Brandenburgs Beste

Zwischen Tradition und Zukunft

Wichtigste Säule der Brandenburger Wirtschaft sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Einige von diesen Firmen überzeugen durch Innovationen und Spezialisierungen. Sie bedienen Nischen, sind inhabergeführt und arbeiten nicht börsennotiert – die so genannten Hidden Champions. In unserer Serie stellen wir Brandenburger Unternehmen vor, auf die das zutrifft. Heute: Falken GmbH.
„Brandenburg will dich!“ ist das Motto beim Ausbildungspreis der Landesregierung. 2022 ging einer der begehrten Preise an die Falken GmbH in Peitz. Sie ist ein traditionsreicher Hersteller von Büroartikeln und vor allem für Ordner bekannt. Personalreferentin und Ausbildungsleiterin Elisabeth Schenk berichtet. „Wir haben schon immer ausgebildet, aber seit 2018 ganz gezielt daran gearbeitet, das zu professionalisieren. Für den Preis war mitentscheidend, dass wir viele verschiedene Ausbildungsberufe anbieten, unterschiedliche Leistungsniveaus ansprechen und Förderungen anbieten, um möglichst alle zum erfolgreichen Abschluss zu führen.”
Es ist unser Ziel, alle Auszubildenden im Anschluss an die Berufsausbildung als Mitarbeitende im Betrieb zu übernehmen. Einige von ihnen sind inzwischen in Leitungsfunktionen tätig.

Elisabeth Schenk, Ausbildungsleiterin

Zu den Angeboten gehört zum Beispiel eine eigene Lehrwerkstatt, in der die technischen Auszubildenden Grundlagen in der Metallverarbeitung – wie Feilen, Bohren, Schleifen – üben. Auch Mechanik- und Elektrobausätze sowie Spiele stehen zur Verfügung. Die Werkstatt wurde im Jahr 2020 eingerichtet. Bernd Nickusch kümmert sich als einer der Ausbildungsbeauftragten um die Azubis in technischen Berufen. Er sagt: „Die Werkstatt ergänzt die duale Ausbildung. Wir schauen uns die betriebliche Arbeit und die Unterrichtsergebnisse vom Oberstufenzentrum an. Wenn nötig vereinbaren wir eine individuelle Förderung. Das kann Nachhilfeunterricht sein, aber auch die Stärkung sozialer Kompetenzen.“
Die Falken GmbH hatte sich als eines von 66 Unternehmen um den Brandenburgischen Ausbildungspreis beworben. Zehn von ihnen wurden durch Ministerpräsident Dietmar Woidke und Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach ausgezeichnet. Jens Warnken, Präsident der IHK Südbrandenburg, sagte bei der Übergabe: „Die Falken GmbH in Peitz ist ein wichtiger Arbeitgeber in der Region und ein verlässlicher Ausbildungspartner. Besonders hervorzuheben ist das Engagement für die Azubis während der Lockdowns mit digitalen Lösungen. Aber auch vielschichtige Lernangebote, Möglichkeiten zur Berufsorientierung und Unterstützung bei der Ausbildungsvorbereitung für jugendliche Geflüchtete oder Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund zeichnen das Unternehmen aus.“

Ausbildung und duales Studium

18 junge Frauen und Männer lernen zurzeit in der Falken GmbH. Das Angebot reicht vom Maschinen- und Anlagenführer mit zwei Jahren Ausbildungsdauer bis hin zum dualen Studiengang mit Bachelor-Abschluss als Betriebswirt. Die Abschlüsse als Industriemechaniker und Elektroniker – mit dreieinhalb Jahren Ausbildung – sprechen technikaffine junge Leute an. Die Produktionsstraßen für die automatisierte Herstellung der Briefordner verknüpfen die unterschiedlichsten Arbeitsschritte zu einem Ganzen. Es darf nirgends klemmen bei der Produktion auf Maschinen, die schon viele Jahre auf dem Buckel haben. Marketingleiter Robert Grande sagt: „Damit es läuft, haben wir erfahrene Techniker und Technikerinnen im Unternehmen, die fast jedes Problem selbst lösen können.“
Einer von ihnen möchte Timo Eichhorn werden, der im zweiten Ausbildungsjahr Industriemechaniker lernt. Von den Möglichkeiten bei Falken erfuhr er von seinem Onkel, der auch in der Firma arbeitet. Maschinen instand setzen ist für Timo Eichhorn faszinierend. In seiner Freizeit schraubt er an Mopeds und an seinem Auto, einem Oldtimer. Mit seiner Berufsentscheidung für Falken ist er glücklich. „Die Kollegen und Kolleginnen sind immer freundlich, und wenn ich eine Frage habe, stehen alle Türen offen.“ Diese Einschätzung bestätigt auch Celine Schaarschuh. Sie ist im ersten Ausbildungsjahr und möchte Maschinen- und Anlagenfahrerin werden. Celine Schaarschuh kommt aus Cottbus. Sie hat die Falken GmbH im Schülerpraktikum in der zehnten Klasse kennengelernt.

