Einblick

Ein neuer Ort für die Trauer

Kann Trauer ein Geschäft sein? Antonette Dugayo-Holz beantwortet diese Frage nach nur kurzem Zögern mit einem klaren Ja. „Um es zugespitzt zu formulieren: So wie Menschen einen Ort brauchen, an dem sie sich die Haare schneiden lassen, brauchen sie auch eine Möglichkeit, ihre Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen ausleben können“, so die 35-jährige Unternehmerin. Einen solchen Ort hat Antonette Dugayo-Holz vor rund einem halben Jahr geschaffen. Ihr Trauerzentrum in einem Ladenlokal in der Dinslakener Innenstadt zählt sicherlich zu den ungewöhnlichsten und innovativsten Geschäftsideen der letzten Zeit. Sie bietet Einzelgespräche an, veranstaltet aber auch Trauerrunden. Ihre Klientinnen und Klienten sind in der Regel Selbstzahler. Schulungen und Workshops rund um Sterben, Tod und Trauer (unter anderem für Polizei, Kitas und Schulen) gehören ebenfalls zum Angebot – online, inhouse oder im Trauerzentrum. Kooperationen mit den Jugendämtern Dinslaken und Duisburg sind in Planung.

Es gibt auch Menschen, die hier ihre Wut loswerden möchten, die sie wegen des Verlustes empfinden. Es gibt eben nicht die eine Form der Trauer.
Für ihr Konzept erhielt die Neu-Selbstständige das Gründerstipendium NRW: Die 1.000 Euro pro Monat für die Dauer eines Jahres sollen ihr helfen, sich zu etablieren. Um ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, nutzt Antonette Dugayo-Holz auch intensiv die sozialen Medien, wo sie über ihre Arbeit berichtet und die von ihr behandelten Themen ganz offen anspricht. Nach wenigen Monaten hat sie sich in der Region bereits einen Namen gemacht.
Zu ihr kommen Menschen fast jeden Alters und mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen und Emotionen. „Es ist eine riesige Bandbreite“, meint die Gründerin. Auf ihrem Sofa im Trauerzentrum sitzt an einem Tag ein Mann mit Anzug und Krawatte, der stoisch wirkt und nicht eine einzige Träne vergießt, „weil er das mit Schwäche verbindet“. Am nächsten Tag kommt eine Klientin, die sofort hemmungslos weint. „Es gibt auch Menschen, die hier ihre Wut loswerden möchten, die sie wegen des Verlustes empfinden“, erzählt Dugayo-Holz. „Es gibt eben nicht die eine Form der Trauer.“
Wie kommt eine junge Frau dazu, sich so intensiv mit dem Tod und seinen Folgen zu beschäftigen, das sogar zu ihrem Beruf zu machen? Eigentlich wollte die gebürtige Bonnerin vor allem mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Sie studiert Soziale Arbeit in Duisburg und ist danach in der Jugendhilfe und der Schulsozialarbeit tätig. „Ich habe viel mit Migranten gearbeitet, unter anderem in Duisburg-Marxloh“, erzählt sie. Immer wieder seien ihr dabei auch die Themen Trauer, Verlust und Tod begegnet. „Für den richtigen Umgang da- mit fehlten mir allerdings die Werkzeuge“, so Antonette Dugayo-Holz. „In der Ausbildung wurde das nicht vermittelt.“ Sie sieht eine Nische, die sie fasziniert, und absolviert neben dem Beruf eine zweieinhalbjährige Ausbildung zur Sterbeamme: „Man lernt, Menschen in den Tod zu begleiten und sich um ihre Angehörigen zu kümmern.“
In einem Seniorenheim, wo sie zwischenzeitlich arbeitet, kann sie das Gelernte erstmals in der Praxis anwenden. Hier kommt sie mit sterbenden Menschen in Kontakt, begleitet sie in ihrer letzten Lebensphase. Dann erleidet sie selbst einen Schicksalsschlag: Ihre Schwangerschaft endet abrupt und dramatisch. Sie weiß daher aus eigener Erfahrung, was Trauer mit einem Menschen machen kann. Das „Sternenkind“ nennen die Eltern Amea. So heißt auch das Trauerzentrum.
Das Ziel ihrer Arbeit sei nicht, die Trauer der Klientinnen und Klienten verschwinden zu lassen, meint die Unternehmerin. „Das kann niemand, auch ich natürlich nicht.“ Vielmehr gehe es darum, die eigene Trauer zu verstehen „und sie irgendwann annehmen zu können“.

Gründer und Start-ups mit neuen Ideen, dem Know-how und dem Mut, sie zu verwirklichen, unterstützt das NRW-Wirtschaftsministerium mit dem Gründerstipendium NRW. Die Teilnehmer werden nicht nur finanziell unterstützt, sondern erhalten auch ein individuelles Coaching. Die Niederrheinische IHK bildet zusammen mit weiteren Partnern ein Gründungsnetzwerk, das Gründer für das Stipendium empfiehlt. Nehmen Sie Kontakt mit unseren Existenzgründungsberatern auf: gruendung@niederrhein.ihk.de
Weitere Informationen unter: www.ihk.de/niederrhein/gruenderstipendiumnrw

Text und Fotos: Daniel Boss.