlichkeitsentwicklung und bildete mich in diesem Bereich fort. Mein damaliger Arbeitgeber sah in dieser Fortbildung jedoch keinen Mehrwert für das Unternehmen.“ Für Kristine Lehmann war klar, dass sie ihr erweitertes Wissen in puncto Coaching nutzen wollte und sich dazu vom Arbeitgeber trennen musste. Sie stand vor zwei Wegen.
Sprung in die Selbstständigkeit
„Mein Lebensgefährte führt ein Fitnessstudio in Berlin. Ich hätte dort sofort einsteigen können. Doch ich wollte hier draußen in Woltersdorf bleiben, in der Natur, am See. Ich wusste zwar, dass es schwer ist, ohne Kontakte Kunden zu gewinnen. Doch ich wollte meine eigene Idee umsetzen. Ich nahm meinen Mut zusammen und wagte mich raus aus der Festanstellung rein in die Selbstständigkeit“, erinnert sie sich. Ihre ersten Kundinnen waren Ärztinnen aus einem nahe gelegenen Krankenhaus. Sie kamen in ihren Mittagspausen zu der Diplom-Sportwissenschaftlerin. Gerade als ihr Geschäftsmodell erste Fahrt aufnahm, kam Corona. „Zuerst war gar kein Training mehr möglich. Irgendwann durfte man sich zumindest draußen treffen, sodass ich meine Arbeit wieder aufnahm.“ Kristine Lehmann passte ihr Training an: ausschließlich an der Luft, ohne Berührung und mit ausreichend Abstand. „Eigentlich gehört es bei mir dazu, dass ich meine Kundinnen und Kunden auch dehne oder sie bei Bewegungen unterstütze. Viel geht über den Körperkontakt. Das ging damals nicht. Ich tauschte körperliche Aspekte durch den Einsatz von Sinnen. Im Fokus standen neben dem Sport Achtsamkeits- und Atemübungen – das Wahrnehmen des Umfeldes, der Natur.“

Woltersdorf als perfekter Arbeitsort
Die Natur ist auch der Grund, warum Kristine Lehmann nicht zurück nach Berlin gegangen ist. Dort hätte sie nach ihren Worten leichter Kunden generieren können. Das Training im Grünen, direkt am See und im natürlichen Tageslicht war ihr jedoch wichtiger.
Hier spüren meine Klienten den Wind, den Regen, die Sonne, den Schnee.

Kristine Lehmann

“Wir bewegen uns an der frischen Luft. Allein das bringt bereits sehr viel Ruhe und Entspannung in die Bewegungseinheiten. Viele werden dadurch auch aktiviert, abseits des Trainings zum Beispiel öfter das Fahrrad zu benutzen oder den einen oder anderen Spaziergang mehr zu machen“, begründet sie.

Die 44-Jährige betreut sehr unterschiedliche Menschen. Ähnlich sind sie sich allerdings in Bezug auf die finanzielle Situation – die meisten verdienen gut. Es handelt sich oftmals um Führungskräfte oder Selbstständige. Seit Neuestem kommen auch Firmen, die für Mitarbeiter ein Coaching oder eine Fitnesseinheit bei ihr buchen. Je nach zeitlichem Aufwand liegen die Stundensätze bei rund 90 Euro. Das persönliche Training reicht vom Muskelaufbau, über Beweglichkeitstraining, Anleitungen zur Entspannung, Haltungsschulung, Wassergymnastik, die sportliche Begleitung in und nach der Schwangerschaft sowie Gesundheitstraining bis hin zu Ernährungstipps.

Fitnesstraining und mentales Coaching in Verbindung
Daneben setzt Kristine Lehmann einen Schwerpunkt auf die mentale Stärkung ihrer Klienten. Wenn eine Person wöchentlich eins zu eins betreut werde, entstehe eine Vertrautheit. Durch diese bekomme Kristine Lehmann auch ein Gespür für Schwierigkeiten, die hinter den eigentlichen Zielen stünden. Das können körperliche Aspekte wie Gelenkprobleme sein, aber ebenso ganz persönliche wie Druck auf der Arbeit, im Alltag oder Schwierigkeiten in der Beziehung. „Ich verbinde bei meiner Arbeit Körper und Geist. Ich kläre immer erst einmal ab, wie es der Person geht und was sie heute leisten kann. Kommt jemand zum Beispiel energielos zu mir, steige ich gern über die Atmung und langsame Bewegungen ein. Oder ich leite durch körperlich schnelle, anstregende Bewegungen Ärger des Klienten heraus. Trauer, Wut, Ärger, Freude – alle Emotionen werden mit berücksichtigt, denn sie spielen einfach im Leben eine Rolle und sollen nicht ausgeblendet werden.“
Aktuell befindet sich Kristine Lehmann im Bereich der Kleinunternehmer. Sie schätzt, dass sie diese Grenze spätestens im nächsten Jahr übersteigt. Auf diesem Weg wird sie von ihrem Lebensgefährten unterstützt. „Ich bin meinem Partner sehr dankbar dafür. Er steht voll und ganz hinter mir. Durch ihn ist unsere Familie zudem finanziell abgesichert, bis auch mein Verdienst ausreichend hoch ist“, betont sie. Mit Einzeltrainings allein werde sie dieses Finanzziel aber nicht erreichen. Deshalb geht Kristine Lehmann zunehmend direkt in Unternehmen und leitet dort Gesundheits- und Fitnesscoachings. „Ich spiele außerdem schon lange mit dem Gedanken, auch Wochenendsportcamps anzubieten.“
  FORUM/Katharina Wieske
Dr.Thomas Kühne
Leiter
Regionalcenter Berliner Umland