Energieversorgung - Jeder Tag zählt

Bis zum 21. Juli soll die Routine-Wartung der Pipeline Nord Stream 1 dauern. Sollte Russland seine Gaslieferungen nach Abschluss der Arbeiten nicht wieder aufnehmen, geriete die deutsche Wirtschaft erheblich unter Druck, befürchtet Peter Adrian. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) mahnt politische Maßnahmen an und ruft zum Sparen auf.
Die Politik sorge sich nachvollziehbar um die Energieversorgung der Verbraucher, so Adrian, jedoch müssten auch die Nöte vieler Unternehmen stärker in den Blick genommen werden: "Immer mehr Betriebe werden die explodierenden Energiepreise über kurz oder lang nicht mehr schultern können", stellt der DIHK-Präsident klar. "Die gestiegenen Kosten der Gasbeschaffung weiterzureichen, würde für viele Betriebe das Aus bedeuten."
Bleibe Nord Stream 1 leer, drohe die teilweise oder komplette Einstellung der Gaslieferung an viele Betriebe, warnt er. "Dann steht die Produktion in diesen Unternehmen still. Notwendig ist daher nicht nur eine rasche Ausdehnung der Notfallzahlungen für Unternehmen mit extrem hohen Energiepreisen, sondern auch ein Konzept für Überbrückungshilfen im Falle von faktischen Betriebsschließungen."

Sofort alle Hebel in Bewegung setzen

Denn die betroffenen Betriebe könnten kaum noch ausweichen. Effizienzmaßnahmen seien schon langeausgeschöpft, ein schneller Umstieg auf andere Energieträger häufig nicht möglich oder zu langwierig. "Der zu erwartende weitere Anstieg der Energiepreise sowie mögliche Versorgungsengpässe und Rationierungen träfen die Unternehmen daher mit voller Wucht", warnt Adrian. "Über die Produktions-und Logistikketten wären nicht nur einzelne Betriebe oder Branchen betroffen, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft sowie ihre Beschäftigten – und damit auch die Versorgung unseres Landes."
Daher sei es wichtig, dass die Politik angesichts der sich abzeichnenden Notsituation "sofort alle Hebel in Bewegung setzt, um Gasversorgung und Gaspreise zu stabilisieren". Mehr Tempo bei der Anbindung von LNG-Terminals sei dabei genauso wichtig wie der schnelle Start des angekündigten Auktionsmodells, mahnt der DIHK-Präsident. "Jeder Tag zählt."

Auch mittelfristig Planung beschleunigen

Allerdings werde sich das Thema Gasmangel "nicht mit dem nächsten Winter in Wohlgefallen auflösen". Die bisherige Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren hindere etwa Unternehmen am Umstieg auf andere Energieträger und den Staat am schnellen Ausbau einer LNG-Infrastruktur.
"Die von der Bundesregierung angekündigte Halbierung der Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren von Infrastruktur und Gewerbe wird nicht reichen, um uns in der vorgesehenen Zeitspanne zukunftsfest und klimaneutral zu machen", so Adrian. "Ein wichtiger zusätzlicher Schrittwäre, die für die Energie- oder Verkehrsinfrastruktur bereits beschlossenen Beschleunigungsmaßnahmen auch auf das Gewerbe, die Industrie und weitere Infrastrukturauszudehnen. Weiterhin könnten auch die vollständige Digitalisierung der Verfahren, eine geringere Prüfdichte und ein geringerer Umfang der Prüfunterlagen helfen, die Verfahren zu beschleunigen."

Sparen gegen Versorgungsengpässe

Gleichzeitig appelliert der DIHK-Präsident eindringlich an Unternehmen und Verbraucher, Energie zu sparen; es komme jetzt "auf jeden einzelnen an". Denn: "Wenn die Industrie ihre Produktion ganz oderteilweise einstellen muss, hat das nicht nur weitreichende Konsequenzen für die Unternehmen und deren Beschäftigte. In Folge bedeutet das für die Verbraucher auch weniger Lebensmittel in den Supermarktregalen, weniger Medikamente und andere Güter des täglichen Bedarfs. Es drohen echte Versorgungsengpässe und unserer gesamten Wirtschaft eine Krise in unbekanntem Ausmaß." Die Folgewirkungen von Abschaltungen einzelner Branchen oder Betriebe sind nicht zu überblicken.
Adrian: "Bitte helfen Sie daher gerade auch in teilweise weniger energieintensiven Unternehmen in Handel und Dienstleistungen schon aus Eigeninteresse mit, durch Energieeinsparung das Abschalten in unserer Industrie zu verhindern. In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrücklich bei den Verbrauchern und Unternehmen bedanken, die bereits zusätzlich Energie sparen. Nur wenn Wirtschaft und Verbraucher jetzt an einem Strang ziehen, haben wir eine Chance, einen Wirtschaftseinbruch im kommenden Winter abzuwehren oder zumindest abzumildern."