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Nachhaltig in die Zukunft
Von Energie-Projekten bis hin zu verantwortungsvollem Lieferkettenmanagement: Unternehmerische Nachhaltigkeit ist zu einem entscheidenden Wett-bewerbsfaktor geworden. Für regionale Betriebe in der Oberpfalz und im Landkreis Kelheim ist Nachhaltigkeit dabei nicht nur ein leeres Versprechen, sondern gelebte Unternehmenskultur.
Wer heute auf der B299 im Süden von Neumarkt unterwegs ist, erblick ein markantes Gebäude. Eine große Halle mit Wellendach, großflächiger Phootvoltaikanlage und Dachbegründung – das neue Logistikzentrum des Büromöbelherstellers Hammerbacher sticht sofort ins Auge. Mit dem Neubau wollte das Familienunternehmen einen wichtigen Schritt in der nachhaltigen Unternehmensentwicklung markieren. „Seit 2019 sind wir mit der Planung beschäftigt“, erzählt Christoph Hammerbacher, einer der Geschäftsführer. Besonders die Wahl des Heizsystems sei herausfordernd gewesen: „Wir nutzen eine Luftwärmepumpe, die zusätzlich die Möglichkeit bietet, Wärme aus sogenannten Eisspeichern zu gewinnen. Solange es über null Grad hat, heizen wir mit Umgebungsluft. Unter null Grad entziehen wir unterirdischen Wasserspeichern die Energie bis knapp unterhalb des Gefrierpunkts, was durch den Phasenübergang enorme Energie freisetzt.“ Der Umzug ist für Sommer 2025 geplant und wird dem Unternehmen deutlich mehr Platz verschaffen.
Wir wollen das Unternehmen nicht nur gut an unsere Kinder übergeben können, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Welt haben.Andreas und Christoph Hammerbacher, Hammerbacher GmbH
„Als Familienunternehmen liegt das Thema Nachhaltigkeit in unserer DNA“, betont Andreas Hammerbacher. „Mein Bruder und ich leiten das Unternehmen inzwischen in der fünften Generation. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn unsere Familie nicht schon immer daran gedacht hätte, wie sie einen funktionierenden Betrieb an die nächste Generation weitergeben könnte.“ Heute liege der Fokus mehr auf der Reduktion des CO²-Fußabdrucks. „Wir wollen das Unternehmen nicht nur gut an unsere Kinder übergeben können, sondern auch einen positiven Einfluss auf die elt haben. Daher starten wir viele Projekte, die wir für richtig halten.“
CO² reduzieren und kompensieren
Seit vier Jahren gehört dazu auch ein Aufforstungsprojekt in Uganda, das die beiden Brüder starteten, um den CO² -Fußabdruck zu kompensieren. Im Basisjahr 2020 schüttete die Firma Hammerbacher noch 1.800 Tonnen CO² für Heizung, Stromverbrauch oder Warentransporte aus. Seitdem konnte der Ausstoß bereits um 20 Prozent reduziert werden. „Für die verbleibende Menge wollten wir aber nicht einfach ein Zertifikat kaufen, sondern ein greifbares Projekt mit sichtbaren Ergebnissen fördern“, betont Andreas Hammerbacher. „Unser Vater engagierte sich schon jahrelang in Uganda und so kam der erste Gedanke.“ Gemeinsam mit dem Forest Stewardship Council (FSC) starteten sie ein neues Projekt. Mittlerweile forstet Hammerbacher jährlich 50 Hektar Waldfläche in Uganda auf. Pro Saison werden 30.000 Setzlinge eingepflanzt, die anschließend gepflegt werden müssen. Selbst waren die Brüder noch nicht vor Ort. Zuerst kam die Corona-Pandemie dazwischen, dann kursierte das Mpox-Virus, nun ein Ebola-Ausbruch. Doch ein Besuch auf der Plantage ist fest geplant.
