Boom-Region rund um den Airport

Die Passagierzahlen am Flughafen sind im vergangenen Jahr kräftig angestiegen. Das 2019 – also in der Vor-Corona-Zeit – in Berlin erreichte Hoch von 35,65 Millionen Passagieren werde man am BER aber vermutlich erst gegen Ende des Jahrzehnts wieder erreichen, sagt Aletta von Massenbach, die Vorsitzende der Geschäftsführung Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, im FORUM-Interview. Hier äußert sie sich auch über die Entwicklung des Luftfracht-Segments sowie über neue Flugziele, die ab diesem Jahr von Berlin aus zu erreichen sind.
Ein Manko des BER: Bei den Langstreckenverbindungen kann der Flughafen mit den Drehkreuzen Frankfurt/Main und München nicht mithalten. Aber die Entwicklung am Flughafen und in seinem Umfeld ist dynamisch. Die Stärke der Region ist, dass sich dort ein breites Feld von Unternehmen unterschiedlicher Branchen angesiedelt hat. Davon profitiert nicht nur die Gemeinde Schönefeld, deren Einwohnerzahl sich seit 1990 nahezu vervierfacht hat. Logistikbetriebe, Büros, Hotels und Tagungszentren suchen die Nähe zum Verkehrsknoten BER. Ansässig sind auch Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Luft- und Raumfahrtbranche, die durch den Verein Berlin Brandenburg Aerospace Allianz vertreten werden.

Eine Herausforderung für die Zukunft wird es sein, Schritte hin zu einem CO2-neutralen Flughafenbetrieb zu gehen und damit die wirtschaftliche Entwicklung mit den Anforderungen der Nachhaltigkeit zu verbinden. Zunächst aber geht es auch darum, die drängendsten Verkehrsprobleme der Region rund um Schönefeld zu lösen. Denn die Infrastruktur muss sich den steigenden Anforderungen entsprechend entwickeln. Das betrifft sowohl den Straßenverkehr als auch die öffentlichen Verkehrsmittel. Auf der Forderungsliste der Unternehmen ganz oben stehen die Weiterführung der Berliner U-Bahnlinie 7 zum Flughafen und der Ausbau der Dresdner Bahn.
FORUM/ BMS/Ulrich Nettelstroth

BER: Reiseziel, Nachbar und Partner

Ein Gespräch mit Aletta von Massenbach, Vorsitzende der Geschäftsführung Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (BER), über Passagierzahlen, Mittel- und Langstreckenflüge, Luftfracht, Perspektiven und Nachbarschaft

FORUM: 2020 ging der BER nach den bekannten Schwierigkeiten an den Start. Dann kam Corona. Wie fällt Ihre Bilanz heute aus?

ALETTA VON MASSENBACH: Wir sind sehr zufrieden damit, wie sich der BER seit seiner Eröffnung weiterentwickelt hat und was wir gestaltet haben. Passagiere können mithilfe unserer digitalen Angebote wie Self Checkin oder BER Runway ihren Aufenthalt verlässlicher planen. Gerade erst haben wir die Verantwortung für die Steuerung der Sicherheitskontrollen von der Bundespolizei übernommen. Davon erwarten wir uns ebenfalls eine Straffung der Abläufe und eine weitere Verringerung der Wartezeit. Wir haben unsere gastronomischen Angebote erweitert, vor wenigen Tagen erst hat Burger King ein erstes Restaurant im Terminal 1 eröffnet. Auch die Passagierzahlen steigen, so sind im vergangenen Jahr rund 23 Millionen Menschen über den BER gereist und damit gut drei Millionen mehr als im Jahr 2022. Vom Vor-Corona-Niveau sind wir aber noch weit entfernt. Vor der Krise hatten wir einen Jahresrekord von 35,65 Millionen Passagiere im Jahr 2019. Diese Zahl werden wir vermutlich erst wieder gegen Ende des Jahrzehnts erreichen. Ausreichend Kapazitäten dafür hätten wir am BER bereits jetzt. Aber die Rahmenbedingungen, insbesondere die hohen Standortkosten in Deutschland, verursacht durch staatliche Steuern und Gebühren, geben eine Erholung, wie zum Beispiel in der europäischen Nachbarschaft, nicht her.

FORUM: Am BER starten bis zu sechs Langstreckenverbindungen – ein Zwerg im Vergleich mit Flughäfen wie Frankfurt/Main oder München. Die Wirtschaft in der Metropolregion fordert mehr Lang- und Mittelstreckenverbindungen, insbesondere interkontinentale Direktverbindungen, am „Drehkreuz für Ostdeutschland“. Welche Hürden müssen genommen werden?

