Erfolgsfaktor Unabhängigkeit

Nicole Heimann ist begeistert vom neuen Austauschprogramm, das Gerresheimer Azubis und dual Studierenden seit zwei Jahren anbietet. „Das verändert die jungen Leute unglaublich. Sie kommen ganz anders zurück, als sie losgeflogen sind“, sagt Heimann, die das „Global Training Center“ bei Gerresheimer leitet und die Idee für das Austauschprogramm hatte. Sechs Wochen verbringen die Azubis im US-amerikanischen Werk in Peachtree City in Georgia. Dort wurde vor einigen Jahren die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild eingeführt – eigentlich unbekannt in den USA. Das Austauschprogramm wird im Rahmen des Förderprogramms „AusbildungWeltweit“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bezuschusst.

Gerresheimer stellt Medikamentenverpackungen und Drug Delivery Systeme für die Verabreichung von Medikamenten her. Weltweit arbeiten rund 11.000 Menschen für das Unternehmen. Und Gerresheimer wächst – vor allem an den Auslandsstandorten. In den USA vergrößere sich das Werk in Peachtree City gerade um das Vierfache, erklärt Heimann. Im mazedonischen Skopje hat Gerresheimer aktuell ein Kunststoffwerk eröffnet, nebenan entsteht ein Glaswerk. Neue Niederlassungen müssen aufgebaut, Maschinen installiert, lokale Mitarbeiter eingewiesen werden – hierzu reisen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Deutschland zu den Auslandsstandorten. „Dafür ist es notwendig, dass unsere Mitarbeiter internationale Kompetenzen mitbringen. Und diese fördern wir schon bei den jüngsten Mitarbeitern durch unser Austauschprogramm“, sagt Heimann.

Die Nachfrage nach dem Austauschprogramm ist um einiges größer als die freien Plätze. Gerresheimer-Azubis können sich im zweiten Lehrjahr bewerben, in einem Assessment-Center wählt das Unternehmen dann die passenden Kandidaten aus. Diese bekommen in den Folgemonaten unter anderem spezielle Englischkurse und ein interkulturelles Training, bevor die Reise in die USA beginnt. In Peachtree City angekommen, wohnen die Azubis bei einer Gastfamilie. „Das Programm ist ein Grund, warum viele Bewerberinnen und Bewerber ihre Ausbildung bei uns absolvieren wollen“, sagt Heimann. Ein Plus im Ringen um die jungen Leute also.

Eine weitere Herausforderung derzeit: Wie machen sich Unternehmen unabhängig von den zeitweise sehr hohen und stark schwankenden Energiepreisen? Die Bundesregierung hat sich und der Industrie das Ziel gesetzt, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu mindern und sich zu entsprechenden Reduktionen verpflichtet. Bis zum Jahr 2040 sollen die CO2-Emissionen um 88 Prozent verringert werden und die Treibhausgasneutralität soll zum Jahr 2045 erreicht werden.

Ein Unternehmen, das seine Energie zunehmend selbst produziert und seine Produktionsabläufe energiesparend organisiert hat, ist die Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH in Schönsee. Das Unternehmen verarbeitet Glas und stellt daraus zum Beispiel Herdblenden, Lichtschalter oder Displays und Steuerungsterminals für den Maschinenbau, Sanitärbereich oder die Medizintechnik her. Mit seinen 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verarbeitet Irlbacher etwa 5.000 Tonnen Glas im Jahr. Die verschiedenen Schritte dabei sind sehr energieintensiv – sei es das Schneiden mit Wasserstrahl, der Schleifprozess, Reinräume für Siebdrucktechnik, das thermische Härten und Emaillieren der Substrate oder die Endmontage. „Energieeffizient zu produzieren, geht nicht von heute auf morgen. Wir überlegen uns schon seit Jahrzehnten, wie wir Energie einsparen und nachhaltig einsetzen können“, betont Günther Irlbacher, der gemeinsam mit seinem Bruder Stephan Irlbacher und Vater Josef Irlbacher das Unternehmen leitet.

Die Firma hat an mehreren Stellen dafür gesorgt, dass es in Zukunft möglichst energieautark und -effizient arbeiten kann. Es hat dazu eine dezentrale Energieerzeugung mit Solarstrom und Erdgas KWKs (Kraft-Wärme- Kopplung) konzeptioniert. Fast 5.900 Photovoltaik-Platten auf den Gebäuden des Unternehmens erzeugen 2,25 Megawatt Strom und eine Wechselrichterleistung von 1,8 Megawatt. Irlbacher baut zudem seine Energiespeicher zur Zwischenpufferung von Strom, Kälte, Wärme, Hitze und Druckluft sowie eigene Datenspeicher aus. KI-gesteuerte, intelligente Energiemanagementsysteme optimieren den Last- und Eigenstromverbrauch und vereinfachen die Nutzung dynamischer Tarife auf dem Spotmarkt. Das Unternehmen baut zudem seine Querschnittstechnologien, Kompressoren und Hochdruckpumpen, seine Ventilatoren, Systempumpen und Beleuchtung sowie Informations- und Kommunikationstechnologien aus und optimiert diese.

Auch werden zusätzliche 180 Messstellen digitalisiert und witterungsbedingte Fahrpläne mittels KI-gestützter Hard- und Software erstellt. Die CO2-Einsparung lässt Irlbacher automatisiert über KI-Tools berechnen, was gleichzeitig Strom, Druckluft, Heiz- und Kühllasten einspart. „Mit der KI-unterstützten Vorplanung können wir zum Beispiel berechnen, wie wir den fehlenden Solarstrom an wolkigen Tagen mit möglichst klimaneutraler Energie kompensieren und gleichzeitig am Gas- und Strommarkt einkaufen, wenn die Preise günstig sind“, erklärt Stephan Irlbacher. Das Unternehmen erstelle außerdem ein Transformationskonzept mit allen Emissionsfaktoren zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks im Vergleich zum Basisjahr 2021 und Maßnahmenbeginn ab 2022. So mache sich die Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH durch vielfältige Maßnahmen auf dem Weg in eine energieautarke Zukunft.

Autorin: Dr. Julia Egleder