Titelgeschichte IHKplus 04/2022

Wenn Energie zu viel kostet

Erdgas, Öl, Kohle – die Preise kennen aktuell nur eine Richtung. Schon vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sahen bereits 70 Prozent der Unternehmen neben dem Fachkräftemangel die hohen Energie- und Rohstoffpreise als ihr größtes Geschäftsrisiko. Wie die Unternehmen aus der Region unter der Explosion der Energiekosten leiden und wie sie gegensteuern.
Text: Eli Hamacher
Ihre Fahrzeuge schickt die internationale Möbelspedition Niesen zwar weder nach Russland noch in die Ukraine. „Der Krieg“, da ist sich Markus Kalcker aber sicher, „wird die Energiekosten noch weiter nach oben treiben. Das Ende der Preisspirale ist noch nicht erreicht. Und das trifft auch uns.“ Mit 70 Fahrzeugen, darunter Pkw für den Vertrieb und Lkw, vom Sprinter bis zum 40-Tonner, transportiert die Peter Niesen GmbH & Co. Internationale Möbelspedition KG für Private und Gewerbekunden Möbel, Produktionsanlagen und sogar Kunst.
Zu den großen Kostenblöcken zählt der Diesel für die Flotte. Und dessen Preis ist zuletzt massiv gestiegen. „Wir versuchen gegenzusteuern, indem wir über Telematiktechnik in den Fahrzeugen die Auslastung optimieren. Bei mehrtägigen Transporten kehren die Lkw, falls möglich, abends nicht wie früher auf unseren Betriebshof zurück, sondern verbleiben vor Ort“, erklärt Prokurist Kalcker, der auch in der Geschäftsleitung sitzt.

Kompensation mit grüner Energie

Schon seit Jahren sind auch grüne Energien ein Top-Thema bei dem Leverkusener Mittelständler mit seinen aktuell 130 Mitarbeitenden. Auf den Dächern von Büros und Hallen installierte Niesen eine 10.000 Quadratmeter große Solaranlage, deren Energie ins öffentliche Netz eingespeist wird. Sobald der Einspeisevertrag ausläuft, will Niesen die Kraft der Sonne für den eigenen Strom nutzen. Jüngst bestellte das umweltzertifizierte Unternehmen E-Sprinter, richtete auf dem Hof vier E-Tankstellen ein, direkt neben der großen Dieseltankstelle mit ihrem 30.000-Liter-Tank. „Mit dem Tank verringern wir die Abhängigkeit vom Tagespreis an der öffentlichen Zapfsäule, da wir dank der großen Mengen günstiger einkaufen können“, sagt der 49-Jährige. Und die 50.000 Quadratmeter großen Hallen beleuchten LED-Strahler.
Für uns sind alle Maßnahmen eine Win-Win-Situation. Wir sparen Ressourcen und behalten die Kosten im Griff.

Markus Kalcker; Prokurist und Geschäftsleiter bei der Peter Niesen GmbH & Co

Mit seinen Preis-Sorgen steht Kalcker nicht allein. Mit dem Rheinischen Revier und den vielen Industrieunternehmen in energieintensiven Branchen steht gerade für die Region viel auf dem Spiel. Aus Russland kommen neben Kohle (50 Prozent der deutschen Importe), Rohöl (35 Prozent) und Erdgas (55 Prozent). Weitere Hauptlieferanten für Erdgas sind Norwegen und die Niederlande.
Die Versorgungssicherheit im Rheinland sieht Dr. Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, zwar nicht unmittelbar gefährdet. „Das Rheinland ist in ein internationales Pipelinenetz eingebunden und die Speicherunternehmen verfügen über Gasreserven.“
Unternehmen, die von den Auswirkungen der Russland-Ukraine-Krise betroffen sind, finden auf den Seiten der IHK Köln aktuelle Informationen, etwa zu den Entwicklungen im Bereich der EU-Sanktionen, Reisebestimmungen und jüngsten Vorgaben
Ansprechpartnerin: Gudrun Grosse, Tel. 0221 1640-1561, gudrun.grosse@koeln.ihk.de
In Europa hat Deutschland sogar die höchste Speicherkapazität. Und aufgrund des milden Winters sind die Gasspeicher aktuell noch ausreichend gefüllt. Auch der Stopp des Genehmigungsverfahrens der Ostsee-Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 dürfte die Versorgung nicht gefährden, da genügend andere Leitungen vorhanden sind. Ein weiterer Anstieg bei den sowieso schon hohen Energie- und Strompreisen als mögliche Folge würde aber alle Unternehmen treffen, so Vetterlein. „IHKplus“ hat mit Unternehmen aus der Region über die hohen Energiekosten und die aktuelle Lage gesprochen.

Energielieferverträge: Massive Probleme

Schon vor dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine waren die Preise massiv gestiegen. Die Gründe sind vielfältig. Nach dem durch COVID-19 bedingten Einbruch der globalen Konjunktur führte die Erholung der Weltwirtschaft 2021 zu einem hohen Energiebedarf. „In über der Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) ist der mengenmäßige Energieverbrauch 2021 gestiegen, vor allem aufgrund längerer Maschinenlaufzeiten und Investitionen in neue, zusätzliche Anlagen und Maschinen“, sagt Eckhard Göske, Fachpolitischer Sprecher Industrie von IHK NRW.
Preistreibend wirkte aber auch die im Januar 2021 eingeführte CO2-Abgabe, mit der die Bundesregierung den Ausstoß von Kohlendioxid in den Bereichen Verkehr und Wärme bepreist und die Anfang 2022 von 25 auf 30 Euro pro Tonne stieg. Neben der Unberechenbarkeit der Energiepreise bereitet vor allem die gleichzeitig sinkende Sicherheit der Energielieferungen Sorgen. „Bei zehn Prozent der befragten Unternehmen ergaben sich in der letzten Zeit teils massive Probleme mit den Energielieferverträgen. Die Unternehmen berichten uns von gekündigten Lieferverträgen und mangelnden Angeboten“, sagte Raphael Jonas, Fachpolitischer Sprecher Energie, von IHK NRW nach einer Umfrage Ende Januar 2022.

Europaweit die höchsten Preise

Bei einer Konjunkturumfrage der IHK Köln, die zwischen dem 6. Dezember 2021 und dem 14. Januar dieses Jahres 634 Unternehmen aus Köln, Leverkusen, dem Rhein-Erft-Kreis, Rheinisch-Bergischen Kreis und Oberbergischen Kreis befragt hatte, sahen bereits 70 Prozent der Unternehmen neben dem Fachkräftemangel die hohen Energie- und Rohstoffpreise als ihr größtes Geschäftsrisiko. Nach dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 verteuerten sich Erdgas und Rohöl weiter. Deutsche Gewerbe- und Industriekunden trifft die Entwicklung ganz besonders. Denn europaweit zahlt die Wirtschaft bereits die höchsten Preise. Treiber sind vor allem Steuern, Abgaben und Umlagen. Aus Sicht der Unternehmen wird der Wettbewerb dadurch verzerrt.

Chempark: Verbrauch reduziert

Resilienter gegen die Verwerfungen an den Energiemärkten werden die Unternehmen vor allem dann, wenn sie ihren Verbrauch nachhaltig reduzieren und damit die Energieeffizienz erhöhen. Wie Unternehmen so ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können, haben zum Beispiel acht Firmen im Chempark vorgemacht. An dessen Standorten in Leverkusen, Dormagen und Krefeld Uerdingen findet ein Drittel der nordrhein-westfälischen Chemieproduktion statt. Vor fünf Jahren hatte sich das Energie-Effizienznetzwerk@Chempark ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bayer, Covestro, Currenta, INEOS in Köln, KRONIS Titan, LANXESS, seine Tochter Saltigo und Nouryon wollten 100 Millionen kWh jährlich einsparen.
Im Herbst vergangenen Jahres konnte das Netzwerk nicht nur Vollzug melden. Mehr als 130 einzelne Projekte hatten dafür gesorgt, dass der Energiebedarf an den Niederrheinstandorten sogar um rund 130 Millionen kWh pro Jahr, also etwa 30 Prozent mehr, gesunken war. Das entspricht laut Chempark dem Strombedarf von mehr als 32.000 Vier-Personen-Haushalten. „Die Besonderheit bei dieser Initiative ist die Vielzahl der einzelnen Projekte in völlig unterschiedlichen Bereichen, in denen Energieeinsparungen möglich geworden sind“, unterstreicht Timo Krupp, Leiter Presse beim Chempark-Betreiber Currenta GmbH & Co. OHG. Die quantitativ größten Erfolge hätten Projekte im Bereich der Wärmerückgewinnung, der effizienteren Nutzung von Abwärme oder Heizwärme oder durch Verbesserungen in der Prozesstechnik erzielen können.
Im Chempark beträgt der Wärme- bzw. Dampfbedarf mehr als zehn Millionen Tonnen jährlich, was grob geschätzt dem Wärmebedarf der Einwohner:innen von Düsseldorf und Köln entspricht. „Diese Zahlen belegen die enorme Relevanz der energiepolitischen Rahmenbedingungen auch im Sinne unserer Beiträge zur Transformation der Industrie in Europa“, so Krupp. Insofern seien auch die Stabilität der Energieversorgung einschließlich der Wettbewerbsfähigkeit der Energiepreise von erheblicher Relevanz. Unterdessen werde der externe Energiebezug immer nachhaltiger. In den KWK-Anlagen etwa wird verstärkt von Kohle auf Erdgas umgestellt.

Wasserstoff aus erneuerbaren Energien

Mit einem weiteren Leuchtturmprojekt wollen INEOS und Currenta die Energiewende vorantreiben. Im Herbst vergangenen Jahres starteten sie ein Großprojekt zur Wasserstofferzeugung. Gemeinsam wollen sie eine 100-Megawatt-Wasserelektrolyse aufbauen und betreiben, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Der unter Einsatz von erneuerbarer Energie hergestellte Wasserstoff soll direkt in der von INEOS in Köln betriebenen Ammoniak- und Methanolproduktion genutzt werden. Gleichzeitig will Currenta mit dieser großindustriellen Anlage seine Wärmeerzeugungsprozesse nachhaltiger gestalten. Um mehr als 120.000 Tonnen jährlich könnten die Treibhausgasemissionen durch dieses Vorhaben sinken, so INEOS.
„Das grüne Wasserstoffprojekt ist ein wichtiger Meilenstein, um den Kohlenstoff-Fußabdruck am Standort Köln deutlich zu reduzieren und unsere ehrgeizige Nachhaltigkeitsagenda Richtung Netto-Null voranzutreiben“, sagte Stephan Müller, Energy Commercial Manager INEOS Olefins & Polymers North. INEOS betreibt am Standort Köln eine Reihe von Produktionsanlagen zur Herstellung von Basischemikalien. Diese Produkte sind wichtige Bausteine in der Chemie- und nachgelagerten Industrie, die zum Beispiel zur Herstellung von Dämmstoffen, im Leichtbau für den Verkehrssektor sowie in der Energiewirtschaft für Windräder, Solaranlagen und Stromkabel benötigt werden. Die 100-Megawatt-Anlage ist Teil eines zwei Milliarden Euro schweren Pakets für grüne Wasserstoffprojekte, das INEOS Ende Oktober 2021 angekündigt hatte.

Schlüsselfertige Versorgungslösungen

Nicht nur die energiehungrige Chemieindustrie treibt die massiv gestiegenen Kosten für Strom und Wärme um. Betroffen ist praktisch jedes Unternehmen von der Spedition über Fitnessstudios bis hin zum Modehaus.
„Die stark gestiegenen Energiekosten haben viele Unternehmen aufgeschreckt. Haupttreiber für Investitionen ist eine sich verbessernde Wirtschaftlichkeit der Anlagen“, sagt Frank Schillig, Geschäftsführer der im Jahr 2017 gegründeten Energiegewinner Technik GmbH in Köln. Die Tochter der Bürgerenergiegenossenschaft Energiegewinner fördert die dezentrale Energiewende mit erneuerbaren Energien, indem sie für Geschäftskunden, Privatkunden und Kommunen schlüsselfertige, umweltfreundliche Energieversorgungslösungen wie Solarstromanlagen und Elektroladeinfrastruktur plant, baut und wartet. Investieren die Kund:innen selber, profitieren sie von dem erzeugten günstigeren Solarstrom aus der eigenen Anlage.
Alternativ dazu können Gewerbekunden auch eine Finanzierung per Pachtmodell über die Energiegewinner wählen. Dazu pachten die Energiegewinner das Dach, errichten die Photovoltaikanlage und liefern den Strom aus der Anlage an den Verbraucher unter dem Dach. Die Genossenschaft als technische und kaufmännische Betreiberin und der Eigentümer der Immobilie schließen hierfür einen Stromliefervertrag. Der Eigentümer des Gebäudes muss so nicht selbst in die Anlage investieren, kann aber den erzeugten Strom für seinen Eigenbedarf nutzen und so die Energiekosten senken.
Der große Vorteil von Strom vom eigenen Dach liegt in den sehr günstigen Solarstromgestehungskosten, die über 20 Jahre und länger gesichert sind, da die Energie der Sonne kontinuierlich und gratis zur Verfügung steht und man als Verbraucher so unabhängiger von Strompreissteigerungen am Strommarkt ist.

Frank Schillig, Geschäftsführer der Energiegewinner Technik GmbH

Wegen der gestiegenen Stromkosten rechneten sich inzwischen auch Batteriespeicher, die einen Teil des überschüssigen Solarstroms speichern und dann in den Abendstunden verbraucht werden können.

„Grüner Strom rechnet sich“

Das Pachtmodell hat auch Benjamin Adriani überzeugt. Der Geschäftsführer der Flexx Fitness GmbH in Hürth mit insgesamt elf Standorten in Köln und Umgebung ließ 2020 eine 5.000 Quadratmeter große Photovoltaikanlage auf das Dach des Studios in Hürth installieren. „Wir haben täglich 15 Stunden geöffnet, vor allem im Winter sind die Stromkosten, etwa für die Beleuchtung, sehr hoch“, sagt Adriani. Auch Fitnessgeräte wie Laufbänder verbrauchen Energie. Last but not least versorgt die Sonne jetzt die Ladestationen, an denen die gesamte Firmenfahrzeugflotte Strom tankt. Tagsüber produziert die Anlage mehr Strom als benötigt. Dieser wird ins öffentliche Netz eingespeist, wofür der Anlagenbetreiber über 20 Jahre eine garantierte Vergütung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhält. Insgesamt zieht Adriani eine positive Bilanz: „Im ersten Jahr haben wir unsere Stromrechnung um rund zehn Prozent senken können. Grüner Strom rechnet sich also.“
Am 28. April wird die IHK Köln von 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr eine Veranstaltung zum Ausbau der Photovoltaik (PV) anbieten. Themen sollen praktische Aspekte der Anlagen-Planung und -Installation sein. Der Workshop ist als Vor-Ort-Veranstaltung in der IHK Köln geplant.

Energie-Einkaufsgemeinschaft

Auch Wilfried Möser vom Modehaus Weingarten in Köln bereiten die hohen Stromrechnungen Sorgen. In seinem Stammhaus am Friesenplatz sind die Kosten für Heizung, Beleuchtung und Klimatisierung der großen Verkaufsräume deutlich gestiegen. Neue Heiz- und Klimaanlagen hatte die Weingarten GmbH & Co. KG bereits vor einigen Jahren einbauen lassen, die Beleuchtung weitgehend auf LED umgestellt, um die Effizienz zu steigern. Als Ende vergangenen Jahres der Vertrag bei seinem Strom- und Gaslieferanten auslief, wechselte das Familienunternehmen zu einer unabhängigen Energie-Einkaufsgemeinschaft. Wie gut die Entscheidung war, wird der Geschäftsleiter im Laufe des Jahres sehen.
Rainer van Loon, der IHK-Mitglieder zum Thema Nachhaltigkeit, insbesondere Energieeffizienz und erneuerbare Energien berät, empfiehlt bei einem Wechsel etwa via Tarifrechner im Internet sehr genau die Preise im Netzgebiet zu vergleichen und dabei auf alle Komponenten zu achten, also den Preis pro Kilowattstunde, den Grundpreis sowie den Leistungspreis ebenso wie Laufzeiten und Kündigungsfristen. Auch ein Gespräch mit dem aktuellen Versorger könne sich manchmal vor einem Wechsel lohnen, um ein vergleichsweise gutes Angebot zu erhalten.
Wenn Unternehmen sich zu Energieeffizienz-Maßnahmen beraten lassen oder diese umsetzen wollen, können sie zahlreiche Förderungen beantragen. Die IHK Köln unterstützt ihre Mitglieder durch entsprechende Informationen auf der IHK-Webseite sowie eine Erstberatung im Unternehmen. Ansprechpartner: Rainer van Loon, rainer.vanloon@koeln.ihk.de, Tel. 0221 1640 – 1503
„Der Gesprächsbedarf zum Thema Energieeinsatz nimmt bei unseren Mitgliedern zu, auch weil dies im Kontext von Nachhaltigkeit immer stärker von den Kunden eingefordert wird“, sagt van Loon. Meist hätten die Unternehmen noch gar nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Das gilt nicht nur für große Betriebe, sondern auch kleine Firmen.

Preissteigerung von 17 Millionen Euro: „Dagegen können wir nicht ansparen“

Energieintensive Industrien wie das 1927 gegründete Eisenwerk Brühl treffen die Steigerung bei den Energiekosten und der Ukraine- Krieg gleich mehrfach. Für die Produktion der Motorblöcke für Verbrennermotoren setzt der Automobilzulieferer Nickel aus Russland ein, wenngleich in geringem Umfang. „Alternativ werden wir künftig diesen Rohstoff aus Südamerika beziehen“, sagt CFO Wilm Papke. Der Absatz stockt aktuell vor allem deshalb, weil die großen Automobilhersteller ihre Produktion drosseln müssen, da Vorprodukte wie Kabelbäume aus der Ukraine fehlen. Als Abnehmer der eigenen Produkte spielen Russland und die Ukraine für das Eisenwerk nur eine sehr geringe Rolle. Im vergangenen Jahr sei ein russischer Kunde akquiriert worden, so Papke. Die Geschäftsbeziehung werde nicht fortgesetzt.  
Deutlich mehr Kopfzerbrechen bereitet dem Manager aber die Lage an den Energiemärkten. Koks für die Eisenherstellung beziehen die Brühler aus Polen und Tschechien, Gas von einem deutschen Lieferanten, der wahrscheinlich auch auf Russland angewiesen ist. „Für Koks werden wir in diesem Jahr zwölf Millionen Euro mehr bezahlen als 2021, für Strom fünf Millionen. Dagegen können wir nicht ansparen.“ Auch Effizienzgewinne seien immer schwieriger zu realisieren. „Wir haben bereits viele große Projekte umgesetzt, etwa in der Wärmerückgewinnung oder in der Automatisierung der Prozessketten.“
Papke sieht nur einen Ausweg: „Wir müssen die gestiegenen Preise an unsere Kunden weitergeben.“ Sonst könne das Eisenwerk mit seinen 1.800 Mitarbeitenden, die im vergangenen Jahr 310 Millionen Euro Umsatz erzielten, nicht überleben. Mit einem Nachfragerückgang rechnet Papke als Reaktion auf die Preiserhöhungen nicht. Denn wegen der Chipkrise produzierten die weltweiten Autobauer zuletzt deutlich weniger Fahrzeuge als nachgefragt wurden. Die Wartelisten bei den Kunden sind dementsprechend lang, manche Käufer müssen sich bis zu 1,5 Jahre gedulden. „Das Interesse, ein Auto zu kaufen, ist also nach wie vor ungebrochen.“

Wettbewerbsfähige Energiepreise schaffen

Eine Entspannung an den Märkten zeichnet sich derzeit nicht ab. Expert:innen rechnen mit weiter steigenden Preisen, weil sich das Angebot nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine verknappen könnte. Bis Ende des Jahres sollen in Deutschland die letzten drei Atommeiler vom Netz gehen. Zudem will Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohle aussteigen.
Immerhin scheint es eine leichte Linderung an der Preisfront zu geben „Die angekündigte Übernahme der Finanzierung der EEG-Umlage in den Bundeshaushalt ist richtig und sollte zum 1. Juli umgesetzt werden“, sagt Christian Vossler aus dem Geschäftsbereich Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit der IHK Köln. Dies allein werde jedoch nicht reichen. „Zusätzlich sollte die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden, sowie weitere Umlagen wie Netzentgelt, Offshore-Netz und KWK-Umlage sowie die Umlage für abschaltbare Lasten sollten aus dem Staatshaushalt finanziert werden.“ Wie im Kohlekompromiss vorgesehen, sollte zudem ein dauerhafter Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zu den Übertragungsnetzentgelten eingeführt werden.
Energieexperte Vossler gibt zudem zu bedenken, dass „wettbewerbsfähige Strompreise nicht nur unsere Wirtschaft stabilisieren, sondern auch die klimapolitisch notwendige Umstellung vieler Prozesse in den Unternehmen auf grüne Energie erleichtern“.
Auf der Website der IHK Köln finden Sie aktuelle Konsultationen zu neuen Vorhaben nationaler sowie europäischer Rechtsvorschriften, zu neu geplanten Programmen oder zu politischen Maßnahmen in den Bereichen Energie und Umwelt. IHK-Mitglieder haben hier die Möglichkeit, ihre Meinung zu künftigen Gesetzen und Verordnungen zu äußern.

Angebot sinkt, Nachfrage steigt: Preisspirale dreht sich weiter hoch

Die Zeit drängt. Denn während das Angebot sinken könnte, steigt gleichzeitig die Nachfrage. Laut einer Prognose der Bundesregierung erhöht sich der Verbrauch von 576 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2019 um fast 20 Prozent auf 685 TWh im Jahr 2030, weil immer mehr E-Autos, elektrische Wasserpumpen, Wasserstoffelektrolyse und Digitalisierung Energie in großem Stil verschlingen. Der Anteil der E-Autos auf deutschen Straßen etwa stieg laut Kraftfahrtbundesamt 2021 fast um das Doppelte gegenüber 2020 auf knapp 356.000 Autos. Wie Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden, darüber dürfte mit Blick auf den Krieg und die Versorgungssicherheit künftig noch intensiver debattiert werden.