ALETTA VON MASSENBACH: Das ist natürlich keine zufriedenstellende Anbindung für die Hauptstadtregion. Wir sind permanent im Gespräch mit verschiedenen Airlines über neue Strecken, das gehört zu unseren Aufgaben. Die allermeisten Fluggesellschaften arbeiten nach wirtschaftlichen Kriterien, und es wird nur dann weitere, auch interkontinentale Direktverbindungen geben, wenn es sich für diese rechnet. Der BER wird zudem von keiner Fluggesellschaft als ihr sogenannter Hub genutzt, auch wenn er als solcher für die Air Berlin konzipiert worden war. Das macht es für ein breites Langstreckenangebot schwierig, was ja auch Ihr Verweis auf die Lufthansa-Hub-Flughäfen Frankfurt und München aufzeigt. Es gibt aber auch viele positive Aspekte. Eurowings hat ihre Flotte am BER 2023 verdoppelt – inklusive der lang erwarteten Nonstop-Verbindung nach Dubai. Sie steuert allein seit Dezember mit Tromsø, Tiflis und Erbil gleich drei neue Ziele an. Wir freuen uns in diesem Winter auch über eine neue Interkontinentalverbindung mit Norse Atlantic Airways nach Miami. In Europa selbst ist die Hauptstadtregion und der Osten Deutschlands über den BER ordentlich angebunden, hier fehlt es aber noch an weiteren Frequenzen.

FORUM: Welche neuen Lang- und Mittelstreckenverbindungen gehen im Jahr 2024 an den Start?

ALETTA VON MASSENBACH: Eurowings fliegt in diesem Jahr neu nach Rovaniemi in Finnland und nach Yerevan in Armenien. Birmingham wird sowohl von easyJet als auch von Ryanair erstmals vom BER aus angesteuert. EasyJet fliegt neu nach Toulouse in Frankreich, Ryanair nach Kaunas in Litauen. Weitere Ziele werden sicherlich hinzukommen, es ist ja noch früh im Jahr.

FORUM: Wie wichtig ist das Segment Luftfracht für das wirtschaftliche Ergebnis des Flughafens?

ALETTA VON MASSENBACH: Die Luftfracht ist ein unabdingbarer und wichtiger Bestandteil des Flughafens. So werden Flüge mit Großraumflugzeugen, wie sie zum Beispiel auf Langstrecken eingesetzt werden, oft erst durch Frachtbeiladungen rentabel. Insbesondere auf Flügen nach Amerika und Asien, aber auch über die Hubs in Istanbul und den mittleren Osten werden große Mengen Fracht beigeladen. Eine wichtige Rolle spielen am BER zudem die Expressdienste wie UPS und FedEx mit eigenen Frachtmaschinen, welche die Hauptstadtregion im Liniendienst über deren weltweites Netz anbinden und für den Flughafen einen direkten Umsatz generieren. Hinzu kommen Charterflüge mit Frachtflugzeugen zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung in Krisen- oder Pandemiezeiten oder zur Unterstützung von Menschen in Not, zum Beispiel nach Erdbeben oder Überschwemmungen.

FORUM: Das BER-Frachtzentrum ist nahezu ausgelastet. Gibt es Pläne für einen Ausbau? Wenn ja, was ist in welchem Zeitplan vorgesehen?

ALETTA VON MASSENBACH: Im Cargo Center in unmittelbarer Nähe zu den Terminals wird die Beiladefracht für die Passagierflugzeuge abgefertigt. Dort verfügen wir über ausreichend Kapazitäten und können bei weiterem Bedarf auf einer bereits planfestgestellten Fläche erweitern. Anders sieht es bei den Expressdiensten FedEx und UPS aus, die stark wachsen. Sie werden aktuell im Express Center im Norden des BER abgefertigt und benötigen neue Flächen und Einrichtungen. Die Vorbereitungen hierfür starten zu Beginn 2024.

FORUM: Wie erwartet hat sich das Umfeld des Flughafens zu einem der wichtigsten Wirtschaftsstandorte der Metropolregion entwickelt. Welche Branchen haben sich vorrangig angesiedelt?

ALETTA VON MASSENBACH: Die Flughafenregion ist eine klare Boom-Region. Logistikfirmen gehören im Umfeld eines Flughafens immer dazu. Neben der Tesla-Gigafactory mit Produktionsstart im Frühjahr 2022 ist die Luft- und Raumfahrt ein starker Treiber für die Region. Auch haben sich bedeutende Forschungseinrichtungen wie das Robert-Koch-Institut hier niedergelassen. Ein guter Branchenmix aus Global Playern und lokalem Mittelstand wird das Flughafenumfeld auch zukünftig besonders auszeichnen. Schon jetzt gehört die Region zu den wachstumsstärksten Wirtschaftsstandorten in den neuen Bundesländern.

FORUM: Wer sind Ihre wichtigsten Partner in der Region, um eine wirtschaftlich gute und ökologisch nachhaltige Entwicklung der Region umzusetzen?

ALETTA VON MASSENBACH: Ein Flughafen ist Taktgeber für die Entwicklung einer Region, er hat somit maßgeblichen direkten Einfluss auf sein Umland. Uns geht es vor allem darum, die Region voranzubringen und zu unterstützen und dabei nachhaltig zu wirken. Wir arbeiten eng mit den Industrie- und Handelskammern sowie mit den Wirtschaftsförderungen auf Landes- und Landkreisebene zusammen. Wichtige Partner sind auch das Netzwerk Berlin Partner oder die Tourismusförderung visitBerlin. Bedeutend sind zudem die Kommunen im Flughafenumfeld. Ganz vorn steht dabei die Gemeinde Schönefeld, auf deren Gebiet wir uns bewegen, sie ist ein strategisch bedeutender Partner.

FORUM: Der BER schreibt selbst Flächen zur Immobilienentwicklung aus. Ist das eine Konkurrenz oder eher eine Ergänzung zu den Immobilien-Entwicklern?

ALETTA VON MASSENBACH: ES GIBT EINE GROSSE Nachfrage von Investoren aus aller Welt nach Flächen in Flughafennähe. Wir haben mit dem Entwicklungsquartier HORIZN BER CITY eine Premiumfläche in unmittelbarer Nähe zu den Terminals zu bieten. Die Vermarktung dieser landseitigen Immobilienflächen wurde im Herbst im Wege eines Konzeptverfahrens gestartet. Wir sehen das nicht als Konkurrenz, sondern als wertvolle Bereicherung für eine gesamtheitliche Entwicklung unserer Region. Es soll ein städtebaulich hochwertiges, lebendiges und klimafreundliches Zukunftsquartier entstehen. Wir denken an eine gemischte Nutzung, an einen Mix aus Innovation, Gewerbe, Büro, Hotellerie, Gastronomie, Forschung. Wir wollen mit dem Quartier HORIZN BER CITY nichts vorgeben, sondern die Kreativität der Immobilienentwickler positiv herausfordern.

FORUM: Die Nutzung des General Aviation Terminal der BER für Privat- und Business-Jets läuft 2027 aus. Private Unternehmen planen einen Neubau, den New GAT BER. Doch noch fehlen dafür die Flächen. Wie ist die Position der Geschäftsführung des BER dazu? Wird es eine Freigabe von Flächen geben?

ALETTA VON MASSENBACH: Der heutige Standort des General Aviation Terminal (GAT) für die allgemeine Luftfahrt wie Privat- und Geschäftsflugzeuge wird für die weitere Entwicklung des BER benötigt. Ein neuer Standort wurde bereits festgelegt. Die künftigen Flächen für den GAT-Betrieb befinden sich am östlichen Rand des BER mit guter verkehrlicher Anbindung. Dort kann ein neues, modernes GAT-Terminal gebaut werden. Wie der Terminalbau errichtet werden wird, wird derzeit noch ausgewertet. Wenn Dritte hierbei involviert werden, wird auch hier – wie bei allen relevanten Vorhaben am Flughafen – nach einer europaweiten Ausschreibung das Grundstück vergeben. An dieser Ausschreibung können sich selbstverständlich alle Interessierten beteiligen.

FORUM: Glaskugel oder Planung? Wo sehen Sie den BER in zehn Jahren?

ALETTA VON MASSENBACH: Im Jahr 2034 werden wir ein breites internationales Streckennetz mit vielen attraktiven Verbindungen anbieten. Die Zahl der Passagiere, die vom BER abfliegen oder die zu einem Geschäfts- oder Urlaubsbesuch in der Hauptstadtregion am BER landen, ist weiter gestiegen. Viele Abläufe – von der Vorab-Online-Buchung für Parkplätze oder Services über Check-in und Gepäck über den Zugang zu den Sicherheitskontrollen bis hin zum Boarding – werden noch digitaler, einfacher handhabbar und vor allem nachhaltiger sein, daran arbeiten wir permanent. Unser Ziel ist es, Fluggäste so komfortabel wie möglich durch den Flughafen zu leiten. Die Flughafengesellschaft wird finanziell eigenständig sein. Die Dekarbonisierung der Energieversorgung sowie die Umstellung der Bodenmobilität auf alternative Antriebe und Kraftstoffe werden den modernen, nachhaltigen Flughafenbetrieb in zehn Jahren auszeichnen, wesentliche Meilensteine zum CO2-neutralen Flughafenbetrieb werden erreicht sein.