„Das Thema Nachhaltigkeit hat heute einen viel höheren Stellenwert als früher“, bestätigt auch Caroline Leißl, Referentin CSR bei der IHK in Regensburg. Die Kundinnen und Kunden legten Wert darauf und auch im Wettbewerb um Fachkräfte spiele das Thema eine wichtige Rolle. „Vor allem die junge Generation sucht nach nachhaltigen Arbeitgebern“, betont Leißl. Hinzu komme die gesetzliche Entwicklung: „Unternehmen müssen heute eine Vielzahl an Regulierungen, Vorschriften und Gesetze beachten.“ Solche gesetzlichen Änderungen rücken das Thema Nachhaltigkeit weiter ins Bewusstsein der Unternehmerinnen und Unternehmer.
Bio-Bohnen und nachhaltige Pralinen
2021 gründeten Tamara und Max Wittl die Konditorei LA MARA Chocolaterie in Regensburg. Zunächst wollten sie sich nur auf vegane Pralinen spezialisieren, doch schnell begannen sie, Nachhaltigkeit ganzheitlicher zu denken: „Da wir auch privat auf Dinge wie nachhaltige Verpackungen achten, wollten wir unsere Werte auch in unserem neu gegründeten Unternehmen leben“, erzählt Tamara Wittl. Vor allem die Suche nach passenden Rohstoffen entpuppte sich zu Beginn als Herausforderung. „Wir merkten schnell, dass wir die Schokolade selbst herstellen müssen, wenn wir hundertprozentige Transparenz wollen“, sagt Wittl. Für Konditoreien sei das unüblich, doch LA MARA wollte sich abgrenzen und investierte in neue Maschinen. „Heute arbeiten wir bei einigen Sorten von der Bohne an, nutzen dabei ausschließlich Bio-Bohnen. Für andere Sorten erhalten wir die Kakaomasse, fügen dann weitere Zutaten hinzu und stellen die Schokolade für unsere Pralinen selbst her.“
„Wir merkten schnell, dass wir die Schokolade selbst herstellen müssen, wenn wir hundertprozentige Transparenz wollen.“Maximilia und Tamara Wittl, LA MARA Chocolaterie
Das Werk in Peru, aus dem die Kakaomasse stammt, hat das Paar bereits besucht. Dennoch sei es schwierig, die Lieferkette lückenlos nachzuvollziehen. Deshalb arbeitet LA MARA mit einem Importeur zusammen, der alles vor Ort in Peru regelt und die Zusammenarbeit mit den Bauern koordiniert. „Über diesen Importeur bekommen wir auch mit, welche Regelungen gerade aktuell sind und was wir beachten müssen“, sagt Wittl. Zum Beispiel in Bezug auf die Verpackungen sei das sehr undurchsichtig. Auch Networking mit anderen Unternehmen aus der Branche helfe, sich bei all den Vorschriften und Regulierungen zurechtzufinden.
Vielfältige Berichtspflichten
„Die Masse an Berichtspflichten ist vermutlich die größte Herausforderung – gerade für kleinere Unternehmen“, bestätigt Leißl von der IHK. „Jede der Regularien ist einzeln zu betrachten – mit neuen Zuständigkeiten und erforderlichen Daten. Das bedeutet für die Unternehmen einen enormen Aufwand“. Ein kleiner Lichtblick sei die Omnibus-Initiative der EU. Damit werde unter anderem eine stärkere Harmonisierung der verschiedenen Nachhaltigkeits-Regularien angestrebt. Ein weiteres Problem sei der „Kaskaden-Effekt“: Kleinere Unternehmen seien meist von der Berichtspflicht ausgeschlossen. Die größeren, berichtspflichtigen Betriebe benötigen jedoch Zahlen und Daten von ihren Zulieferern und wälzen ihre Pflichten häufig an diese ab. Vor allem kleineren Firmen empfiehlt Leißl daher, frühzeitig Systematiken im Unternehmen einzuführen. Die IHK unterstützt dabei zum Beispiel mit Leitfäden, Checklisten und Musterschreiben. „Als IHK setzen wir uns dafür ein, dass die Anforderungen an die Unternehmen praktikabel und umsetzbar bleiben. Das Thema Nachhaltigkeit ist im Unternehmertum stark verankert, aber die bürokratischen Hürden können Chancen verbauen“, betont Leißl.
Nachhaltigkeit in der Finanzbranche
Man dürfe die Proportionalität nicht aus den Augen verlieren, empfiehlt auch Sabrina Wolf vom Genossenschaftsverband Bayern e.V. Sie ist – so wie rund 230 weitere Revisorinnen und Revisoren – dafür verantwortlich, zu prüfen, ob die Genossenschaftsbanken die vorgegebenen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) einhalten. Darin sind seit der 7. Novelle (2023) auch einige Nachhaltigkeitsanforderungen enthalten: Beispielsweise muss das Thema Nachhaltigkeit Teil der Geschäftsund Risikostrategie der Banken sein. Wolf achtet darauf, bei der Prüfung der Banken sensibel vorzugehen: „Gerade kleinere Banken mit geringerem Personalstand dürfen nicht mit Bürokratie überfrachtet werden“.
„Gerade kleinere Banken mit geringerem Personalstand dürfen nicht mit Bürokratie überfrachtet werden.“Sabrina Wolf, Genossenschaftsverband Bayern e.V.
Deshalb berät der Genossenschaftsverband Bayern seine Mitglieder in Bezug auf Nachhaltigkeit. „Wo wollen die Banken hin? Welche Maßnahmen sind dafür sinnvoll? Wie können sie ihren Papierverbrauch reduzieren oder regionale Produkte aufsetzen? Bei all diesen Fragen stehen wir unseren Mitgliedern zur Seite“, sagt Wolf. Zukünftig wolle der Genossenschaftsverband Bayern seine Mitglieder auch bei der Ausarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie oder der Erstellung einer CO²-Bilanz unterstützen. Insgesamt seien die Banken in der Region bereits gut aufgestellt. Viele Häuser haben ein Nachhaltigkeitsmanagement etabliert und nutzen Workshops oder Beratungsangebote. Andere Banken bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Programm für E-Mobilität, unterstützen Naturschutzprojekte oder haben ein Bienenhotel auf dem Dach. „Oftmals braucht es gar keinen großen Aufwand, sondern nur ein paar kreative Ideen“, betont Wolf. Und das zahle sich aus: Denn vor allem junge Bankkundinnen und -kunden achten heute auf solche Nachhaltigkeitsaspekte.
Mit der E-Flotte auf Geschäftsreise
Auch Julian Mühlmeier, Head of Product & Sustainability bei der Mühlmeier Bodyshaping GmbH, hält Nachhaltigkeit für einen Wettbewerbsfaktor. Der Hersteller und Entwickler für BH-Schalen lässt alle zwei Jahre freiwillig eine CO²-Bilanzierung von einem externen Experten aufstellen, um den eigenen CO²-Fußabdruck zu kennen und zu verbessern. Die Heizung wurde schon seit langem auf Hackschnitzel umgestellt, die Dämmung verbessert und die Beleuchtung optimiert. Mit der eigenen E-Auto-Flotte fährt das Team zu B2B-Kunden in ganz Europa. „Solche Maßnahmen lassen sich einfach umsetzen und rentieren sich auch schnell aus ökonomischer Sicht“, sagt Mühlmeier. Deutlich herausfordernder gestaltete sich die Nachhaltigkeitsstrategie auf der Produktund Serviceseite. Die Mühlmeier Bodyshaping GmbH fertigt BH-Schalen aus sogenanntem PU-Schaum. Das Material sei grundsätzlich nicht recyclingfähig. Deshalb entwickelte das Unternehmen zunächst ein zirkuläres Produktkonzept, so dass die BH-Schalen in den Bras und Bikinis der Kunden wiederverwertet werden können.
„Wir bleiben stetig dran, unser Produkt zu verbessern, denn der Markt braucht noch bessere und günstigere Optionen.“Julian Mühlmeier Mühlmeier Bodyshaping GmbH
Zusätzlich bietet Mühlmeier seinen B2B-Kunden eine Reihe von biologisch recycelbaren Materialien an. „Unser Angebot ist dadurch diverser geworden und unsere Kunden können entscheiden, welche Materialien sie einsetzen möchten“, erklärt Mühlmeier. Um das eigene Material zu optimieren, startete Mühlmeier außerdem ein Kooperationsprojekt mit der Hochschule Hof. Das Ziel sei es, bioabbaubares, schaumähnliches Material zu entwickeln, das sich für die Fertigung von BH-Schalen eignet. „Wir bleiben stetig dran, unser Produkt zu verbessern, denn der Markt braucht noch bessere und günstigere Optionen“, betont Mühlmeier.
Fortschritte messbar machen
Schneider Electric verfolgt schon seit 20 Jahren ambitionierte Nachhaltigkeitsziele. Bis 2030 will der Konzern „net zero carbon“ werden. Das bedeutet: Der CO²-Ausstoß soll im Vergleich zu 2017 radikal reduziert werden. Auch bei der Schneider Electric Sachsenwerk GmbH mit Standort in Regensburg arbeiten die Mitarbeitenden daran, dieses Ziel zu erreichen. Beispielsweise wurde das Beleuchtungssystem auf LED umgestellt, beheizt wird mit einem dualen System aus Blockheizkraftwerk (BHKW) und Wärmepumpen. Die Energiebedarfsüberwachung sowie die Steuerung der Gebäudetechnik erfolgt zentral und automatisiert über eine Software. „Für mich war klar, dass wir unseren Energiebedarf überwachen und messen müssen, um Fortschritte sichtbar machen zu können“, sagt Franck Bazin, Geschäftsführer am Standort Regensburg. Mehr als 100 Sensoren monitoren daher heute im Werk verschiedene Aspekte der Energieeffizienz. Konkrete Zahlen können helfen, Zweifel auszuräumen, erklärt Bazin: „Wir haben beispielsweise unsere Beleuchtung zunächst in einem kleinen Teil des Werkes auf LED umgestellt, um zu prüfen, wie viel Energie und Kosten wir damit sparen.“
Treiber für Veränderung
Aber auch kleine Aktionen können das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit stärken. 2024 habe deshalb jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter am Standort Regensburg eine nachfüllbare Trinkflasche geschenkt bekommen, um die Verwendung von PET-Flaschen einzudämmen. „Veränderung funktioniert nur mit Hilfe unserer Mitarbeitenden“, ist Bazin überzeugt. Seit einiger Zeit setzt die Schneider Electric Sachsenwerk GmbH daher auf „Sustainability Ambassadors“. Diese Botschafterinnen und Botschafter tauschen sich regelmäßig untereinander aus und sammeln neue Ideen, wie das Unternehmen noch nachhaltiger werden könnte. Als Multiplikatoren tragen sie aber auch den Nachhaltigkeitsgedanken in die Belegschaft und stecken andere Mitarbeitende mit ihrer Begeisterung an.
„Veränderung funktioniert nur mit Hilfe unserer Mitarbeitenden.“Franck Bazin Schneider Electric Sachsenwerk GmbH
Vor allem die jüngere Generation habe bei der Berufswahl hohe Erwartungen an Betriebe. „Nachhaltigkeit ist heute ein Entscheidungskriterium“, betont Bazin. Deshalb bindet Schneider Electric auch die Auszubildenden am Standort regelmäßig in Projekte ein. „Sie haben beispielsweise ein neues Logo für unseren Eingangsbereich gestaltet, das komplett aus recyceltem Material besteht.“
Mit Ausdauer ans Ziel
Eine offene und transparente Kommunikation ist entscheidend, rät auch Julian Mühlmeier: „Gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden legen wir fest, auf welche Maßnahmen wir uns fokussieren wollen und arbeiten daran.“ Oftmals seien das Kleinigkeiten, die eine große Wirkung haben – beispielsweise der Verzicht auf Verpackungen. „Auch unseren Kunden empfehle ich, einfach anzufangen und sich Schritt für Schritt ranzutasten.“ Die Motivation, solche Veränderungen anzugehen, komme nicht nur durch große Visionen, sondern auch durch kleine Schritte, die Unternehmen kontinuierlich voranbringen. Um langfristig Erfolg zu haben, brauche es aber einen langen Atem. Christoph Hammerbacher rät: „Es ist wichtig, dranzubleiben und für seine Ideale zu kämpfen.“ Anfangs habe niemand an ihr Konzept für ein nachhaltiges, visionäres Gebäude geglaubt, denn in der Branche herrsche ein großer Preiskampf. „Doch wenn man sich etwas vornimmt und hartnäckig ein Ziel verfolgt, ist vieles möglich.“
Autorin: Iris Jilke
Autorin: Iris Jilke