Titel - Ausgabe Mai 2025

Die Omnibus-Initiative schafft Unsicherheit

Mehr Unternehmen werden zukünftig verpflichtet sein, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Mit der „Omnibus-Initiative“ will die EU die Unternehmen entlasten. Prof. Dr. Tobias Steindl, Professor für Corporate Social Responsibility Control, Reporting & Governance an der Universität Regensburg, blickt kritisch auf den Vorschlag. Er verrät, was er sich stattdessen wünscht und wie Firmen sich auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten können.
Wie steht es derzeit um das Thema CSR in den Unternehmen?
Prof. Dr. Tobias Steindl: In den letzten Jahren haben Unternehmen, insbesondere große Konzerne, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten deutlich ausgebaut. Eine aktuelle EY-Analyse zeigt, dass Deutschlands DAX-Konzerne ihre CO₂-Emissionen im Jahr 2023 um rund 14 Prozent gesenkt haben – das entspricht einer Reduktion von etwa 30 Millionen Tonnen. Die größten Fortschritte wurden bei direkten Emissionen (Scope 1) sowie bei Emissionen aus eingekaufter Energie (Scope 2) erzielt. Dennoch bleibt erheblicher Handlungsbedarf. Indirekte Emissionen entlang der Lieferkette (Scope 3) machen weiterhin den größten Anteil an den Gesamtemissionen aus und sind deutlich schwieriger zu reduzieren. Auch beim Thema Biodiversität agieren viele Firmen noch zurückhaltend.
Welche Maßnahmen kommen durch die CSRD-Berichterstattung auf die betroffenen Firmen zu?
Ein zentraler Bestandteil der CSRD sind die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die Unternehmen dazu verpflichten, detaillierte und vergleichbare Daten zu Umwelt, Sozial- und Governance-Themen (ESG) offenzulegen. Ein weiteres Kernprinzip der CSRD ist die doppelte Wesentlichkeit. Firmen müssen künftig analysieren, wie Nachhaltigkeitsthemen ihre finanzielle Lage beeinflusst (Outside-in-Perspektive). Daneben müssen sie darlegen, welchen Einfluss ihre Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft hat (Inside-out-Perspektive). Ein Thema gilt als wesentlich, sobald es nach einer der beiden Perspektiven als relevant eingestuft wird. Zusätzlich schreibt die CSRD eine inhaltliche Prüfung der Nachhaltigkeitsangaben vor, um die Verlässlichkeit der veröffentlichten Informationen zu erhöhen.
Was sind die größten Herausforderungen dabei?
Die Erfassung verlässlicher Nachhaltigkeitsdaten ist essenziell für die externe Berichterstattung und fundierte interne Management-Entscheidungen. Doch viele Firmen erfassen ihre Daten manuell, was fehleranfällig ist und die Qualität der Informationen beeinträchtigen kann. Interne Kontrollmechanismen fehlen häufig, sodass inkonsistente oder unvollständige Daten die Folge sind. Laut einer aktuellen KPMG-Studie setzen viele Unter-nehmen noch kaum auf automatisierte Prozesse zur Erfassung von Nachhaltigkeitskennzahlen. Bei der Berechnung von CO-Emissionen kann dies besonders problematisch sein, da Daten aus verschiedenen Unternehmensbereichen und von externen Partnern einfließen müssen.
Wie können sie sich Betriebe auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereiten?
Aktuell ist die Omnibus-Initiative der EU ein Erstentwurf eines Änderungsgesetzes. Sie muss noch vom EU-Parlament und dem Rat angenommen werden. Das bedeutet eine zusätzliche Unsicherheit für die Betriebe. Künftig sollen nur noch Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden sowie 50 Millionen Euro Umsatz oder 25 Millionen Euro Bilanzsumme berichtspflichtig sein. Zudem sollen die ESRS bereits sechs Monate nach Inkrafttreten überarbeitet werden. Die Omnibus-Initiative soll Berichtspflichten reduzieren und Unternehmen entlasten, birgt jedoch erhebliche Risiken für die Nachhaltigkeitstransformation. Sie schränkt den Geltungsbereich der CSRD – ein zentraler Baustein des EU Green Deals – erheblich ein. Gleichzeitig schwächt sie ein Instrument nachhaltiger Unternehmensführung: Nach dem Prinzip „What gets measured, gets managed“ können Berichtspflichten entscheidend sein für die erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation von Firmen. Dies zeigt auch die wissenschaftliche Forschung zu den realen Effekten der NFRD, zum Beispiel Fiechter et al aus 2022. Die geplanten Maßnahmen könnten daher den Fortschritt in Richtung Klimaneutralität und die Ziele des EU Green Deals erheblich gefährden.
Welche Maßnahmen wünschen Sie sich von der Politik?
Ich plädiere für die Verabschiedung durchdachter und wissenschaftlich fundierter Regularien. Die Omnibus-Initiative schafft Unsicherheit und könnte die Glaubwürdigkeit der EU-Kommission und des EU Green Deals untergraben. Statt kurzfristiger Anpassungen braucht es eine stabile, langfristige und konsequent ausgerichtete Politik, die das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 entschlossen verfolgt.
Das Interview führte Iris Jilke.