FORUM: Sie haben auf drei Kontinenten in vielen verschiedenen Ländern gelebt. Was macht für Sie das Lebensgefühl in der Region Berlin-Brandenburg aus?

ALETTA VON MASSENBACH: Gerade die Hauptstadtregion steht für Internationalität, für Weltoffenheit, für Vielfältigkeit, für Natur und Kultur. Hier kommen täglich Menschen aus aller Welt an, die auf Geschäftsreise sind, an Kongressen teilnehmen, die in der Region Urlaub machen oder längere Zeit hier leben wollen. Diese Lebendigkeit erlebe ich am Flughafen hautnah jeden Tag. Sie ist faszinierend, sie spiegelt sich auch im Stadtleben wider. Ein beeindruckendes Beispiel waren die Special Olympics World Games vom vergangenen Juni mit rund 7 000 Athletinnen und Athleten aus aller Welt. Sie waren ein absolutes Highlight, und wir waren das Tor zur Sporthauptstadt.
Es fragte Brigitta Sonntag

Wichtiger Standort auf der Achse von Berlin zur Lausitz

Das Flughafenumfeld ist von Immobilien geprägt, die auf Büros zum Wohlfühlen setzen
Bürogebäude, Hotels, Logistiker, Dienstleister und produzierendes Gewerbe: Rund um den Flughafen BER gibt es ein vielfältiges Unternehmensumfeld. Zu den in der Region tätigen Projektentwicklern gehört die ALPINE Immobilien GmbH. Der Standort Schönefeld habe große Perspektiven, sagt ALPINE-Geschäftsführer Thomas Graf. „Die wichtigsten Faktoren sind dabei die Nähe zu Berlin und die gute Verkehrsanbindung“, betont er. Aufgrund der Preissituation in der Hauptstadt sei es für viele Nachfrager von Büroflächen attraktiv, an den Stadtrand auszuweichen. Der Flughafen selbst spiele für die Entwicklung im Raum Schönefeld als Verkehrsknotenpunkt ebenfalls eine Rolle in Bezug auf flughafenaffine Unternehmen. Die Airport-Region habe attraktive Flächen zu attraktiven Preisen zu bieten. Hinzu komme, dass im direkt angrenzenden Gewerbegebiet Adlershof nur begrenzt Erweiterungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Das Schweizer Familienunternehmen ALPINE mit Hauptsitz in Zürich ist ein langfristig denkender Immobilienentwickler und setzt seit bereits 1990 auf den Standort Schönefeld. Das Unternehmen verfügt über rund 35 000 Quadratmeter Bürofläche am Standort, davon 15 000 Quadratmeter in einem seit Sommer 2023 bezugsfertigen Neubau. „Derzeit ist die Vermietung schwierig“, räumt Thomas Graf ein.
Das entspreche aber der allgemeinen Lage in Berlin und sei zum einen der Nachwirkung von Corona mit einem anhaltenden Trend zum Homeoffice geschuldet, zum anderen der insgesamt angespannten Lage mit Ukrainekrieg und gestiegenen Zinsen. Zu den Mietern gehören Aviation-affine Unternehmen
wie Bodendienstleister und Sicherheitsdienste sowie Logistikfirmen. Auch die IHK Cottbus hat sich mit Regionalcenter und Bildungszentrum eingemietet. Zur Kammer hat die ALPINE eine enge Bindung. Prokurist André Barkusky ist Mitglied in der Vollversammlung der IHK und im Immobilienausschuss der DIHK.
Grüne Oase
Mittel- und langfristig sind die Perspektiven am Standort sehr gut, sagt Thomas Graf. Dazu trage auch das angenehme Umfeld bei, das Mietern in Top-Büroimmobilien wie dem BB-Business Hub der ALPINE Immobilien GmbH geboten werde. Das Konzept: Büros zum Wohlfühlen mit freundlicher Gestaltung und Zusatzfunktionen. Es gibt Tagungsbereiche und eine Gastronomie, die auch für Veranstaltungen der Mieter genutzt werden kann. Über eine Kita und weitere soziale Einrichtungen wird diskutiert. Solche Ausstattungsmerkmale werden zunehmend wichtig sein, betont Thomas Graf. Auf besondere  Qualitätskennzeichen kommt es auch anderen Immobilienentwicklern am Standort an. Als „grüne Oase“ präsentiert sich der im Mai 2023 eröffnete Businesscampus „The Unique“ des Investors Peter Kolb. Das Gebäudeensemble mit insgesamt rund 19 500 Quadratmetern liegt im wachsenden Businesspark Kienberg und umfasst ein großes Bürogebäude, Gastronomie und ein Aparthotel. Nach dem Konzept des „Human Centered Office“ stehen die Bedürfnisse derer im Mittelpunkt, die in dem Komplex arbeiten und leben, betont das Unternehmen. Dafür sorgten eine hochwertige Ausstattung, kurze Wege, Kunstobjekte, Erholungsräume und Ausblicke ins Grüne, außerdem Möglichkeiten zum digitalen Arbeiten. „Unser Bürokonzept bietet ein ‚Zuhause‘ für Unternehmen, Mittelständler, Kreative und Start-ups jeder Größenordnung und ermöglicht eine sehr gute Work-Life-Balance“, betonte zur Eröffnung Jasmin Samiri, die Geschäftsführerin von Unique Invest. Das Projekt wurde bereits von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem grünen Gütesiegel in Gold zertifiziert. Zu den Besonderheiten gehören eine großzügige Grünanlage des Landschaftsarchitekten Rainer Schmidt und Urban Gardening, die zusammen mit einem angrenzenden Waldstück für Natur- und Erholungsräume sorgen, außerdem Ladesäulen für E-Scooter, E-Bikes und Elektro-Pkw.

