4 min
Lesezeit
„Schlacken ersetzen Millionen Tonnen an Naturgestein“
Thomas Reiche ist Geschäftsführer des FEhS – Institut für Baustoff-Forschung in Duisburg. Es forscht, berät und prüft zu Eisenhüttenschlacken. Das Nebenprodukt der Roheisen- und Stahlerzeugung steht im Fokus diverser Untersuchungen – auch mit Blick auf den Wandel in der Stahlindustrie.
Thomas Reiche
Geschäftsführer des FEhS – Instituts für Baustoff-Forschung
© FEhS – Institut für Baustoff-Forschung
Herr Reiche, wie bewerten Sie die Bau-Rohstoff-Problematik in Deutschland grundsätzlich?
Thomas Reiche: Grundsätzlich geht es darum, dass wir die Verfügbarkeit von Rohstoffen für den Bau langfristig sicherstellen. Laut des Monitoringberichts der Initiative „Kreislaufwirtschaft Bau“ für das Jahr 2020 brauchen wir in Deutschland jährlich fast 600 Millionen Tonnen Gesteinskörnungen. Davon werden immerhin knapp 20 Prozent mit Sekundärbaustoffen abgedeckt. Dazu gehören auch jene, die aus den Schlacken der Stahlindustrie entstehen. Im Umkehrschluss heißt das, dass natürliche Rohstoffe mit 80 Prozent den weitaus größten Anteil haben. Nach unserer Einschätzung wird sich dieses Verhältnis auch zukünftig nicht grundlegend ändern. Insofern wird nach meiner Ansicht auch die in NRW diskutierte Rohstoffabgabe nicht dazu beitragen, dass mehr Sekundärbaustoffe zum Einsatz kommen. Vielmehr wird sie das Bauen weiter verteuern.
Wo steht Deutschland in Sachen Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung?
R: Auch wenn noch einige Hausaufgaben anstehen: Mit den neuen Gesetzen zur Kreislaufwirtschaft vom Bund und zur Landeskreislaufwirtschaft in NRW ist die Politik auf einem guten Weg. Grundsätzlich sind damit Sekundärrohstoffe, wie zum Beispiel Baustoffe aus der Stahlindustrie, bei öffentlichen Ausschreibungen zu bevorzugen. Zweck der Gesetze ist es, durch eine umfassende Kreislaufwirtschaft natürliche Ressourcen zu schonen. Allerdings müssen diese Vorschriften nun in einem zweiten Schritt auch justiziabel gemacht werden. Wir haben dazu Vorschläge erarbeitet, die wir mit den politischen Entscheidungsträgern diskutieren.
Eisenhüttenschlacken würde nicht jeder sofort mit Baustoffen in Verbindung bringen. Welchen Beitrag leisten sie in diesem Bereich?
R: Abhängig von der Stahlproduktion entstehen in Deutschland jedes Jahr rund zwölf Millionen Tonnen Eisenhüttenschlacken. Die Hälfte davon stammt aus Duisburg. Rund 95 Prozent der Schlacken kommen in Zement und Beton, als Verkehrsbaustoffe sowie in Düngemitteln zur Anwendung. Als Nebenprodukt trägt es im Unterschied zu den Recyclingrohstoffen bereits im „First Life“ zur Kreislaufwirtschaft bei.
Und als Ersatz für Primärrohstoffe?
R: Eisenhüttenschlacken haben allein in Deutschland seit 1945 mehr als eine Milliarde Tonnen Naturgestein ersetzt. Das ergäbe einen Berg so hoch wie die Zugspitze. Ein weiteres weiteres Beispiel: Die Zementklinkerproduktion ist die drittgrößte Quelle für industrielle Treibhausgasemissionen in Deutschland. Hüttensand, also granulierte Hochofenschlacke, kann Zementklinker im Zement ersetzen. 227 Millionen Tonnen CO2 konnten auf diese Weise ebenfalls seit 1945 eingespart werden. Das sind starke Argumente dafür, solche Stoffe einzusetzen.
Wie sieht es zukünftig für die Nebenprodukte der Stahlindustrie aus?
R: Die Transformation hin zu einer dekarbonisierten, wasserstoffbasierten Stahlherstellung führt zu völlig neuen Schlacken. Wie diese optimal verwendet werden können, wird ebenso erforscht wie der Einsatz von Elektroofenschlacke aus der schrottbasierten Route im Zement oder als Gesteinskörnung im Beton. Damit wir die Ziele erreichen, müssen wir neben der intensiven Forschungsarbeit zusätzlich das Regelwerk anpassen.
Welche Forschungsprojekte laufen dazu?
R: Das FEhS-Institut arbeitet schon seit 2013 zu den genannten Themen. Seit 2021/2022 untersuchen die Projekte „SAVE CO2“ und „DRI-EOS“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, wie „Hüttensand 2.0“ als CO2-sparender Klinkerersatz für die Zementindustrie hergestellt werden kann. Wir koordinieren die Vorhaben und führen sie gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung durch. Zusätzlich haben wir erst kürzlich ein europäisches Forschungsprojekt mit einem internationalen Konsortium gestartet. Außerdem läuft gerade ein Projekt an, das untersucht, wie der Straßen- und Verkehrsbau Schlacken aus der transformierten Stahlindustrie verwenden kann. Es gibt also alle Hände voll zu tun. Langeweile kommt da zum Glück nicht auf.
INSTITUT
Das FEhS – Institut für Baustoff- Forschung e. V. mit Sitz in Duisburg-Friemersheim gilt seit sieben Jahrzehnten als eine der europaweit führenden Adressen für Forschung, Prüfung und Beratung zu Eisenhüttenschlacken, Baustoffen und Düngemitteln. Es versteht sich als Teil eines internationalen Netzwerks mit Schwerpunkten auf diesen Wirtschaftsbereichen. Zu seinen Mitgliedern zählen namhafte Unternehmen der Branche, etwa Thyssenkrupp Steel Europe, die Hüttenwerke Krupp Mannesmann und Arcelor Mittal Hochfeld.
Das FEhS – Institut für Baustoff- Forschung e. V. mit Sitz in Duisburg-Friemersheim gilt seit sieben Jahrzehnten als eine der europaweit führenden Adressen für Forschung, Prüfung und Beratung zu Eisenhüttenschlacken, Baustoffen und Düngemitteln. Es versteht sich als Teil eines internationalen Netzwerks mit Schwerpunkten auf diesen Wirtschaftsbereichen. Zu seinen Mitgliedern zählen namhafte Unternehmen der Branche, etwa Thyssenkrupp Steel Europe, die Hüttenwerke Krupp Mannesmann und Arcelor Mittal Hochfeld.
Text: Daniel Boss
Fotos: FEhS – Institut für Baustoff-Forschung
Fotos: FEhS – Institut für Baustoff-Forschung
Kontakt
Service-Center