Von Andreas Lukesch
Dass die Mitglieder der IHK-Vollversammlung einmal über „Wirtschaft, Kommunen und Verteidigung“ diskutieren müssen, war lange nicht abzusehen. Jetzt ist das Thema dringlicher denn je und betrifft nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche, national wie regional. Ganz vorn mit dabei: die Wirtschaft.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine läutete auch in Deutschland eine Zeitenwende ein. Seitdem baut das Land an seiner Verteidigungsfähigkeit und steckt Milliarden in die Ertüchtigung der Bundeswehr. Handlungsbedarf besteht bis in die kleinste Kommune, auch wenn Norbert Heuser, Landrat des Landkreises Heilbronn, in der Vollversammlung der IHK Heilbronn-Franken den Begriff weiter fasste und lieber von Krisenfestigkeit sprach.
Wir müssen wissen: Wie geht Krise?
Norbert Heuser, Landrat
„Wir müssen wissen: Wie geht Krise?“, sagte Heuser und bezog sich damit nicht nur auf den militärischen Ernstfall. Heuser geht es auch um Naturkatastrophen, um Cyberangriffe und sonstige Herausforderungen, die ein schnelles und koordiniertes Handeln zum Schutz der Menschen erfordern. Seine selbstgestellte Frage „Sind wir als Gesellschaft krisenfest, wenn mal vier Tage kein Wasser da ist?“ konnte er nicht uneingeschränkt mit Ja beantworten.
Im Gegenteil: Heuser sieht in vielen Bereichen erheblichen Nachholbedarf: „Da müssen wir aufholen, daran arbeiten wir.“ Viel Zeit bleibt nicht. Mit Blick auf die Prognose, dass Russland in fünf Jahren in der Lage ist, NATO-Gebiet anzugreifen, sagte Heuser: „Russland greift uns schon heute an, mit Cyberattacken und vielen Instrumenten, die eine Destabilisierung zum Ziel haben.“
Doch auch der militärischen Herausforderung müsse man sich in der Region stellen. Truppenaufmärsche, Krankenversorgung, Nahrungs- und Versorgungslogistik – im Verteidigungsministerium wird wieder der militärische Ernstfall vorbereitet.
„In den Rahmenrichtlinien für Gesamtverteidigung wird 61-mal die Wirtschaft genannt“, hob Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin der IHK Heilbronn-Franken, hervor. Damit wird deutlich, welch entscheidende Rolle die Unternehmen in der Strategie spielen. Für die Wirtschaft geht es um Produktionsumstellungen oder -verlagerungen, um Cybersicherheit, Lieferketten, Rohstoffversorgung und Fachkräfte.
Auf die IHKs kommen neue hoheitliche Aufgaben zu
Elke Döring, IHK-Hauptgeschäftsführerin
Und um Infrastruktur, ein Kernthema der Referenten in der Vollversammlung. Die IHK Heilbronn-Franken setzt sich schon lange für eine Behebung der Infrastrukturdefizite in Heilbronn-Franken ein – ob bei der Breitbandversorgung, beim A6-Ausbau, der Schienenanbindung oder den Neckarschleusen. Langjährige Forderungen, für die IHK-Präsidentin Kirsten Hirschmann angesichts der milliardenschweren Infrastrukturpakets neue Chancen sieht: „Heilbronn-Franken muss angemessen am Infrastrukturpaket der Bundesregierung beteiligt werden.“
Elke Döring nannte es eine verteidigungsfähige Infrastruktur, Vollversammlungsmitglied und Spediteur Roland Rüdiger sprach von schwerlastfähigen Verkehrskorridoren und von ganz neuen Herausforderungen für die Speditionsbranche. „Das kann durchaus auch die A6 und deren Ausbau betreffen.“
In der Gesamtentwicklung sieht die Hauptgeschäftsführerin die IHK als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, sprich den Unternehmen, Verwaltung und Politik: „Auf die IHKs kommen neue hoheitliche Aufgaben zu. Wir werden aber auch informieren, unterstützen und natürlich die Interessen der Wirtschaft vertreten – bei Themen und in Netzwerken, die jetzt erst entstehen.“ Die DIHK hat in Berlin bereits ein entsprechendes Referat eingerichtet, in Baden-Württemberg hat die IHK Bodensee-Oberschwaben die Federführung Gesamtverteidigung übernommen.
Foto: Fachreferenten in der IHK-Vollversammlung waren Landrat Norbert Heuser (rechts) und Logistik-Fachmann Roland Rüdiger, hier mit IHK-Präsidentin Kirsten Hirschmann und Hauptgeschäftsführerin Elke Döring.
Foto: A.Lukesch/IHK Heilbronn-Franken