Klare Vorteile für Standort

Die Flughafenregion grenzt nicht nur unmittelbar an die Metropole Berlin, sie ist auch Teil der wichtigen Entwicklungsachse von Berlin in die Lausitz, betont Sascha Gresitza, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Umfeld BER. Der Standort bringe klare Vorteile mit. „Alle Mobilitätsträger sind vor Ort, gleichzeitig gibt es ausreichend Platz für Ansiedlungen“, fasst er zusammen. Die IG Umfeld BER ist ein eingetragener Verein, der 2021 gegründet wurde, um die Interessen der Eigentümer von Flächen in der Flughafenregion zu vertreten und es ihnen zu ermöglichen, sich vor allem beim Kontakt mit den Behörden besser zu koordinieren. Das hat am BER eine gewisse Bedeutung, weil hier Großstadt und ländlicher Raum aufeinandertreffen. Die Flächen gehören zu einer Vielzahl selbstständiger Gemeinden mit jeweils eigenen Ansprechpartnern für die Unternehmen. Gerade unter dieser Voraussetzung seien gute Kontakte der Investoren untereinander wichtig, so Gresitza. „Unser Ziel ist es, ein größeres Netzwerk für die Region zu bilden“, sagt er. Es geht auch darum, die Gemeinden in den Planungsabläufen zu beraten und zu unterstützen.


Wasserstoff soll wichtiger Treiber im Strukturwandel werden

Bei der Entwicklung der Wirtschaftsregion rund um den Flughafen BER ist aus Sicht von Gresitza auch das Land Brandenburg gefordert, mit Schwerpunktsetzungen etwa beim Zusammengehen von Wirtschaft und Wissenschaft fördernd einzugreifen. Ein Thema, das sich dabei abzeichne, sei die nachhaltige Mobilität etwa im Hinblick auf die Wasserstoffwirtschaft. Der Wasserstoff soll unter anderem zu einem wichtigen Treiber im Strukturwandel der Lausitz werden. Einer der Akteure der Wasserstoffwirtschaft ist die McPhy Energy Deutschland GmbH in Wildau. Die McPhy-Gruppe mit Hauptsitz in Grenoble (Frankreich) gehört zu den führenden Entwicklern der Wasserstofftechnologie. In Wildau beschäftigt das Unternehmen etwa 100 Mitarbeiter in der Produktion von Elektrolyseuren. „Wir produzieren Anlagenmodule bis zur Grenze von 16 Megawatt, die dann zu beliebig großen Gesamtanlagen in Reihe geschaltet werden können“, sagt Alexander Picco, Geschäftsführer der McPhy Energy Deutschland GmbH. Wie rasant das Wachstum ist, lässt sich daran ablesen, dass vor drei Jahren gerade einmal 20 Mitarbeiter bei dem Wildauer Startup ihr Geld verdienten.

