1. Erhebliches Potenzial, aber auch Bremsklötze
Der Hype um KI-Tools wie ChatGPT, DALL·E oder aktuell das chinesische DeepSeek zeigen die Relevanz dieser Systeme. KI-tools polarisieren: Ein Teil der Arbeitnehmer erhofft sich durch den Einsatz von KI mehr Zeitersparnis und somit eine gesteigerte Lebensqualität. Andere befürchten, dass die Automatisierung ihrer Tätigkeiten ihre berufliche Sicherheit potenziell gefährden könnte.
KI hat das Potenzial, Produktivität und Effizienz erheblich zu steigern, wobei Unternehmen weltweit vor komplexen Anforderungen im Umgang mit den zugrunde liegenden Risiken und Hindernissen stehen. In Deutschland variiert der Stand der KI-Implementierung signifikant zwischen Branchen und Unternehmensgrößen. Ein signifikanter Anteil deutscher Unternehmen befindet sich aktuell noch in der Planungs- oder Anfangsphase. Derweil zeigen globale Vergleiche, dass die Nutzung und Weiterentwicklung von KI in vielen internationalen Märkten zunehmend etabliert sind.
Eine Analyse aktueller Studien zum Stand der KI-Implementierung ist daher von hoher Relevanz. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Schnauffer, Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung der Hochschule Heilbronn hat sich der Konsolidierung bestehender Erkenntnisse angenommen. Ergänzend wurden die Potenziale und Herausforderungen von KI und einen Vergleich zum internationalen Status Quo in die Studie aufgenommen. Es wurden 160 Studien gesichtet und nur solche in die Auswertung einbezogen, deren Erscheinungsdatum nicht älter als 2022 sind und auf empirische Daten basieren.
2. Implementierungsstand
Der Status Quo ist heterogen: Nach der Auswertung von 15 Studien mit insgesamt 10.914 Befragten in Unternehmen haben etwa 33 % der Unternehmen KI bereits eingeführt, während 40 % eine Implementierung planen. Allerdings verwenden 27 % der Unternehmen bislang keine KI. Ein signifikanter Anteil der deutschen Unternehmen befindet sich nach wie vor in der Planungs- und Entscheidungsphase. In dieser Übergangsphase sollte der Fokus auf der Unterstützung und Förderung dieser Unternehmen liegen, um das breite Potenzial von KI vollumfänglich zu erschließen.
3. Einsatzbereiche
Der Kundenservice (50 %), das Marketing (49 %) und den Vertrieb (38 %) sind nach der Konsolidierung von 6 Studien die drei führenden Einsatzbereiche für KI. In den kunden- bzw. marktnahen Einsatzfeldern werden KI-basierte Lösungen offensichtlich intensiver verwendet. Der Grund könnte eine durch gesteigerte Effizienz realisierbare, automatisierte Personalisierung sein. Auch in anderen Bereichen wie Forschung und Entwicklung (30 %), Produktion (28 %) und IT (26 %) kommt KI zum Einsatz, wenngleich in geringerem Umfang. Die heterogene Verwendung von KI nach Unternehmensbereichen stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Die Ergebnisse unterscheiden sich jedoch zwischen den Studien erheblich. Während z.B. die Studie von Ascent die KI-Nutzung in der IT mit 59 % angibt, liegt der Anteil laut Bitkom bei lediglich 2 %.
KI-Implementierung bei Unternehmen in Deutschland
4. Potenziale und Chancen
Die Zusammenfassung der Ergebnisse von acht Studien zeigt, dass die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) nach Meinung der Befragten in deutschen Unternehmen eine Vielzahl an Potenzialen und Chancen bietet. Mit 70 % der Befragten wird der Verkürzung von Bearbeitungszeit das größte Potenzial zu bemessen. Dicht gefolgt von der Förderung von Kreativität (69 %), der Verbesserung der Arbeitsqualität (63 %) und der die Automatisierung von Prozessen (63 %). Im Vergleich geringeres Potential sieht man in der Verringerung der Fehlerquote bei Routineaufgaben (57 %), die Reduzierung von Kosten und Personalaufwand (53 % bzw. 47 %), der Verbesserung der Kundenkommunikation und die Steigerung der Arbeitsproduktivität. KI wird also nicht nur in Bezug auf Effizienzsteigerungen als wichtig angesehen, sondern auch für qualitative Verbesserungen in der Arbeitswelt.
5. Risiken
Die studienübergreifende Analyse der Risiken der KI-Nutzung in deutschen Unternehmen verdeutlicht, dass IT-Sicherheitsrisiken und Datenschutz mit 51 % als größtes Risiko wahrgenommen werden. Es folgen rechtliche Unsicherheiten und Haftungsfragen (45 %) sowie veraltete oder fehlerhafte Informationen (44 %). Vergleichsweise nachrangig sind das Fehlen von Fachwissen (39 %), der potenzielle Missbrauch von KI-Systemen (38 %) ethische Verstöße (15 %) und Reputationsrisiken (32 %). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass technologische und regulatorische Herausforderungen die Akzeptanz und den sicheren Einsatz von KI maßgeblich beeinflussen. Um das Vertrauen in KI-Technologien zu erhöhen und deren Potenziale zu nutzen, ist eine verstärkte Fokussierung auf die Vereinfachung der Datenschutzrichtlinien, IT-Sicherheitslösungen und auf den Kompetenzaufbau unabdingbar.
6. Herausforderungen
Zusammenfassend über viele Studien liegen die größten Herausforderungen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in deutschen Unternehmen in unklaren rechtlichen Folgen (50 %) und fehlendem Wissen (42 %). Datenschutz (40 %) und Probleme mit der Datenverfügbarkeit und -qualität (37 %) sind ebenfalls zentrale Hindernisse. Darüber hinaus erschweren hohe Kosten (29 %) und mangelnde Kompatibilität (25 %) die Integration von KI-Systemen.
Für den erfolgreichen Einsatz von KI müssen technologische, organisatorische und regulatorische Aspekte berücksichtigt werden. Maßnahmen zur Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen und zur Förderung von Fachwissen und Kompetenzen könnten wesentlich zur Überwindung dieser Herausforderungen beitragen.
7. Handlungsempfehlungen
Für die Nutzung des KI-Potential empfehlen sich drei Bereiche:
- Die Förderung von Weiterbildung ist notwendig, um Mitarbeitende auf allen Ebenen für den Umgang mit KI zu befähigen.
- Um das volle Potenzial von KI auszuschöpfen, sollten Unternehmen gezielt in Weiterbildung, datengetriebene Entscheidungsprozesse und innovative Anwendungsbereiche investieren, um Effizienzsteigerungen, Prozessoptimierung und neue Geschäftsmöglichkeiten zu realisieren.
- Die Sicherstellung von Datenschutz und IT-Sicherheit ist essenziell, um Risiken wie etwa den Missbrauch von Daten zu minimieren und Vertrauen in die Technologie aufzubauen. Diese Maßnahmen tragen nicht nur zur Effizienzsteigerung bei, sondern fördern auch die Akzeptanz und eine nachhaltige Nutzung von KI.
8. Internationale Besonderheiten
Die Implementierung von KI weist internationale Unterschiede auf, wobei der Globale Süden eine höhere Nutzung generativer KI über alle Leitungsebenen in den Unternehmen hinweg aufweist als der Globale Norden. In der Region Asien-Pazifik liegt die Implementierungsrate generativer KI mit 42 % über dem Wert von Europa (36%) oder Nordamerika (30%). Führungskräfte weltweit treiben die KI-Transformation voran, wobei die Nutzung generativer KI aktuell insbesondere bei operativ tätigen Mitarbeitern rasant ansteigt (Nachholeffekt). In Deutschland wird KI vor allem im Kundendienst, im Marketing und in der Vertriebskette eingesetzt, während international auch die Bereiche IT, Forschung und Entwicklung eine größere Rolle spielen. Die größten Potenziale von KI werden international in der Produktivitätssteigerung und der Reduzierung von Verwaltungsaufwand gesehen, wodurch mehr Zeit für strategische Tätigkeiten geschaffen wird. In Deutschland werden Datenschutz und IT-Sicherheit als größte Risiken betrachtet, während international vor allem Herausforderungen in der Datenqualität und der technischen Integration gesehen werden. International nehmen Unternehmen weniger regulatorische Hürden als deutsche Firmen wahr, was die Implementierung erleichtert.
9. Fazit
Die Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) birgt in deutschen Unternehmen erhebliches Potenzial. Aktuell wird dies insbesondere in den Bereichen Kundenservice, Marketing und Vertrieb gesehen. Unklare rechtliche Rahmenbedingungen und strenge Regularien bremsen die Realisierung dieser Potentiale. Diese hemmen nicht nur die breite Nutzung von KI, sondern auch die Innovationskraft der Unternehmen. Datenschutz und IT-Sicherheitsrisiken stellen berechtigte Hemmnisse dar, jedoch wird der regulatorische Fokus häufig als übermäßig restriktiv wahrgenommen, was Unternehmen davon abhält, Investitionen in neue Technologien zu erwägen. Trotz wachsender Akzeptanz bleibt der Einsatz von KI stark nach Bereichen differenziert und von Unsicherheiten geprägt. Um eine ausgewogene Balance zwischen dem Schutz der Daten und der Förderung von Innovationen zu gewährleisten, sind pragmatische und innovationsfördernde Regelungen erforderlich. Diese sollten den Einsatz von KI erleichtern und technologischen Freiheiten der Unternehmen steigern.
10. Die Autoren
Die Studie wurde zwischen 10/2024 und 2/2025 von der Projektgruppe Marketing unter der Leitung von Prof. Dr. Rainer Schnauffer erstellt. Die Mitglieder der Gruppe – Dimitrios Giannopoulos, Joel Jakubowski, Nathalie Kliem, Valentino Parys, Rafael Zdunek, Valbona Zekirovski – gehören alle dem Studiengang Betriebswirtschaft und Unternehmensführung – Fakultät Wirtschaft (WI) - der Hochschule Heilbronn an.
Foto oben: Prof. Dr. Rainer Schnauffer | © 2016 Matt Stark, www.mattstark.de