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Frauen in der norddeutschen Wirtschaft: Mehr Mut und Selbstbewusstsein

Der Saal war vollbesetzt mit Frauen. Aber wo waren die Männer? Diese Frage stellten sich die rund 90 Teilnehmerinnen der Veranstaltung "Frauen in der norddeutschen Wirtschaft" im Schloss Ahrensburg. "Ich habe dafür kein Verständnis", bemängelte Margit Haupt-Koopmann.
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"Es geht um das Überleben der Wirtschaft, da müssen wir alle an einem Strang ziehen", ergänzte die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Kiel. Nur zwei Männer nahmen an der gemeinsam von der IHK zu Lübeck und der IHK Nord organisierten Veranstaltung teil: Referent Wolfgang Bremer von der Lübecker MACH AG und Dr. Malte Heyne, Geschäftsführer der IHK Nord.
Haupt-Koopmann wies auf die Fachkräftelücke hin, die die deutsche Wirtschaft zunehmend unter Druck setze. Das größte Potenzial des Arbeitsmarktes böten die Frauen. Theoretisch ließen sich allein mit Frauen 2,1 Millionen Vollzeitstellen besetzen. Entscheidend sei es, die Rahmenbedingungen für Frauen zu verbessern. "Ich appelliere an Sie, die vielen guten Beispiele für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in unserer Region stärker als bisher in die Öffentlichkeit zu transportieren. Die heutige Veranstaltung soll der Auftakt dafür sein", betonte sie.
Bei diesem Thema gehe es um mehr als Gleichstellung betonte auch Anette Langner, Staatssekretärin im Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein. Die Zukunft des Landes stehe auf dem Spiel. Obwohl Studien belegten, wie sehr Frauen zum Erfolg von Unternehmen beitrügen und mehr junge Frauen Hochschulabschlüsse erreichten als Männer, seien deutschlandweit nur knapp 20 Prozent der Führungsposten in weiblicher Hand. In Schleswig-Holstein seien es zwar rund 26 Prozent, aber die Arbeitgeber würden große Chancen vergeben, indem sie Frauen in der mittleren Führungsebene nicht rechtzeitig auf höhere Aufgaben vorbereiteten. "Wirtschaft und Politik müssen endlich etwas unternehmen, eine neue Unternehmenskultur ist überfällig", so Langner. Daher befürworte sie gesetzlich geregelte Quoten für Frauen in Spitzenpositionen, damit Arbeitgeber bewusster über die Möglichkeiten nachdenken, Frauen in Führung zu bringen.
Susanne Möcks-Carone, Geschäftsführerin von Violet Business in Hamburg, empfahl, Frauen gezielt aufzubauen und auf Führungsaufgaben vorzubereiten. Aus ihrer Sicht habe sich das Mentoring zur Stärkung individueller Fähigkeiten bewährt. "Hätte ich eine Mentorin gehabt, hätte ich rund zehn Prozent meiner Arbeitszeit sparen können", so Möcks-Carone, die 2011 den Titel Interim Manager des Jahres erhielt.
Mittlerweile gebe es in vielen Unternehmen unterschiedlicher Größe Angebote für Frauen, die Beruf und Familie vereinbaren wollen. Wolfgang Bremer von der MACH AG berichtete von Teilzeit-Modellen. Als er sie einführen wollte, erntete er zunächst großes Unverständnis. Heute trügen sie entscheidend zum Erfolg bei, rund 40 Prozent der Mitarbeiter seien Frauen, im Vertrieb seien es sogar 50 Prozent. Auch bei der Sparkasse zu Lübeck gibt es innovative Ansätze. Dort teilen sich Ulrike Slaby und Claudia Schmidt eine Stelle als stellvertretende Gruppenleiterin. Der Abstimmungsbedarf bei diesem Jobsharing sei zwar höher als bei einer Vollzeitstelle, aber die Herausforderung sei zu bewältigen. Entscheidend sei, dass die Kunden mit der Betreuung durch zwei Beraterinnen zufrieden seien.
Auch die Hamburger Unternehmerin Christina Jagdmann sieht großes Potenzial für Frauen. "Wir müssen viel selbstbewusster an die Probleme herangehen", sagte sie. "Aber leider stehen wir Frauen uns noch viel zu häufig selbst im Weg." Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei grundsätzlich möglich, wenn Arbeitgeber und Mitarbeiter das Thema mit einer gewissen Flexibilität angingen. Dann entstünden auch Freiräume für ehrenamtliche Tätigkeiten, sagte Jagdmann, die Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren Hanseraum und Vizepräses der Handelskammer Hamburg ist. Auch Sophie Spady Geschäftsführerin Elbfein Germany GmbH in Kaltenkirchen, forderte die Frauen auf, mutiger für ihre Interessen einzustehen.
Dem pflichtete Friederike C. Kühn, Präses der IHK zu Lübeck und derzeitige Vorsitzende der IHK Nord bei. Die Fachkräftelücke sei die beste Gelegenheit, die Potenziale von Frauen zu heben und mehr weibliche Mitarbeiterinnen in die Chefetagen zu bringen. Darüber hinaus gelte es, zwei Gruppen von Frauen intensiver zu betreuen: "Wir müssen mehr Frauen motivieren, eine Firma zu gründen oder einen bestehenden Betrieb als Nachfolgerin zu übernehmen", so Kühn. Dafür benötigten die Frauen Mentoring-Programme. Zum anderen gelte es, mehr weibliche Kompetenz in das Ehrenamt zu bringen. "Es ist bisher nicht einfach, Frauen zu finden, die ein Ehrenamt oder ein Aufsichtsratsmandat ausüben wollen. Wir müssen daher bessere Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Frauen die Freiräume für entsprechende Ämter und die Chance, aktiv Dinge zu bewegen, erkennen und nutzen."
Gemischte Teams würden erfolgreicher arbeiten, betonte Kühn. Daher lege sie selbst großen Wert darauf, die schlummernden Potenziale von Frauen zu nutzen. "Unsere Veranstaltung sollte dazu beitragen, dieses Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Ich freue mich, dass so viele Frauen aus den norddeutschen Bundesländern der Einladung der IHK Nord gefolgt sind", so Kühn. Sie kündigte an, entsprechende Formate weiterhin anzubieten - "in der Hoffnung, auch die männlichen Entscheider zu erreichen".
Die PowerPoint-Präsentation (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 577 KB) des Vortrags von Margit Haupt-Koopmann finden Sie rechts zum Download.
Die IHK Nord ist ein Zusammenschluss 13 norddeutscher Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Sie vertreten knapp 700.000 Unternehmen in Norddeutschland und stützen sich auf rund 20.000 ehrenamtlich engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer. Arbeitsschwerpunkte sind die Hafenwirtschaft, die maritime Technologie, die Verkehrsinfrastruktur, die Tourismuswirtschaft und die Industrie. Weitere Informationen unter: www.ihk-nord.de.
Veröffentlicht am 31. Oktober 2014