„40 Prozent unserer Fahrgäste befördern wir mit dem O-Bus“

In Eberswalde hat die Verkehrswende schon vor 85 Jahren begonnen – damals starteten die ersten O-Busse in der Stadt. Warum die Barnimer Busgesellschaft BBG an ihren Oberleitungsbussen festhält, was die Verkehrswende derzeit bremst und ob auch 100 Jahre O-Bus gefeiert werd: Über, darüber haben wir mit Frank Wruck, Geschäftsführer der Barnimer Busgesellschaft BBG, gesprochen.
FORUM: Herr Wruck, Sie selbst haben einen Busführerschein. Sind Sie auch schon einmal O-Bus gefahren?
FRANK WRUCK: Nein, O-Bus noch nicht. Dafür braucht man schon eine spezielle Einweisung und die habe ich nicht. Man muss zum Beispiel wissen, wie das mit den Stromabnehmern funktioniert oder wie eine Fahrleitungsweiche gestellt wird.
FORUM: In diesem Jahr feiern Sie 85 Jahre O-Bus in Eberswalde, am 3. November 1940 rollte der erste Oberleitungsbus durch die Stadt. Mit welchem Gefühl schauen Sie auf dieses Jubiläum?
FRANK WRUCK: Auf der einen Seite mit Freude. Aus heutiger Sicht war man 1940 der Zeit weit voraus, als man auf emissionsfreie Antriebe gesetzt hat. Andererseits ist es auch eine Verpflichtung, ein System, das so lange besteht, weiter am Leben zu halten.
FORUM: Bei der BBG sind derzeit 14 O-Busse im Einsatz. Ein O-Bus ist mit rund 850 000 Euro Anschaffungskosten etwa doppelt so teuer wie ein Diesel-Bus. Warum halten Sie trotzdem an diesem System fest?
FRANK WRUCK: O-Busse werden in Kleinserienfertigung hergestellt, deshalb sind die Preise höher. Anderseits kosten andere emissionsfreie Busse - wie die batteriebetriebenen Fahrzeuge – ähnlich viel. O-Busse sind leise, erzeugen keine Abgase, sie haben eine Einsatzzeit von 18 – 20 Jahre und es gibt einen hohen Rückhalt dafür in der Bevölkerung. Das spüren wir jetzt im Jubiläumsjahr ganz besonders.
FORUM: Wie viele Menschen befördern die O-Busse in Eberswalde pro Jahr?
FRANK WRUCK: Ungefähr 4,2 Millionen Fahrgäste befördern wir pro Jahr und fahren gut 800 000 Kilometer mit den O-Bussen, was schon eine tolle Leistung ist. Die Mehrzahl unserer 120 Busse sind Dieselfahrzeuge, aber immerhin 40 Prozent unserer Fahrgäste befördern wir mit dem O-Bus. Auf Grund der sehr hohen Fahrgastzahlen und der langen Einsatzzeit des O-Busses ist am Ende die Produktion eines O-Bus-Kilometers nicht teurer ist als eines Dieselbus- Kilometers.
FORUM: Wenn es ums Geld geht, sind die ÖPNV-Unternehmen in Deutschland gerade nicht zufrieden. Durch das preiswerte Deutschlandticket brechen ihnen Einnahmen aus teureren Dauertickets weg. Es heißt, die tatsächlichen Mindereinnahmen der Betriebe würden nicht wirklich von Bund und Land ausgeglichen.
FRANK WRUCK: So würde ich das nicht sagen. Die Mindereinnahmen aus dem Deutschlandticket werden den Verkehrsunternehmen schon von Bund und Ländern ausgeglichen. Aber die Gelder, mit denen vorher die Verkehrs-und Antriebswende finanziert wurde, die kommen jetzt nicht mehr bei den Verkehrsunternehmen an. Mit dem Geld wird heute der Fahrgast entlastet. Auch die Größenordnung, mit der das Land seine Mittel für den ÖPNV an die Inflation und wachsende Kosten der Unternehmen anpasst, ist mit 1,5 Prozent im Jahr nicht mehr ausreichend.
Bei uns steigen die Kosten – für Personal, für die Fahrzeuge und auch durch die Umstellung auf emissionsfreie Antriebe. Und damit steigen am Ende auch die Kosten bei den Kommunen, die unsere Leistung bestellen. Sie geraten aufgrund der schwierigen Haushaltslage in Finanzierungsprobleme. Wir diskutieren darüber, ob wir unser Angebot einschränken müssen, weil die Finanzierung nicht ausreichend ist. Ich bezweifle, dass das eine sinnvolle Konstellation ist, wenn wir die Fahrgäste entlasten.
Für Fahrgäste zählt vor allem das Fahrplanangebot und dass der Bus pünktlich und zuverlässig fährt; der Preis ist nicht das Entscheidende.
FORUM: Wieso?
FRANK WRUCK: Für Fahrgäste zählt vor allem das Fahrplanangebot und dass der Bus pünktlich und zuverlässig fährt; der Preis ist nicht das Entscheidende. Das hat eine Befragung unter unseren Kunden ergeben. Wir setzen das Geld aber gerade dafür ein, dass das Angebot preiswert ist. Wir setzen es nicht dafür ein, dass es dicht, zuverlässig und reichhaltig ist.
FORUM: Sie sagen, das Geld zur Finanzierung der Antriebswende fehlt. Wie trifft das die BBG?
FRANK WRUCK: Weil wir in Eberswalde O-Bus fahren, können wir uns da ein bisschen zurücklehnen. Die Quote emissionsfreier Fahrzeuge, die das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz bis 2030 vorschreibt, haben wir erfüllt. Aber meine Kollegen in anderen Unternehmen, die alle umstellen müssen, haben Probleme.
FORUM: Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit der ÖPNV auskömmlich finanziert ist und auch die Verkehrswende geschafft werden kann?
FRANK WRUCK: Das Land, müsste die Mittel, die es auf Grundlage des Brandenburger ÖPNV Gesetzes bereitstellt, deutlich erhöhen. So wie auch der Bund die Regionalisierungsmittel anheben müsste. Die Mittel des Landes werden zwar jedes Jahr um 1,5 Prozent angepasst, aber wir hatten in den letzten Jahren oft Inflationsraten, die deutlich darüber lagen. Wenn das Land diese Kostensteigerungen nicht ausgleicht, müssen das die Landkreise und kreisfreien Städte aus ihren Haushalten tun.
FORUM: Sie hatten auch öffentlich gefordert, dass es über eine Spanne von 10 Jahren eine verlässliche Finanzierung für das Deutschland-Ticket geben müsse.
FRANK WRUCK: Die gegenwärtige Finanzierung ist nicht verlässlich, weder für den Fahrgast noch für die Unternehmen. Jedes Jahr stellt sich die Frage: Wie geht's weiter? Für uns ist außerdem relativ unklar, welcher Anteil der Einnahmen aus dem Deutschlandticket am Ende in unseren Kassen bleibt.
FORUM: Wie meinen Sie das?
FRANK WRUCK: Es gibt Unternehmen, die wenige Tickets verkaufen und welche, die einen guten Online-Vertrieb haben und viele verkaufen. Und am Ende muss es zwischen ihnen einen Ausgleich geben.
FORUM: Das Deutschlandticket wird von rund 700 Unternehmen verkauft. Das heißt, ich könnte bei einem Unternehmen XY aus Berlin ein Ticket kaufen und dann aber damit nur bei Ihnen im Barnim fahren? Das Unternehmen XY hätte die Einnahme, aber Sie würden die Leistung bringen?
FRANK WRUCK: Genau. Zwischen beiden muss es einen gerechten Ausgleich geben. Wer viele Kunden mit Deutschlandticket befördert, aber wenig Tickets verkauft, muss einen größeren Anteil bekommen als jener, der viele Tickets verkauft und weniger Kunden befördert. Die Einnahmen werden zwar aufgeteilt, aber da bestehen gegenwärtig viele Unklarheiten und das Verfahren ist noch nicht leistungsgerecht.
FORUM: Haben Sie einen Lösungsvorschlag?
FRANK WRUCK: Die Österreicher haben das aus meiner Sicht geschickter gelöst. Sie haben ein Klimaticket und hierfür eine eigene Gesellschaft gegründet, an die alle Einnahmen fließen und die das Geld dann gerecht auf alle Verkehrsunternehmen verteilt.
FORUM: Wir haben jetzt über Schwierigkeiten gesprochen. Was würden Sie gerne für die BBG in den nächsten vier, fünf Jahren erreichen?
FRANK WRUCK: Zwölf von unseren 14 O-Bussen sind in die Jahre gekommen. Ihre Erneuerung müssen wir ab 2028 in Angriff nehmen. Das ist die große Herausforderung, die ansteht. Und dann müssen wir auch bei den Dieselbussen die Antriebswende voranbringen. Es liegt mir besonders am Herzen, dass wir ein sehr gutes Verkehrsangebot haben. Aber das muss letztendlich bestellt und finanziert werden.
FORUM: Sie testen in Bernau erste Wasserstoffbusse – kann das die Zukunft sein?
FRANK WRUCK: Wasserstoff kann durchaus ein Lösungsansatz sein, aber ob wir damit richtig liegen, wissen wir noch nicht. Derzeit haben unsere Wasserstoff-Busse eine Reichweite von gut 400 Kilometer, batteriebetriebene Busse bringen es auf ca. 250 Kilometer. Wir würden also mehr Busse bei einem Batteriebussystem benötigen. Anderseits haben wir zu bestimmten Zeiten zu viel erneuerbare Energie, die wir derzeit abregeln. Uns muss es gelingen diese Energie zu nutzen.
FORUM: Und die O-Busse, wie geht es mit denen weiter? Werden wir noch über das Jubiläum 100 Jahre O-Bus in Eberswalde sprechen?
FRANK WRUCK: Wir sind dabei, die Beschaffung einer neuen Generation von O-Bussen anzuschieben. Etwa 18 Jahre werden sie durchschnittlich im Einsatz sein. Dann schreiben wir das Jahr 2045. Was dann entschieden wird, das wage ich heute nicht vorherzusehen.
Es fragte Ina Matthes

Guido Noack
Referent Verkehr
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik