Cybercrime ist ein zentrales Geschäftsrisiko

Cyberangriffe auf Unternehmen haben in den letzten Jahren rasant zugenommen – in Häufigkeit, Ausmaß und Professionalität. Was früher ein Einzeltäter im stillen Kämmerlein war, ist heute ein florierendes kriminelles Ökosystem, das global vernetzt operiert.
Standpunkt. Das ist die FORUM-Serie, in der Menschen zu Wort kommen, die auf dem wirtschaftspolitischen Parkett unterwegs sind und damit die regionalen Unternehmen unterstützen. Ob in Verbänden oder Vereinen, im Ehrenamt oder hauptamtlich, in Verwaltungen oder Interessenvertretungen – im Mittelpunkt steht die Wirtschaft in der Hauptstadtregion, in Brandenburg und Berlin. Heute kommt zu Wort: Prof. Dr. Andriy Panchenko, Leiter des Lehrstuhls für IT-Sicherheit an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Mitglied im Ausschuss „IT und Innovation“ der IHK Cottbus.
Selbst „Angriffe als Service“ werden inzwischen angeboten: Sicherheitslücken werden automatisiert aufgespürt, analysiert und über Schwarzmärkte an Interessenten verkauft. KI ermöglicht es, Social-Engineering-Angriffe auf einem völlig neuen Niveau durchzuführen – automatisierter, gezielter und täuschend echt.
Der Mensch bleibt dabei einer der größten Risikofaktoren in der Sicherheitskette. Die geopolitische Instabilität – insbesondere durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – hat die internationale Bedrohungslage zusätzlich verschärft. Kritische Infrastrukturen, Forschungseinrichtungen, mittelständische Betriebe – sie alle sind ins Visier gut organisierter Angreifergruppen geraten, zunehmend auch staatlich finanziert und für klassische Strafverfolgungsbehörden kaum greifbar.
Auch Unternehmen in Berlin-Brandenburg sind betroffen – vom Energieversorger über die Abfallwirtschaft bis hin zu kleinen Dienstleistern. Die Region ist wirtschaftlich vielfältig, innovationsgetrieben – aber in Teilen besonders verwundbar.
Gerade im ländlich geprägten Brandenburg fehlt es vielen Betrieben nach wie vor an ausreichendem Schutz. Die Risiken werden unterschätzt, technische und personelle Ressourcen sind oft nicht vorhanden. Cybercrime ist längst kein Randthema der IT mehr – es ist ein zentrales Geschäftsrisiko. Es geht nicht mehr um die Frage, ob ein Unternehmen Ziel eines Angriffs wird, sondern wann. Und: Wer es auf Berlin abgesehen hat, nimmt Brandenburg zwangsläufig mit ins Visier.
Dabei gibt es auch positive Entwicklungen: Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, sich aktiv mit IT-Sicherheit auseinanderzusetzen. Vor allem in größeren Betrieben ist ein wachsendes Sicherheitsbewusstsein spürbar. Förderinitiativen wie „Mittelstand-Digital“ und Veranstaltungen wie der IT-Sicherheitstag Berlin Brandenburg leisten wichtige Aufklärungsarbeit, fördern den Austausch und helfen, praxisnahe Lösungen auf den Weg zu bringen.
Doch es klemmt immer noch gewaltig – insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die Komplexität moderner Bedrohungsszenarien überfordert viele Betriebe. Die Beratungslandschaft ist unübersichtlich, qualifiziertes Personal kaum zu gewinnen, und Investitionen in IT-Sicherheit konkurrieren oft mit kurzfristigen wirtschaftlichen Zwängen. Es fehlt an einem einheitlichen, praxistauglichen Orientierungsrahmen. Sicherheitsstandards allein genügen nicht – entscheidend ist ihre Umsetzung. Genau hier sind viele Unternehmen auf sich gestellt.
Die Politik ist gefordert: Neben Förderprogrammen braucht es klare Mindeststandards für IT-Sicherheit in allen Branchen – kombiniert mit praxisnahen Schulungsangeboten und Anreizen zur Umsetzung. Auch öffentliche Verwaltungen müssen mit gutem Beispiel vorangehen, denn sie sind nicht selten selbst Angriffsziel.
Ebenso wichtig ist die gezielte Förderung von Forschung und Ausbildung. Nur wenn Industrie und Wissenschaft gemeinsam neue Lösungen entwickeln, lassen sich Innovation und Sicherheit vereinen. Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus–Senftenberg (BTU) leistet hierzu einen aktiven Beitrag: In Forschung und Lehre setzen wir uns seit Jahren mit den drängendsten Fragen der Cybersicherheit auseinander.
Wir forschen u.a. an Verfahren zur Anomalie-Erkennung zum Schutz kritischer nfrastrukturen wie Energienetzen sowie am Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur frühzeitigen Angriffserkennung. Mit unserem englischsprachigen Masterstudiengang „Cyber Security” und dem klassischen Informatikstudium bilden wir Fachkräfte aus, die den steigenden Anforderungen in Wirtschaft, Verwaltung und Forschung gewachsen sind. Durch das obligatorische Praktikum während des Studiums fördern wir die frühe Bindung der Studierenden an die Unternehmen in der Region. Unser Anspruch ist, Wissenschaft voranzubringen und anwendungsnah zu denken.
Dabei kooperieren wir mit Unternehmen der Region, unterstützen beim Wissenstransfer und tragen aktiv bei, IT-Sicherheit zum Fundament einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung zu machen. Was es jetzt braucht, ist eine starke Allianz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Cybersicherheit darf kein „Nice-to-have“ mehr sein; sie muss Grundvoraussetzung unternehmerischen Handelns und gesellschaftlicher Stabilität werden.
Wer als Region glaubhaft Cybersicherheit lebt, wird zum Magnet für zukunftsorientierte Investitionen und Talente. Berlin-Brandenburg hat die Chance, Vorreiterregion für digitale Resilienz zu werden. Nutzen wir sie – mit Entschlossenheit, Kooperation und Weitblick.
FORUM/Andriy Panchenko
Zur Person: Prof. Dr. Andriy Panchenko hat an der RWTH Aachen studiert und promoviert. Für seine Dissertation wurde er mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Er war an der Uni Luxemburg und anschließend Gruppenleiter am Interdisciplinary Center for Security, Reliability and Trust (SnT) in Luxemburg. Seit 2018 leitet er den Lehrstuhl für IT-Sicherheit an der BTU Cottbus-Senftenberg. Er ist u.a. Studiengangsleiter und Vorsitzender des Prüfungsausschusses, Mitglied im Ausschuss „IT und Innovation“ der IHK Cottbus, Beiratsmitglied des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung.
Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik