Zukunft Deutschland: Außenwirtschaft im Wandel

Zunehmender Protektionismus, geopolitische Risiken, enorme Preissteigerungen – das Pflaster im internationalen Handel ist rauer geworden. Die weltwirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Kriegs in der Ukraine haben der international stark verflochtenen deutschen Wirtschaft zugesetzt. Wie steht es um die Exportnation Deutschland?
Ein Beitrag von Melanie Vogelbach, DIHK und Carolin Herweg, DIHK (Co-Autorin)

Mit einer Außenhandelsquote für Waren und Dienstleistungen von rund 90 Prozent ist Deutschland die offenste Volkswirtschaft der G7 Staaten – und damit besonders auf multilaterale Handelsregeln, funktionierende Lieferketten und international wettbewerbsfähige Standortfaktoren angewiesen.
Steigende Handelsbarrieren – wie zum Beispiel lokale Zertifizierungsvorgaben, Local-Content-Vorschriften oder Exportkontrollen von Rohstoffen – machen es für die Unternehmen aber immer planungsaufwändiger und teurer ihre Auslandsgeschäfte abzuwickeln. Laut der DIHK-Umfrage Going International haben im vergangenen Jahr 56 Prozent der international tätigen Betriebe eine Zunahme von Handelshemmnissen registriert – so viele wie noch nie in der Umfrage zuvor.
Mit Blick auf hiesige Standortbedingungen – wie Fachkräftemangel, zu langwierige Planungsverfahren und im internationalen Vergleich teils erheblich höhere Energiepreise als an konkurrierenden Standortmärkten, wie den USA – steht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unter Druck. Hinzu kommen ein stark gestiegenes Zinsniveau, noch immer hohe Inflationsraten und eine schwächelnde weltweite Nachfrage, sodass die Exporterwartungen der Industriebetriebe im laufenden Jahr gedämpft bleiben.
Auch die langfristigen Aussichten sind mit Herausforderungen behaftet. In den kommenden fünf Jahren sehen die Unternehmen an ihren internationalen Standorten laut AHK World Business Outlook neben der Inflation und den geldpolitischen Rahmenbedingungen insbesondere die Zunahme von politischem Einfluss auf Lieferketten, die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen und Energie sowie eine Fragmentierung der Weltwirtschaft mit Sorge.
In dieser Gemengelage sind sich die deutschen Unternehmen in ihren unternehmerischen Entscheidungen der geopolitischen Risiken sehr bewusst und treiben mit der Diversifizierung ihrer Lieferketten das De-Risking voran.
Für die Reduzierung kritischer Abhängigkeiten, die Diversifizierung von Lieferanten sowie von Absatz- und Beschaffungsmärkten bräuchten die Unternehmen allerdings politische Unterstützung, um bislang eher verschlossene und auch schwierige Märkte möglichst rechtssicher und mit einem vertretbaren betriebswirtschaftlichen Aufwand bearbeiten zu können. Eine Stärkung des multilateralen Handelssystems und gute Freihandelsabkommen, wie mit Neuseeland, Australien oder Mercosur, sind jetzt dringend vonnöten. Denn: Verlässliche Handelsabkommen bauen Handelshemmnisse ab und schaffen gemeinsame Standards sowie Rechts- und Planungssicherheit.
Kürzlich in Kraft getretene und sich noch in Planung befindende Nachweispflichten könnten hingegen den Diversifizierungsbemühungen der Unternehmen im Wege stehen. Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, Importverbote von Produkten aus entwaldeten Gebieten und von Produkten mit Zwangsarbeit, die CO2-Grenzausgleichsteuer und die Taxonomie im Rahmen von Sustainable Finance erhöhen in jedem Fall die Bürokratie und Kosten für die Unternehmen.
Neben einer engagierten Handelsagenda muss sich die EU mit einer eigenen Wettbewerbsagenda positionieren, welche den europäischen und deutschen Standort stärkt, ohne multilaterale Handelsregeln zu unterwandern.

Unternehmer und Experten diskutieren das Thema auf dem Mitteldeutschen Exporttag am 13. September 2023 in Erfurt. Sind Sie schon angemeldet?