Hongkong: Lebhafter Außenhandel sorgt für Konjunkturbelebung

Hongkong verfolgt eisern eine Null-Covid-Politik. Seit dem Frühjahr 2021 gab es daher praktisch keine lokalen Ansteckungen. Importierte Infektionsfälle wurden durch äußerst strenge Quarantänemaßnahmen erfolgreich isoliert. Während im Herbst 2021 Länder wie Singapur, Vietnam oder Deutschland mit neuen Coronawellen kämpfen, ist die Sonderverwaltungsregion (SVR) vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.
Dies hat auch positive wirtschaftliche Auswirkungen. Vor Ort herrscht, abgesehen vom allgegenwärtigen Maskentragen, weitgehend Normalität. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2021 real um gut 6 Prozent zulegen und damit das Vorkrisenniveau erreichen. Die Erwerbslosigkeit, die Anfang 2021 einschließlich der Unterbeschäftigung noch bei 11 Prozent lag, sank von August bis Oktober 2021 auf 6,5 Prozent.
Das wirtschaftliche Wachstum erfolgt, ohne die Staatsverschuldung in die Höhe zu treiben. Einerseits sitzt Hongkong auf hohen fiskalischen Reserven. Andererseits waren die Konjunktur- und Hilfsprogramme im Rahmen der Coronapandemie nicht besonders kostenintensiv. Dafür sind zahlreiche Unternehmen in den Konkurs gegangen. Bestimmte Sparten konnten nämlich nur bedingt oder gar nicht von der konjunkturellen Wiederbelebung profitieren.
Dem Einzelhandel fehlen kaufkräftige Einkaufstouristen vom chinesischen Festland. Das Messe- und Veranstaltungswesen sowie der Passagierverkehr liegen immer noch komplett am Boden. Rasche Aussicht auf Besserung gibt es nicht. Zwar streben Hongkong und das chinesische Festland eine Öffnung der Grenzen an. Doch bislang haben sich alle angekündigten Liberalisierungsschritte nicht materialisieren können.
Die Wirtschaftserholung täuscht zudem über die Tatsache hinweg, dass die Regierung über keine richtige Exitstrategie für die Coronakrise verfügt. Niemand weiß, wann und unter welchen Bedingungen Einreisen aus Europa, Asien oder Nordamerika wieder möglich sein werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es 2022 keinen quarantänefreien Reiseverkehr geben. Auch für das Jahr 2023 schwindet die Hoffnung auf vollständige Grenzöffnung. Hongkong dürfte sich weiter abschotten, während sich der Rest der Welt öffnet. Das wird die wirtschaftliche Erholung 2022/23 nachhaltig trüben.
Metropole verliert an Anziehungskraft
Expatriates verlassen zunehmend die Stadt. Zudem schauen sich immer mehr Hongkonger nach einer neuen Heimat um. Vor allem jüngere und gut ausgebildete Fachkräfte wechseln an andere Standorte. Dieser Effekt macht sich inzwischen deutlich in den offiziellen Statistiken bemerkbar. Die Bevölkerung unter 60 Jahren nahm von 2019 bis 2021 um eine Viertelmillion Menschen ab. Von diesem Braindrain wird sich die Metropole nicht so schnell erholen.
Die meisten internationalen Firmen bleiben bislang in der Metropole, doch auch sie verlieren langsam die Geduld. Fedex hat seine Niederlassung in Hongkong bereits geschlossen. Auch mehrere kanadische Unternehmen wollen sich aus der Stadt zurückziehen. Deutsche Firmen scheinen aber vorerst in der SVR bleiben zu wollen. Immer mehr Expatriates verlassen die Stadt, die meisten internationalen Firmen bleiben aber in der Metropole.
Im staatlichen Wohnungsbau leitet Hongkong eine drastische Trendwende ein. Zwei neue Städte befinden sich in Planung. Zugleich engagiert sich die Regierung verstärkt in den Bereichen Umweltschutz und Entsorgung. Umfangreiche Investitionen sind beim Recycling, der Müllverbrennung und Meerwasserentsalzung  vorgesehen. Außerdem sollen der öffentliche Gesundheitssektor modernisiert und die Kapazitäten stark erweitert werden.
Einzelhandel kommt nicht richtig auf die Beine
Rund ein Drittel des Einzelhandelsumsatzes geht traditionell auf Touristen vom chinesischen Festland zurück. Diese Kundengruppe fehlt seit fast zwei Jahren. Daher konnte sich das Geschäft bislang nicht nachhaltig erholen. Insbesondere Luxusanbieter von klassischen Souvenirs wie Kosmetik, Leder- und Schreibwaren, Bekleidung oder Schmuck und Uhren sind weit vom Vorkrisenniveau entfernt.
Immerhin haben die von der Regierung 2021 verteilten Einkaufsgutscheine und das sogenannte „Revenge Spending“ für ein wenig Besserung gesorgt. Der Begriff beschreibt das Phänomen von massivem Konsumverhalten nach einer Krise. Tatsächlich gaben die Menschen etwas mehr Geld vor Ort aus, da sie nicht verreisen konnten. Der Pkw-Absatz entwickelte sich im Vergleich zu anderen Branchen äußerst lebhaft, stieß aber im Spätsommer 2021 angesichts globaler Lieferengpässe an seine Grenzen.
Außenhandel: Vorkrisenniveau deutlich überschritten
Der rege Außenhandel hat der Wirtschaft der SVR quasi im Alleingang auf die Beine geholfen. Das Geschäft boomt, bisher zeichnet sich kein Ende des Aufschwungs ab. Die Ex- und Importgesellschaften der Metropole haben alle Hände voll zu tun, um die globalen Lieferengpässe zu beheben. In den ersten zehn Monaten 2021 stiegen die Wareneinfuhren und -ausfuhren jeweils um mehr als ein Viertel gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Hongkongs Stellung als Handelsdrehscheibe ist nicht gefährdet.
Das Geschäft wird durch den weiter schwelenden Handelsstreit zwischen China und den USA nicht einfacher. Schon seit geraumer Zeit verlagern Investoren daher Fertigungsschritte aus der Volksrepublik nach Südostasien. Der von Handelsunternehmen der SVR begleitete Prozess hatte sich 2020/21 abgeschwächt, dürfte aber wieder an Fahrt aufnehmen. Produzenten und Nachfrager wollen ihre Lieferketten robuster gestalten und das Länderrisiko diversifizieren. Hongkongs Stellung als zentrale Handelsdrehscheibe dürfte von dieser Entwicklung profitieren. (29.11.2021)
Quelle: GTAI