Vernetzung wichtig

Die Wildauer liefern derzeit unter anderem Elektrolyseure für das Stahlwerk Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt. Dort entsteht eine Pilotanlage, um langfristig klimaneutralen Stahl produzieren zu können. Wasserstoff ist auch ein wichtiger Rohstoff in der chemischen Industrie, sagt Picco. Auch für Wasserstofftankstellen würden Elektrolyseure ausgeliefert, der Fokus liegt aber eindeutig bei der industriellen Nutzung. Noch ist die Herstellung von grünem Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, recht teuer. Mit dem Fortschreiten der technischen Entwicklung wird sich das aber zunehmend ändern. Das Wasserstoffnetzwerk Lausitz hat für McPhy eine große Bedeutung, sagt Alexander Picco. Wichtig sei auch die Vernetzung mit der Wissenschaft. Mit dem Wasserstoff-Forschungszentrum der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg unter Leitung von Lars Röntzsch wurde auch beim Arcelor-Mittal-Projekt zusammengearbeitet.
BMS/Ulrich Nettelstroth


Wirtschaftstreiber BER braucht neue und verbesserte Mobilitätsangebote

Aktualisierte Verkehrsanalyse für den BER und dessen Umfeld heiß erwartet – Planungsbüro gibt erste Einblicke
Zu Zeiten der fortschreitenden Globalisierung wird eine gute Flugmobilität für Unternehmen immer wichtiger. Wie steht es um die Luftverkehrsanbindung der in Berlin und Brandenburg ansässigen Firmen? Wird der Flughafen BER seiner Rolle als Taktgeber für die wirtschaftliche Entwicklung der Region gerecht? Die derzeitige Dichte an innereuropäischen und interkontinentalen Flügen in der Metropolregion wird als nicht ausreichend betrachtet, ergab
eine aktuelle Umfrage unter 120 Mitgliedsunternehmen der Berlin-Brandenburger IHKs.
„Wir wünschen uns am BER mehr Vielfalt an Fluggesellschaften und internationalen Fluganbindungen“, sagt beispielsweise Katrin Antonenko, Geschäftsführerin der Eckert & Ziegler BEBIG GmbH in Berlin. Dabei handelt es sich um einen der weltweit größten Hersteller von Medizinprodukten, unter anderem zur Diagnose und Behandlung von Krebs. „Wir liefern unsere Produkte auf jeden Kontinent. Schnelle und direkte Fluganbindungen sind für uns daher von großer Bedeutung“, so Antonenko. Derzeit müssten oft auf der Straße lange Vorläufe organisiert und es müsse bis Frankfurt, München, Prag oder Paris gefahren werden, weil erst ab dort ein passendes Angebot an Flügen zu finden sei. Ähnlichen Unmut belegt die Umfrage: Zwar sind mit dem nationalen Flugangebot ab Berlin knapp 50 Prozent der Befragten zufrieden bis sehr zufrieden, doch schon das europaweite Angebot stufen 30 Prozent als „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ein. Die Langstreckenverbindungen bewerten sogar zwei von drei Befragten entsprechend.
Insbesondere im europäischen Vergleich schneidet der Standort schlecht ab – anders als London (138) und Paris (103) hat der BER lediglich sechs Langstreckenverbindungen. Ebenso ist die Zahl innereuropäischer Flüge verglichen zu Vor-Corona-Zeiten gesunken.
Doch auch wenn sich das Passagieraufkommen am BER infolge der Pandemie nicht so entwickelte wie prognostiziert, wird für 2040 von einem Anstieg auf 41 Millionen Passagiere ausgegangen. Ein Zeichen dafür, dass das Flughafenumfeld dort stärker prosperiert als erwartet. Dies liegt nicht zuletzt an der dynamischen Gewerbeentwicklung und der Tesla-Ansiedlung in unmittelbarer Nähe. Auch der Bereich Luft- und Raumfahrt nimmt rund um den Airport eine wichtige Funktion ein. Um die dynamische Flughafenregion weiter zu stärken, müsse der BER interkontinental deutlich besser angebunden werden, so Jens Warnken, Präsident der IHK Cottbus: Hier sollten insbesondere der Nahe Osten, China und Singapur stärker in den Blick genommen werden. „Darüber hinaus muss die Taktung nach Großbritannien und Frankreich unternehmensfreundlicher gestaltet werden, nicht zu vergessen Skandinavien“, betont Warnken. Eine verbesserte Konnektivität der Firmen hätte deutliche ökonomische Vorteile. Schließlich sollte Brandenburg als dynamischster Wirtschaftsraum in Ostdeutschland auch über einen Flughafen verfügen, der weiteres Wachstum fördert.

Am Flughafen Berlin Brandenburg gibt es seitens einiger renommierter Airlines, wie etwa aus den Arabischen Emiraten, großes Interesse an mehr internationalen Flügen. Ob dies eintrete, hänge jedoch von noch zu treffenden politischen Entscheidungen der deutschen Bundesregierung ab. Nun gelte es, den Druck auf die Bundesebene zu erhöhen. In einem erst kürzlich veröffentlichten Bericht sprach sich indes die Lufthansa gegen eine Ausweitung ihres Angebots an Langstreckenverbindungen am BER aus. Stattdessen wolle die Airline sich auf die Standorte Frankfurt und München konzentrieren. Doch laut Jens Krause, Generalmanager der IHK Cottbus, hätte gerade der Flughafen Berlin Brandenburg ein viel größeres Potenzial zum Ausbau von Langstreckenflügen. Der BER erfülle alle notwendigen Bedingungen zur Erweiterung des Streckennetzes von Fluggesellschaften und er liege eine Flugstunde näher an den Zielen in Osteuropa und Asien. „Dies ist ein klarer Standortvorteil und würde auch internationalen Unternehmen in der Region zugutekommen“, so Krause.

Verbesserung der Verkehrsanbindung

Neben der Luftverkehrsanbindung der Metropolregion geht es den Unternehmen vorrangig um die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur am und im Umfeld des Flughafens BER. Dabei steht nicht nur im Fokus, den BER optimal anzubinden, sondern auch dem Bevölkerungszuwachs mit neuen Wohngebieten und der sich entfaltenden Gewerbeentwicklung gerecht zu werden. Die mit dem Wirtschaftstreiber Flughafen stark wachsende ökonomische Entwicklung müsse zu „neuen und verbesserten Mobilitätsangeboten“ führen, konstatiert IHK-Präsident Jens Warnken mit Blick auf die politischen Entscheidungsträger. Zu diesem Zweck haben die Industrie- und Handelskammern Cottbus, Ostbrandenburg, Potsdam und Berlin gemeinsam mit den Mitgliedern des Dialogforums Flughafen BER beim Verkehrsplanungsbüro SPV Spreeplan Verkehr GmbH eine aktualisierte Verkehrsanalyse für den BER und dessen Umfeld beauftragt.

Dafür wurde ein Radius von 30 Kilometern um Schönefeld in den Fokus genommen – Teile Berlins eingerechnet und die Teslaregion miteinbezogen. Für diesen Umkreis ist das aktuelle und künftige Verkehrsaufkommen für die Jahre 2023, 2025, 2030 und 2040 ermittelt worden. Dabei wurde nach Angaben von Teschner deutlich, dass die vom Land Brandenburg im Jahr 2021 erhobenen Zahlen zur Verkehrsentwicklung noch stark „Corona-geprägt“ waren und viel zu niedrig sind. „Erst jetzt zeigen sich die Auswirkungen des Flugbetriebes am BER und der Ansiedlung der Tesla Gigafactory“, so der SPV-Verkehrsplaner. Gegenüber 2021 seien – nicht zuletzt wegen wachsender Pendlerströme – bis zu 155 Prozent mehr Zuwächse beim Verkehrsaufkommen in der Region gemessen worden - auf umliegenden Bundes- und Landstraßen wie auch auf Teilen der L402. Bei den Autobahnen müssen besonders die A100/113 und die A10 sowie A13 höhere Belastungen tragen. Auch der Schwerlastverkehr in dieser von Flughafen und Tesla geprägten Region hat deutlich zugenommen. So gab es etwa auf der Autobahn A13 in Höhe der Ausfahrt Teupitz im vergangenen Jahr im Rahmen von Zählungen gegenüber 2021 Anstiege von knapp 69 Prozent. Die vollständigen Ergebnisse der IHK-Verkehrsstudie, die die landkreisübergreifende Flughafenregion und ihr Umfeld insgesamt in den Blick nimmt, werden in Kürze öffentlich vorgestellt und in FORUM thematisiert.

FORUM/BMS/Lisa Di Blasi, Gerald Dietz

Der Wettberwerb um die Talente

Über die Fachkräftesituation in der Flughafenregion diskutierten Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Verwaltung in der Airport Campus-Reihe an der TH Wildau.
Gibt es genügend Ideen und Initiativen, Jugendliche für Karriereperspektiven in der Flughafenregion zu begeistern? Bei der hochkarätig besetzten Jubiläumsveranstaltung der Vorlesungsreihe des Airport Campus in der Technischen Hochschule (TH) Wildau im Dezember diskutierte man angeregt darüber. Die Veranstaltungsreihe wurde vor 15 Jahren als Hochschulinitiative der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH ins Leben gerufen, um die Drehscheibe zwischen Theorie und Praxis, Wissenschaft und Wirtschaft lebendig zu gestalten. Mehr als 4.000 Studierende nahmen seither an über 60 Veranstaltungen teil.
Alle Experten waren sich einig, dass der Fachkräftemangel ein Dauerbrenner-Thema bleiben wird und neben Hartnäckigkeit vor allem Ideen und Innovationsgeist benötigt. „Wir müssen lernen, mit dem Mangel umzugehen. Neue Geschäfts- und Arbeitszeitmodelle können helfen, Brandenburg als leistungsfähigen Industriestandort weiterzuentwickeln“, so Hendrik Fischer, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg. Carina Knie, Geschäftsführerin Operativ der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit führte dafür die Best-Practice-Beispiele Wirtschaftsmotor Flughafenregion, Lausitz, Wittenberge und Grünheide an und verwies auf die Achse der Innovation vom boomenden Berlin-Adlershof über den BER quer durch Brandenburg bis in die Lausitz. „Die Jugendlichen schauen heute mehr denn je werteorientiert auf den Inhalt der Arbeit“, fasste Michael Halberstadt, Geschäftsführer Personal der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, seine Erfahrungen zusammen und belegte das mit einem beeindruckenden Fakt: Für 41 Ausbildungsplätze in zwölf Ausbildungsberufen und sechs dualen Studiengängen im Ausbildungsjahrgang 2024 landeten 500 Bewerbungen in seinem Zuständigkeitsbereich. „Das ist eher Ansporn als Ruhekissen, denn es geht um die dynamische Entwicklung der gesamten Flughafenregion.“ Er verwies darauf, dass bei der Auswahl der Auszubildenden und dual Studierenden Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Problemlösung mehr zählen als der pure Notendurchschnitt. Die Frage von Moderatorin Ulrike Finck, ob er nicht die 459 übrig gebliebenen Bewerbungen an die Firmen in der Flughafenregion weitergeben könne, musste er mit dem Hinweis auf den Datenschutz verneinen. Man werde aber weiter im Austausch bleiben und prüfen, wie man hierbei noch besser voneinander profitieren könne.

Schlüsselfaktor Kooperation

Praktisch stieg auch Jens Warnken, Präsident der IHK Cottbus, in die Diskussion ein, denn der Prokurist des mittelständischen Unternehmens airkom Druckluft GmbH aus Wildau schilderte, wie seine expandierende Firma unter Hochdruck nach Fachkräften sucht. „Wir arbeiten eng mit der TH zusammen: betreuen wissenschaftliche Arbeiten der Studenten, stellen Lehrkräfte und ermöglichen im Unternehmen eine funktionierende Kombination von beruflicher Ausbildung und Studium.“ Dina Hannebauer, die für ihre Professur im Fachbereich Ingenieur- und Naturwissenschaften an der TH Wildau langjährige Berufserfahrung im Sondermaschinenbau und in der Luftfahrt mitbringt, berichtete über Formate der Hochschule, bereits Schulkinder für die Technik zu begeistern über die Kinder-Uni oder Flugtechnik-Schnupper-Tage.
Über Messen mit Partnern aus der Wirtschaft, durch Patenschaften zwischen Schulen und Unternehmen könne man der angespannten Fachkräftesituation im BER-Umfeld zum Teil begegnen. Auch mehr Vollzeitarbeitsplätze, das Auffangen von Studienabbrechern und Schülern ohne Abschluss rücken in den Fokus. „Kooperation ist das Zauberwort der Zukunft“, so Carina Knie. Das bestätigte Kerstin Borngräber, Sachgebietsleiterin Arbeitsmarktpolitik im Landkreis Teltow-Fläming: „Wir arbeiten in verschiedenen Netzwerken eng mit der Wirtschaft zusammen. Es ist ein schwieriger Lernprozess für die Unternehmen, dass der Arbeitsmarkt Lücken hat.“ Desinteressierte Jugend? Veranstaltungsteilnehmer und Schüler Tilman Bergner, 17 Jahre alt, aus Teltow, widerspricht: Er möchte nach dem Abitur Schiffs-, Flugzeug- oder Maschinenbau studieren, „mal sehen.“
FORUM/Brigitta Sonntag

Guido Noack
Referent Verkehr
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik