Konjunkturbericht Frühsommer 2023

Antriebslos in den Frühsommer

Zum Jahresbeginn 2023 herrschte bei den Unternehmen im Landkreis Böblingen große Erleichterung, dass der prognostizierte wirtschaftliche Absturz ausgeblieben war. Die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Wirtschaft waren weniger dramatisch, als dies zu Beginn der Krise erwartbar gewesen wäre. Ein milder Winter und ein schnelles Gegensteuern der Politik in Sachen Energie hat hierbei geholfen und die Wirtschaft vor Schlimmerem bewahrt. Leider mündete diese Erleichterung nicht in einen neuen Auftrieb für den Sommer. In den Frühsommer hinein ist die Geschäftslage der IHK-Mitglieder zwar auf einem vergleichsweise stabilen Niveau, der Blick auf die weitere Entwicklung ist aber eher verhalten und auch die Auftragslage ist vielfach schwach.

In der Konjunkturbefragung der IHK-Bezirkskammer Böblingen melden aktuell 36 Prozent der befragten Betriebe eine gute Geschäftslage. Dieser Wert hat sich gegenüber der letzten IHK-Erhebung nur leicht verbessert. Da sich aber gleichzeitig auch die Zahl derer, die eine schlechte wirtschaftliche Lage verzeichnen, etwas erhöht hat, gab es in der Gesamteinschätzung nur wenig Bewegung.
So liegt der IHK-Indikator zur wirtschaftlichen Lage mit 24 Zählern nur unwesentlich über dem Wert zu Jahresbeginn, der damals bei 21 Punkten lag. Zurückhaltend ist man zudem beim Ausblick auf die kommenden Monate. Lediglich 18 Prozent Optimisten stehen 21 Prozent Pessimisten gegenüber. Der IHK-Indikator zur Geschäftserwartung verharrt dementsprechend auch im negativen Bereich. Sucht man nach den Gründen für diese schwache Entwicklung, finden sich einige Antworten in den Risikoeinschätzungen der Unternehmen. Das mit Abstand größte konjunkturelle Risiko wird von den Betrieben mit deutlichem Abstand im Fachkräftemangel gesehen. 75 Prozent der befragten IHK-Mitglieder sehen hierin eine große Belastung für die eigene Entwicklung. Hier sehen auch die Perspektiven weiterhin nicht rosig aus. Auf den weiteren Plätzen finden sich dann mit etwas Abstand die Energie- und Rohstoffpreise, die Arbeitskosten sowie generell die Nachfragesituation. Gerade bei den Arbeitskosten wird der Druck auf die Betriebe auch in naher Zukunft nicht nachlassen. Die jüngsten Tarifabschlüsse weisen hier eindeutig in eine Richtung. Bei der Nachfrage sieht es ähnlich düster aus. Über alle Branchen hinweg können etwas mehr als 19 Prozent der Befragten einen Anstieg verzeichnen, bei annähernd einem Drittel der Unternehmen ist die Nachfrage hingegen gesunken.

Industrie


In der für den Landkreis besonders bedeutsamen Industrie liegt der Absatz sogar noch unter diesem Wert. Hier verzeichnen nur neun Prozent einen Anstieg, während fast 40 Prozent über einen Einbruch der Nachfrage klagen. Ins-besondere die Exportnachfrage hat hier in den letzten Monaten seit dem Jah-reswechsel deutlich nachgegeben. Nur etwas mehr als fünf Prozent können sich über eine Zunahme des Auslandsabsatzes freuen, bei 43 Prozent der Un-ternehmen des industriellen Sektors gab diese hingegen nach. So blicken rund 25 Prozent derzeit sorgenvoll in die Zukunft. Der IHK-Indikator zur Geschäfts-erwartung liegt mit minus acht Zähler etwas unter dem der Gesamtwirtschaft.

Handel

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch im Handel. Der Großhandel, der von der Industrie abhängig ist, meldet einen vergleichbaren Rückgang in Lage und in Nachfrage. Der Blick in die Zukunft ist daher ebenso von Zurückhaltung ge-prägt. Der Einzelhandel startet ebenfalls schwächer in den Frühsommer und meldet eine verschlechterte Situation und einen schrumpfenden Umsatz.

Bau

Das Zinsniveau, die Kostensituation und ein damit einhergehender Nachfrage-rückgang führt zu einem regelrechten Einbruch in der Bauwirtschaft. Insbe-sondere im Eigenheimbau verschlechterte sich mit dem inflationsbedingten Zinsanstieg die Lage massiv. Für viele Käufer ist der Traum von den eignen vier Wänden zunächst einmal geplatzt oder zumindest verschoben. Eingeschränkt freuen können sich über diese Entwicklung nur die aktuellen Bauherren. Die Preise für Bauleistungen scheinen wohl schon unter Druck zu geraten.

Industrie

Allen voran konnte die Industrie am schnellsten wieder aufatmen und eine erfreuliche Auftragslage melden. Fast 27 Prozent der Betriebe geben gegen-über der IHK-Bezirkskammer Böblingen einen Zuwachs der Nachfrage aus dem Ausland an. Bei der Inlandsnachfrage ist dieser Wert nicht ganz so hoch aber immerhin bei 15 Prozent gibt es ein Plus zu verzeichnen. Gegenüber der letzten IHK-Umfrage ist dies in beiden Fällen ein deutlicher Anstieg, der sich sowohl in der Geschäftslage als auch im Ausblick niederschlägt. Etwas mehr als 36 Prozent der Industriebetriebe können eine gute Lage melden. Der IHK-Lageindikator liegt mit 30 Zählern deutlich im positiven Bereich und ist gegen-über der Herbstumfrage gestiegen. Angesichts dieser Entwicklung hellte sich der Ausblick der produzierenden Unternehmen deutlich auf. Der IHK-Indikator zur Geschäftserwartung macht einen Sprung nach oben, von zuletzt negativen 50 Zählern auf nun nur noch minus drei Punkte. Von dieser positiven Entwick-lung wird in den kommenden Wochen und Monaten sicher auch ein Impuls für die übrigen Branchen ausgehen.

Dienstleistung

Erfreuliche Ausnahme in diesem eher verhaltenen und schwachen Ausblick über die Branchen hinweg bilden derzeit die Dienstleister. Hier hat sich die Lage seit dem Jahreswechsel deutlich verbessert. Annähernd 40 Prozent kön-nen im IHK-Konjunkturbericht eine gute Geschäftslage melden. Knapp acht Prozent sind zurzeit nicht zufrieden. Der IHK-Lageindikator liegt bei 32 Punk-ten und hat sich seit der letzten Umfrage der IHK-Bezirkskammer Böblingen fast verdoppelt. Auf der Nachfrageseite können rund 20 Prozent der Betriebe einen Anstieg melden. Dieser Wert ist deutlich höher als im Schnitt aller ande-ren Branchen. Angesichts dieser eher freundlichen Ausgangslage ist der Blick in die Zukunft bei den Dienstleistungsunternehmen im Kreis auch weitaus op-timistischer als in den übrigen Branchen Während dort der IHK-Indikator zur Erwartung noch im negativen Bereich ist, können sich die Dienstleister bereits über einen positiven Wert freuen. Ob die Dienstleistungsbranche ihrer bisheri-gen Funktion als Frühindikator für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung auch diesmal gerecht wird, bleibt allerdings abzuwarten. Die Risiken für die konjunkturelle Entwicklung bestehen weiterhin und der kleine Silberstreif der Dienstleistungsbranche führt leider nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage.
IHK-Konjunkturindikatoren:
Sie werden als Saldo von positiven und negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können zwischen minus 100 und plus 100 Prozentpunk-ten liegen. Indikatorwert Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten. Ein positiver Indikatorwert bedeutet, dass es mehr positive als negative Antworten gibt.
IHK-Konjunkturklimaindex:
Der IHK-Konjunkturklimaindex spiegelt das Ergebnis der IHK-Konjunkturumfrage in einem Wert wider. Er ist ein Frühindikator für die kon-junkturelle Entwicklung. Entscheidend für die Interpretation der konjunkturel-len Entwicklung im Zeitablauf ist die Veränderung des Index. Nimmt er zu, wird sich die Konjunktur tendenziell positiv entwickeln, nimmt er ab, ver-schlechtert sich hingegen tendenziell die wirtschaftliche Entwicklung.
Der Konjunkturbericht der IHK-Bezirkskammer Böblingen steht inklusive Schaubildern zum Download (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 2106 KB) zur Verfügung.