Wachsen an sinnvollen Aufgaben

Elisabeth Schenk hat selbst als Auszubildende zur Industriekauffrau 2003 im Unternehmen angefangen. Sie studierte später Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Chemnitz und schrieb ihre Bachelorarbeit über das Peitzer Unternehmen. Als Personalreferentin ist sie seit 2012 auch für die Aus- und Weiterbildung verantwortlich. Sie sagt: „Entscheidend war das Umdenken bei den Mitarbeitenden. In unserem über 55 Jahre alten Unternehmen sind viele Beschäftigte schon lange dabei. Jeder von ihnen weiß heute, dass es ohne Nachwuchskräfte kein kontinuierliches Fortbestehen gäbe. Sie begrüßen die aktive Ausbildung. Die Auszubildenden werden gern gesehen und bilden einen Mehrwert fürs Unternehmen. Wir geben ihnen sinnvolle Aufgaben, an denen sie wachsen können. Und wer bei uns einmal Fuß gefasst hat, kann sich auch gut entwickeln.“

Ordnertradition seit 1967

Die Firma Falken in Peitz ist ein ostdeutsches Traditionsunternehmen. Sie wurde 1967 als VEB gegründet. Falken hat seine Ordner von Beginn an primär ins westeuropäische Ausland vertrieben. Das gelang mit zunehmendem Erfolg. Der Betrieb stellte anfangs 400 000 Ordner im Jahr her und steigerte sich bis auf 13 Millionen Stück im Jahr 1991. Produziert wurde auf modernen westdeutschen Anlagen. So war es auch kein Wunder, dass Falken einen reibungslosen Übergang in die Marktwirtschaft hinlegte. Die Treuhand verkaufte die Firma an den Papierwaren-Großhändler Günter Becker, der zuvor Kunde bei Falken gewesen war. Mit der Produktion ging es aufwärts. Es erfolgten weitere zwei Eigentümerwechsel, so gehörte Falken von 2000 bis 2012 zu Herlitz. Seit 2019 ist die Falken GmbH Teil der französischen Exacomp-Clairefontaine-Gruppe, eines der größten Hersteller für Büro- und Schulbedarf in Europa. Die Ordner waren und bleiben jedoch das Kerngeschäft der Falken GmbH, die Jahresproduktion liegt heute im mittleren bis oberen zweistelligen Millionenbereich. Ordner machen 85 Prozent des Umsatzes aus. Weitere Produkte sind Schnellhefter, Ringbücher, Trennblätter sowie Hängeregistraturen.

Wachstum auf umkämpftem Markt

Der Zuwachs bei den Ordnern ist umso bemerkenswerter, da der Markt für traditionelle Büroprodukte rückläufig ist. Versicherungen, Banken und Konzerne arbeiten am papierlosen Büro und haben ihre Abnahmemengen bereits zurückgefahren. Auch der Trend zum Homeoffice und die steigenden Papier- und Energiepreise sind eine Belastung für das Peitzer Unternehmen, zum Glück gab es bisher keine Produktionsausfälle wegen Rohstoffmangels. Falken hat sich auf den Wandel im Markt weitestgehend eingestellt und kann insbesondere im Online-Kanal seinen Marktanteil Jahr für Jahr kontinuierlich ausbauen.
Das Wachstum in der Ordnerfertigung führt Robert Grande darauf zurück, dass Falken das bewährte Erzeugnis immer wieder modifiziert. Zum Beispiel als bunten Kita-Ordner, in dem jedes Kind seine Kunstwerke sammeln kann, mit einer Rückentasche für ein Foto des Kindes. Es ist ein neues Produkt, das eine neue Zielgruppe anspricht. Oder ein Ordner in Regenbogenfarben, entwickelt als Statement für Toleranz.

Erfahrener Geschäftsführer

Knut Kutscher ist einer von vier Geschäftsführern der Falken GmbH. Er hat über 40 Jahre Berufserfahrung. 1982 fing er als Maschinenfahrer beim damaligen VEB an. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und war ab 2001 Produktionsleiter bei Herlitz in Falkensee (Havelland) sowie gleichzeitig Geschäftsführer von Herlitz in Poznań. In dieser Zeit teilte er seine Arbeitswoche zwischen beiden Standorten auf, wohnte aber weiterhin mit der Familie in Cottbus. 2020 kehrte er nach Peitz zu Falken zurück. Für die Kleinstadt ist Falken mit den rund 260 Beschäftigten der strukturbestimmende Betrieb, auch wenn viele Menschen bei dem Ort Peitz vielleicht als Erstes an die Karpfenzucht denken. Knut Kutscher sagt: „Die Karpfenteiche sind auch älter als wir, Fischzucht wurde in Peitz schon Ende des 16. Jahrhunderts betrieben.“

Deutsch-polnisches Team

Gebräuchliche Redewendungen, die Knut Kutscher in Poznań erlernt hat, kann er heute in Peitz anwenden. Ein Teil der Mitarbeitenden im Unternehmen stammt aus Polen, darunter auch einige Beschäftigte, die zuvor in einem ehemaligen Werk der Unternehmensgruppe gearbeitet hatten. Wegweiser und Aushänge im Werk sind zweisprachig. Manchmal wundern sich Werksbesucher darüber und denken, dass es sich um die sorbische Übersetzung handelte.

Nachhaltigkeit

Falken hat sich im mittleren bis höheren Preissegment positioniert und grenzt sich durch Qualität und das Statement „Made in Germany“ von den Produkten aus Asien ab. Zur Qualitätssicherung gehört die Eigenkontrolle, für die die Mitarbeitenden im Halbstundentakt Ordner aus der Automatenfertigung entnehmen und nach einem standardisierten Verfahren begutachten. Damit kann Falken seinen Kunden eine Zehn-Jahres-Garantie auf das mechanische Innenleben der Ordner zusichern. Auch die Langlebigkeit gehört zur Nachhaltigkeitsstrategie, die in der gesamten Unternehmensgruppe verfolgt wird. Ein großes Thema dabei ist ein schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen. Alle Ordner sind FSC-zertifiziert und viele Erzeugnisse sind auch mit dem Blauen Engel ausgezeichnet, dieser steht für die Verwendung von recycelten Materialien und die Einhaltung von hohen Standards zum Schutz der Umwelt und Gesundheit. Solche Eigenschaften sind zunehmend gefragt, wenn sich Kunden Ordner für den privaten Gebrauch in die Wohnung stellen. Einige Büroartikel sind auch vegan, das heißt, tierischer Knochenleim wurde durch einen Kaltleim ersetzt. Diese Artikel werden gern von Kunden gekauft, denen das Tierwohl am Herzen liegt, ein Trend, der gesellschaftlich immer bedeutsamer wird. So viel Nachhaltigkeit in der Produktion wie möglich bedeutet auch, weniger Schrumpffolie bei der Verpackung einzusetzen, Kassenzettel- Rollen ohne Plastikkern zu verwenden und Ablagekörbe aus recyceltem Kunststoff herzustellen. Diese Themen werden nicht nur bei Falken, sondern in der gesamten Unternehmensgruppe Exacompta-Clairefontaine verfolgt.
Eine erfolgreiche Neuheit sind die Ordner aus „Kraftkarton“. Das ist ein kräftiger Karton, der unbeklebt verkauft wird und auch auf die Beschläge aus Metall verzichtet. Die grauen oder hellbraunen Ordner, die es in ähnlicher Form früher auch schon mal gab, liegen unter der Bezeichnung „Pure Nature“ und „Pure Raw“ gerade im Trend.

„Hidden Hero“-Ösenhefter

Die Unternehmensgruppe setzt auf das Marktpotenzial neuer Entwicklungen. „25 Prozent aller Produkte bei Exacompta sind nicht älter als vier Jahre“, berichtet er. Und das, obwohl Papier immer Papier und der Ordner immer ein Ordner bleibt. Manchmal reicht es auch aus, ein bekanntes Produkt andersartig zu präsentieren. Ein solches ist der Ösenhefter, den Grande einen „Hidden Hero“ nennt. Der Ösenhefter ist ein Schnellhefter im Ordner, wie es ihn auch schon vor 60 Jahren gab.
Mit ihm können Schriftstücke thematisch zusammengefasst, weitergegeben oder an wechselnder Stelle abgelegt werden. Aber der Ösenhefter ist aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Jetzt bekommt er im Onlinekanal eine zweite Chance dadurch, dass den Kunden die Funktion durch Anwendungsbilder und Videos wieder erklärt wird. Mit neuen  Vertriebskanälen, langlebigen Produkten, nachhaltigem Rohstoffeinsatz und durch Nutzung von Marktnischen stellt sich Falken den aktuellen Marktentwicklungen. Beweglichkeit eröffnet Chancen, und die Ausbildungs-offensive zeigt, dass die Falken diese nutzen wollen.
FORUM/Bolko Bouché

Kontakt

Jens Jankowsky
Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik