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Tourismustag 2020

Die Coronakrise setzt die Tourismuswirtschaft unter Druck. Rasant steigende Infektionszahlen und Diskussionen rund um das Beherbergungsverbot versperren die Aussicht auf schnelle Besserung.
Um der Tourismuswirtschaft im Land auch in der aktuellen Situation eine Plattform zu bieten, begangen 430 Branchenvertreter den Tourismustag Schleswig-Holstein 2020 erstmalig rein digital. Gemeinsam wagten sie den Blick nach vorn und widmeten sich unter dem Motto “Wohin steuert der Schleswig-Holstein-Tourismus?” in Vorträgen und Sessions dem künftigen Kurs der Branche.
Rückblickend betonte Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholz, dass die Corona-Pandemie die Tourismuswirtschaft 2020 vor enorme Herausforderungen gestellt habe. “Schleswig-Holstein als Tourismusland ist zwar besser als viele andere Bundesländer durch die Krise gekommen, dennoch haben der zu Beginn der Krise notwendige Lockdown und die jetzt noch geltenden Maßnahmen eine Menge Betriebe sehr hart getroffen”, weiß Buchholz. Andererseits habe die Krise auch gezeigt, womit der Schleswig-Holstein-Tourismus besonders punkten kann: “Naturnaher, erlebnisreicher, sicherer und gesunder Urlaub war und ist bei uns immer möglich.” Neue Zielgruppen hätten dadurch Schleswig-Holstein für sich entdeckt. “Diese Gäste möchten wir auch im kommenden Jahr gerne bei uns begrüßen. Insofern ist die Coronakrise auch eine Chance für den Deutschland-Tourismus insgesamt und für Schleswig-Holstein erst recht”, ergänzt der Tourismusminister.
Diese Chance sieht auch der Hauptgeschäftsführer der IHK Schleswig-Holstein, Björn Ipsen, und weist darauf hin, wie wertvoll es für die Betriebe sei, nach der Krise auf qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte zurückgreifen zu können und sich nicht mit zeit- und kostenintensiven Neueinstellungen beschäftigen zu müssen. Weiter ermunterte Ipsen die Teilnehmenden, sich intensiver mit dem Einsatz digitaler Anwendungen zu befassen. “Nicht nur in der aktuellen Situation bietet die Digitalisierung Hilfen bei der Umsetzung der Verordnungen, auch in der Zeit danach können Effizienz und Service durch die Nutzung geeigneter Tools gesteigert werden“, so Ipsen. An die Politik richtete er sich mit der Bitte, wirtschaftliches Handeln in diesen schwierigen Zeiten weiterhin zu ermöglichen, wo immer das verantwortlich geschehen kann. Ziel sei es, Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden und Akzeptanz zu schaffen. “Die Tourismuswirtschaft ist von den Auswirkungen der Coronakrise besonders schwer getroffen“, so Ipsen. Das zeigt auch der Trend der DIHK-Herbst-Umfrage: Ein Drittel der Beherbergungsbetriebe erwartet 2020 Umsatzrückgänge von mehr als 50 Prozent. “Die steigenden Corona-Fallzahlen machen weitere wirtschaftliche Einbußen durch Auflagen und geringere Reisetätigkeit wahrscheinlich.“
Andreas Tedsen, Vize-Präsident des DEHOGA Schleswig-Holstein ergänzte, dass die verabredeten Regelungen zur Kontaktbegrenzung und insbesondere zu den Sperrzeiten das Gastgewerbe hart treffen. “Die Maßnahmen sind existenzgefährdend“, erklärt Tedsen. “Umso wichtiger ist jetzt, dass die Hilfen für das Gastgewerbe verlängert, ausgeweitet und nachhaltig verbessert werden. Die Verlängerung der Überbrückungshilfe wertet er daher als einen guten Schritt. An die Branche appelliert Tedsen, bei den Anstrengungen nicht nachzulassen: “Nichts ist so wichtig in diesen unwirklichen Zeiten, wie das Niederhalten der Pandemie, das Schützen der Leben derer, die gefährdet sind, und gemeinsam durch diese stürmischen Zeiten zu steuern. Daher sind die konsequente Einhaltung der AHA-Schutzmaßnahmen und intensives Lüften jetzt wichtiger denn je und solidarisch von allen umzusetzen.“
So sieht es auch Stephanie Ladwig, Vorsitzende des Tourismusverbands Schleswig-Holstein, und ergänzt: “Alle sind an ihrem Platz gefordert, verantwortungsbewusst im Sinne des Infektionsschutzes zu handeln und dennoch die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, um dringend benötigte Umsätze in den Betrieben zu generieren. Mit sorgfältigen Hygienekonzepten ist auch in Corona-Zeiten vieles möglich, das zeigen die Beispiele der vergangenen Monate.“ Weiter betonte Ladwig: “Wichtig ist es, nicht nur die bereits sichtbaren Folgen der Corona-Pandemie zu betrachten. Vielmehr müssen wir alle unsere Perspektive erweitern und unseren Blick bereits jetzt auf mögliche Spätfolgen richten. Diese deuten sich an, beispielsweise in Form von Finanzproblemen öffentlicher Haushalte, die auch zu Investitionsstaus führen können, oder eine Verschärfung der Situation auf dem touristischen Arbeitsmarkt. Um weiteren Auswirkungen bereits im Vorfeld entgegenwirken zu können, bedarf es einer nachhaltigen Stabilisierung der Tourismusbranche. Dazu müssen Kommunen auch weiter in die freiwillige Aufgabe des Tourismus investieren, da gerade jetzt Investitionen als Impuls für die Tourismuswirtschaft notwendig sind. Daneben ist es zur Abfederung der befürchteten Effekte von zentraler Bedeutung, geeignete, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Maßnahmen zu entwickeln.“ Sie bittet daher weiter um die Unterstützung der betroffenen Betriebe und auch der Kommunen durch die Politik.
Professor Dr. Dirk Schmücker, Vizedirektor des im September 2020 durch Bildungsministerin Karin Prien eröffneten Deutschen Instituts für Tourismusforschung (DITF) der FH Westküste, berichtete, dass die FH Westküste der Coronakrise aktiv begegnet sei. Für ihre Studierenden habe sie die Lehre binnen kurzer Zeit auf digitale Formate umgestellt und so ein vollwertiges Semester gesichert. Aus Sicht des Vizedirektors “erwies sich Corona auch als Impuls für die touristische Forschung“. So hatten die Heider Forscher die – hoffentlich einmalige - Chance, am Übergang von einem kompletten Lockdown zur Wiederöffnung Befragungen von Urlaubern zu ihren Reiseplänen und ihrer Einstellung zum Urlaub vorzunehmen. “Es wird Tourismus nach Corona geben, und der wird sich nicht grundlegend vom heutigen Tourismus unterscheiden“, so Schmücker weiter. Neben Untersuchungen zur Auswirkung von Corona bestünden eine Vielzahl weiterer Themen fort, denen sich das DITF widmet: Städtetourismus als langjähriges Boomsegment (DEST), Akzeptanz von Tourismus bei der Wohnbevölkerung (TAS), Digitale Vermessungen des touristischen Raumes oder auch Geschäftsreisende und deren Wahrnehmung ihrer Reisen (RA Business).
“Wir blicken alle fassungslos auf das, was in der Welt gerade geschieht. Wir haben Angst um unsere Gesundheit, unseren Wohlstand und unsere Branche. Jetzt müssen wir darüber sprechen, wie wir den Tourismus gemeinsam neu aufstellen. Der Schleswig-Holstein-Tourismus der Zukunft braucht noch mehr Veränderungsbereitschaft jedes einzelnen, mehr Kooperation untereinander und mehr Mut in der Kommunikation nach außen“, weiß Dr. Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TA.SH). “Unser erster digitaler Tourismustag Schleswig-Holstein bietet viel Wissenswertes für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wir können auch in einer Videokonferenz gerade jetzt und in Zukunft viel voneinander lernen, wer mit innovativen Geschäftsmodellen, mutigen Entscheidungen und unkonventionellen Lösungsansätzen gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgehen kann“, so Bunge. Aktuelle Markt- und Trendforschung helfen für die zielgruppengerechte Ansprache, aber auch Erfahrungen aus dem Unternehmensalltag bieten Chancen für die Neuausrichtung der Betriebe. “Wir als TA.SH sind gerne Netzwerkknoten, Beraterin und Unterstützerin in diesen herausfordernden Zeiten.“

Videoaufzeichnungen vom Vormittag

Grußwort, Einführung in den Tag und “Tourismus gemeinsam neu denken”
Björn Ipsen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schleswig-Holstein
Kristine Honig, Beraterin bei Tourismuszukunft - Realizing Progress
Alex Mirschel, Berater bei Tourismuszukunft - Realizing Progress
Andreas Tedsen, Vize-Präsident DEHOGA Schleswig-Holstein
Professor Dr. Dirk Schmücker, DITF, Fachhochschule Westküste
Dr. Bettina Bunge, Geschäftsführerin Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein GmbH
Stephanie Ladwig, Vorsitzende Tourismusverband Schleswig-Holstein e. V.
Statement aus der Politik
Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein
Destination Recovery: Erholung bedeutet Neuausrichtung
Professor. Dr. Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepreneurship, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Auslobung ADAC-Tourismuspreis 2021
Stefan Schwarz, Geschäftsführer ADAC Schleswig-Holstein e. V.

Sessions am Nachmittag

Sessionrunde I

1. Tourismusakzeptanz und Besucherlenkung (Präsentation Tourismusakzeptanz (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 934 KB))
Um in der Bevölkerung eine positive Haltung zum Tourismus zu erhalten, wurde etwa betont, dass es wichtig ist, regelmäßig mit den Einwohnern zu sprechen und Konzepte gemeinsam oder im Dialog zu entwickeln. Besucherlenkung funktioniere in der Praxis am besten, wenn Incentives und Verbote kombiniert werden.
2. Fachkräfte – Arbeitsmarkt Tourismus mit und nach Corona  
Festgehalten wurde unter anderem, dass Corona den Fachkräftemangel im Tourismus verstärken könnte, die Bindung der Leistungsträgerinnen und Leistungsträger elementar ist und Führung und Kommunikation in der Krise an Bedeutung gewinnen. Von hoher Bedeutung ist die Kommunikation der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern sowie die Wertschätzung der Auszubildenden. Zudem wurde betont, dass ein größerer Aufwand beim Marketing für Mitarbeiter und Azubis betrieben werden sollte.
3. Betriebswirtschaftliche Unterstützung für Beherbergungsbetriebe
In schwierigen Zeiten ist es wichtig, die Liquiditätsplanung zu machen und rechtzeitig das Gespräch mit den Banken suchen. Zudem sollte die Zeit des Lockdowns und des geschwächten Betriebs genutzt werden, um notwendige Anpassungen - auch des Geschäftsmodells vorzunehmen.

Sessionrunde II

1. Wie hilft Krisenkommunikation bei der Vermarktung? (White Paper Krisenkommunikation (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 5547 KB))
Betont wurde, dass jede Krise die Chance bietet, aus Fehlern zu lernen, sich für die Zukunft besser vorzubereiten und neue Wege gerade auch in der Vermarktung zu gehen. Authentische, faktenbasierte und aktuelle Öffentlichkeitsarbeit schafft Glaubwürdigkeit bei den Kunden und stärkt das Vertrauen.
2. Nachhaltige Mobilität in schleswig-holsteinischen Urlaubsregionen (Präsentationen Mobilität TVSH (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 348 KB) und Mobilität NIT (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1612 KB))
Da einige Regionen in Schleswig-Holstein für Gäste noch zu schwer zu erreichen sind, befasst sich das Projekt Nachhaltige Mobilität in schleswig-holsteinischen Urlaubsregionen mit der Verbesserung eben dieser Mobilität. Ein übergreifendes Schlüsselprojekt stellt dabei die Kommunikation und Koordination dar.
3. Die Geheimnisse erfolgreicher Gastronomen
Anhand eines Drei-Säulen-Modells wurde der Weg zum Erfolg erläutert: Stringente Umsetzung der sieben Ps im Marketing, Absicherung der Wirtschaftlichkeit und Controlling. Wichtig ist die Transparenz der Zahlen. Unternehmen müssen schnell erkennen können, wo sie stehen. Außerdem sollte das Geschäftsmodell zu dem Zeitpunkt hinterfragt werden, wenn es dem Unternehmen besonders gut geht und gegebenenfalls die finanziellen Mittel vorhanden sind, um zu investieren.

Sessionrunde III

1. Von Inseldaten zu vernetzten: Open Data als Chance für die digital touristische Kommunikation
Betont wurde, dass geschlossene Systeme zu unflexibel in der Pflege und für die Erweiterungen sind. Offenen Systemen gehört daher die Zukunft. Ein Best-Practice-Beispiel für ein offenes System im Tourismus liefert die gemeinsame touristische Informationsdatenbank in Mecklenburg-Vorpommern. In Schleswig-Holstein liegt bereits ein guter Datenbestand vor, dennoch sollen noch mehr Partner mit touristisch relevanten Daten gewonnen werden, um noch besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und konkrete Projekte entwickeln zu können.
2. Tourismus trotz Corona? Entwicklung der wahrgenommenen Reisemöglichkeiten und Reisemotivation in COVID-19-Zeiten (Präsentation Tourismus trotz Corona (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 3604 KB))
Wissenschaftliche Erkenntnisse der Reiseanalyse wurden anhand des Zeitstrahls der Corona-Krise vorgestellt und durch Berichte aus der Praxis ergänzt. Unter anderen wurde berichtet, wie die Zeit im Mai/Juni für angepasste Kampagnen etc. genutzt wurde. Außerdem wurden Ergebnisse hinsichtlich des geplanten Reiseverhaltens 2020/2021 vorgestellt.
3. Hilfen in der Coronakrise: Öffentliche Finanzierungs- und Förderangebote für die schleswig-holsteinische Tourismuswirtschaft
Die Session bot Überblick über Zuschüsse, öffentliche Finanzierungsangebote der Förderinstitute des Landes und des Bundes sowie weitere Unterstützungsangebote für Unternehmen der Tourismuswirtschaft. Der Fokus lag hierbei auf Unterstützungsangeboten zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Vorgestellt wurden hierzu neben der Überbrückungshilfe Zuschüsse für Beratung, Weiterbildung, Digitalisierung und andere betriebliche Investitionen. Außerdem gab es ein Update zu aktuellen öffentlichen Finanzierungsangeboten der KfW und der schleswig-holsteinischen Förderinstitute.
Der Tourismustag Schleswig-Holstein ist ein jährlicher Branchentreff der IHK Schleswig-Holstein und wird unterstützt von dem Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Schleswig-Holstein e. V., der Fachhochschule Westküste, der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein GmbH sowie dem Tourismusverband Schleswig-Holstein e. V.