SH: Nationalpark Ostsee

Interessen der gewerblichen Wirtschaft wahren

Kaum ein anderer potenzieller Plan schlug so hohe Wellen: Doch wo steht aktuell die Diskussion rund um den möglichen Nationalpark Ostsee? Und wo stehen die IHKs in diesem Diskurs? Eine Einordnung nach dem Abschlussbericht zum Konsultationsprozess. 
Im Juni 2023 startete der vom Ministerium für Energiewende, Küstenschutz, Umwelt und Naturschutz (MEKUN) initiierte Konsultationsprozess zu einem möglichen NPO. Das Ziel des Prozesses laut MEKUN: „Die Landesregierung möchte den Schutz der Ostsee stärken. Ein Nationalpark könnte hierfür ein wertvolles Instrument sein. In diesem Jahr wird das Umweltministerium mit den Menschen und Interessengruppen entlang der Ostsee sprechen, damit sie ihre Anliegen und Ideen zum Schutz der Ostsee einbringen können.“ 
Die Eisenschmidt Consulting Crew (ECC) begleitete den Konsultationsprozess als Berater und legte Mitte Januar ihren Abschlussbericht vor. Dieser verdeutlicht anschaulich, woran dieser Prozess, leider, scheiterte: Das MEKUN als Initiator und die große Mehrheit der beteiligten Interessengruppen hatten völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie dieser Prozess den im Koalitionsvertrag der Landesregierung verankerten Prüfauftrag zum NPO aufgreifen soll. Das Kernproblem: Die Akteure beantworteten zwei zentrale Fragen komplett unterschiedlich. Wie steht man generell zum Instrument NPO? Wo liegt der Fokus, wenn über Ostseeschutz gesprochen wird? 
Der Prüfauftrag lässt sich vor diesem Hintergrund für beide Lager so interpretieren: 
Die Naturschützer und ihre politischen Verbündeten verstehen den Prüfauftrag als politischen Preis dafür, den NPO im Koalitionsvertrag verankert zu haben. Das „Ob“ haben sie für sich positiv beantwortet – sonst hätte dieser kaum den Weg in ein Wahlprogramm und den Koalitionsvertrag gefunden. Sie denken bei Ostseeschutz in erster Linie an Naturschutz, und wenn es um Gestaltungsmöglichkeiten im Naturschutz, konkret Gebietsschutz, geht, ist ein Nationalpark der Königsweg. Vor diesem Hintergrund ist es schlüssig, den Prozess so aufzubauen, dass ein entspannter Austausch zu Möglichkeiten eines NPO angestrebt wird – unbelastet von Fakten und damit verbundenen sachlogischen Zwängen und ohne jede Konkretisierung und Verbindlichkeit. 
Landwirte, Fischer, Touristiker, Wassersportler, die regionale Wirtschaft und Kommunen sind Interessengruppen, deren originärer Zweck nicht der Naturschutz ist. Sehr wohl sind sie aber Betroffene und Beteiligte. Als Nutzungskonkurrenten bedeutet mehr Natur- und Gebietsschutz für die in aller Regel weniger Freiheitsgrade für die Ausübung der eigenen Profession. Sie stehen der Ankündigung von mehr Naturschutz zunächst skeptisch gegenüber. Es gibt daher die berechtigte Erwartung, dass seitens des MEKUN dargelegt wird, welche Ziele verfolgt werden, wie und welche alternativen Maßnahmen zum Zuge kommen sollen. Ohne Antwort auf diese Fragen fehlt jede Grundlage, um die eigene Betroffenheit und mögliche Konsequenzen erkennen und abschätzen können. Solange dies so ist, bleibt man skeptisch – dies insbesondere gegenüber der Maximalforderung NPO. Diese Erwartungen wurden bereits im Juni 2023 im ersten Fachworkshop deutlich formuliert. Sie wurden durch das MEKUN bedauerlicherweise bis zum Schluss der Workshop-Serie ignoriert. Die Begründung: Es handele sich um einen ergebnisoffenen Prozess und es gäbe keine Pläne. 
Eine Aussage, die als unglaubwürdig einzustufen ist – konnte das Thema in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt werden, müssten auch begründete Argumente hierfür vorliegen, so die Einschätzung der IHK. 
So verstärkte sich das Gefühl bei den NPO-kritischen Interessengruppen, dass seitens des MEKUN kein wirkliches Interesse an der Diskussion des „Ob“ bestand, sondern es darum ging, Argumente und Vorschläge der Kritiker einzusammeln, die dazu dienen können, einen NPO für diese konsumerabler zu machen. Die Folge: die im Abschlussbericht zutreffend dokumentierte Ablehnung eines NPO in nahezu allen Fachworkshops und konsequenterweise auch im Verzahnungsworkshop. Das von ECC wahrgenommene Vertrauensdefizit im Prozess ist zutreffend erkannt. So, wie der Konsultationsprozess verlaufen ist, hat er der Idee einer gemeinsamen Anstrengung für den Ostseeschutz einen Bärendienst erwiesen. 

Offen bleibt die Frage: Was nun? 

Offensichtlich braucht es eine politische Entscheidung dazu, was die Landesregierung unter dem Stichwort Ostseeschutz plant und wie dieser Plan angesichts der Bedeutung der Ostsee unter anderem als Verkehrsweg und facettenreicher Wirtschaftsstandort realisiert werden soll. Geht es beim Naturschutz um konkrete Maßnahmen für die Ostsee, die doch dann zu benennen sein müssten – idealerweise aus den Managementplänen verschiedenster Abkommen heraus, die sehr oft konkrete naturschutzfachliche Relevanz haben – oder muss es der Strahlkraft wegen doch vor allem der NPO sein? Zählen dazu auch verstärktes Engagement zur Eindämmung der Eutrophierung und zur Bergung der Munitionsaltlasten als Ostseeschutz? In Notfällen, wie es die Ostsee einer ist, sollten die vorhandenen, immer zu knappen Mittel dort eingesetzt werden, wo sie möglichst schnell möglichst viel hilfreiche Wirkung erzielen. Der Aufbau eines neuen Verwaltungsapparats leistet das nicht. 
Wenn diese Entscheidung getroffen ist, wird es darum gehen, diese in konkrete Politik umzusetzen. Der Anspruch an Verwaltungshandeln, das Ausmaß der Beeinträchtigung dritter Beteiligter so gering wie möglich zu halten, gilt auch im Naturschutz. Die besten Lösungen lassen sich in aller Regel gemeinsam finden und umsetzen, wenn alle Seiten einbezogen sind. Sobald der politische Rahmen gesetzt und eine inhaltliche Grundlage gegeben ist, kann ein Beteiligungsverfahren wie der Konsultationsprozess durchaus erfolgreich sein. Dann, aber eben nur dann, gäbe es für alle Beteiligten eine Gesprächsgrundlage.
Die beteiligten Interessengruppen haben ihre Bereitschaft zur Mitwirkung immer wieder betont – sobald zu erkennen ist, was Gegenstand der Beratungen sein soll. Diese Zusage gilt unverändert, auch seitens der IHK Schleswig-Holstein. Deren Aufgabe und Augenmerk sind aber nicht die Optimierung des Naturschutzes, sondern die Wahrung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft. Diese sehen wir jedoch in einem Setting, das keinen NPO vorsieht.