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Vom Abfall zum Wertstoff
Die Kreislaufwirtschaft spielt eine wichtige Rolle auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Anstatt Rohstoffe zu verschwenden, werden Abfällt aufbereitet und in wertvolle Ressourcen verwandelt. Zwei Unternehmen aus der Region zeigen, welches Potenzial in der Wiederverwertung von Rohstoffen steckt.
Ob Fliesen, Terrassenplatten oder Gehweg- pflaster aus Beton – das Unternehmen Godelmann GmbH & Co. KG weiß, was gute Steine ausmacht. Seit mehr als 40 Jahren produziert das Familienunternehmen am Standort Fensterbach Beton-Steine. Schon mit dem Bau der ersten Produktionslinie hat die Firma auch eine eigene Recycling- anlage aufgebaut. „Meinem Vater hat das Herz geblutet, wenn Pflastersteine mit kleinen Rissen oder Löchern weggeworfen wurden, weil sie nicht zu unseren Qualitätsstandards gepasst haben“, erinnert sich Geschäftsführer Bernhard Godelmann. Er leitet das Unternehmen in der dritten Generation. „Heute brechen wir diese Steine klein. Dabei entstehen Betonsplitt und Betonsand, die wir für die Fertigung wiederverwenden“.
„99 Prozent der Steine sind rein und können problemlos weiterverwendet werden.“Bernhard Godelmann, Godelmann GmbH & Co. KG
Auch Steine, die nach jahrzehntelanger Nutzung ausgebaut werden, nimmt das Unternehmen kostenlos zurück und bereitet sie in neue Wertstoffe auf. Dabei gebe es Einschränkungen: „Wären die Pflastersteine zuvor an einer Tankstelle gelegen, müssten wir diese auf Kontaminationen prüfen und reinigen. Aber 99 Prozent der Steine sind rein und können problemlos weiterverwendet werden“, sagt Godelmann. Für dieses zirkuläre System erhielt das Unternehmen vor drei Jahren die begehrte Cradle-to-Cradle Gold-Standard Zertifizierung. Das Zertifikat berücksichtigt auch weitere Nachhaltigkeitsaspekte, beispielsweise den Wasserverbrauch. Seit 40 Jahren verwendet Godelmann in der Fertigung eigens gesammeltes Regenwasser, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Geschäftsführer Godelmann betont: „Solche Zertifizierungen spornen uns natürlich an, uns weiter zu verbessern.“
Wettbewerbsvorteil Kreislaufwirtschaft
Bis vor ein paar Jahren lief das Kreislaufsystem bei Godelmann im Hintergrund ab. Heute kommuniziert das Unternehmen das zirkuläre Modell stolz nach außen – und das zahle sich aus: „Immer mehr Architekturund Planungsbüros kommen direkt auf uns zu, weil sie sich Pflastersteine mit einem großen recycelten Anteil wünschen.“ Godelmann empfiehlt daher auch anderen Betrieben, bereits bei der Produktentwicklung mitzudenken, wie sich ein Produkt später zerlegen und wiederverwerten lässt. Denn die Kreislaufwirtschaft könne ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.
Tobias Hornauer, Referent Umwelt bei der IHK, bestätigt: „In nahezu allen verarbeitenden Unternehmen ist die Kreislaufwirtschaft ein relevantes Thema.“ Das zeige auch die Circular Economy Umfrage des Dachverbands DIHK aus 2024. Deutschlandweit haben daran etwa 2.000 Unternehmen teilgenommen. Mehr als die Hälfte der Firmen beschäftigen sich bereits mit der Kreislaufwirtschaft und haben Maßnahmen etabliert. Weitere 20 Prozent planen, das in naher Zukunft zu tun. „Das zeigt: Viele Unternehmen wollen Vorreiter sein. Sobald aber ein Produkt hergestellt ist, lässt sich nicht mehr viel drehen“, betont Hornauer. Betriebe müssten sich daher frühzeitig mit der Produktkonzeption beschäftigen.
Mineralische Abfälle aufbereiten
Die MAV Kelheim GmbH treibt seit über 25 Jahren die Kreislaufwirtschaft in der Region voran. Der Entsorgungsfachbetrieb bereitet mineralische Abfälle wie Erdaushub, Gleisschotter und Bauschutt auf, um mineralische Ersatzbaustoffe für die Bauwirtschaft bereitzustellen. Auch Abfälle aus Industrieprozessen, beispielsweise Hausmüllverbrennungsasche, werden in Kelheim zu Sekundärrohstoffen aufbereitet. „Mineralische Abfälle sind häufig werthaltige Materialströme. Aus der Aufbereitung unserer Hausmüllverbrennungsasche separieren wir zum Beispiel Schrotte, die in Stahlwerken benötigt werden“, erklärt Geschäftsführerin Mirjam Rauch. Mit dieser Arbeit trägt die MAV Kelheim zur Ressourcenschonung und CO²-Reduktion bei. Die Bauwirtschaft ist für über die Hälfte des Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich. Der Rohstoffbedarf in dieser Branche ist hoch. Zugleich werden bei der Herstellung von Baustoffen Treibhausgase ausgeschüttet.
„Unsere Ersatzbaustoffe müssen strengen Prüfvorgaben entsprechen“Mirjam Rauch, MAV Kelheim GmbH
„Durch die Aufbereitung mineralischer Abfälle und Herstellung mineralischer Ersatzbaustoffe können wir das Abfallaufkommen deutlich vermindern und den Verbrauch primärer Rohstoffe reduzieren. Zudem legen wir mit unserer Schienenund Hafenanbindung einen hohen Wert auf die Entwicklung nachhaltiger Logistikmodelle in der Kreislaufwirtschaft“, sagt Rauch. Dennoch steht die MAV Kelheim auch Herausforderungen gegenüber. Ersatzbaustoffe stoßen oft auf Skepsis, noch fehlt die Akzeptanz vieler Verwender, meint Rauch: „Unsere Ersatzbaustoffe müssen strengen Prüfvorgaben entsprechen.“ Zusätzlich sind die gesetzlichen Anforderungen hoch: Die Ersatzbaustoffverordnung sieht beispielsweise ein zertifiziertes Prüfund Abnahmeverfahren durch anerkannte Prüfstellen vor. Auch der Einsatz von Ersatzbaustoffen ist mit umfangreichen Vorschriften verbunden. „Wir sehen darin eine Chance und setzen uns daher kontinuierlich mit den Gesetzen und Vorschriften auseinander. Wir gehen proaktiv auf den Markt zu und klären auf“, ergänzt Rauch.
Fachkräfte fehlen
Hornauer von der IHK kennt die Hürden: „Die Ziele der Politik sind sehr ambitioniert und für Unternehmen oft schwer umzusetzen.“ Außerdem fehlen in vielen Betrieben Fachkräfte, die zirkuläre Modelle vorantreiben können: „Wir brauchen Menschen mit Know-how, damit Wertstoffe in einem Kreislauf geführt werden können.“ Auch die MAV Kelheim GmbH widmet sich der Aufgabe, Fachkräfte zu finden. „Viele Menschen wissen nicht, was sich hinter der Abfallwirtschaft verbirgt“, vermutet Rauch. „Wir haben ein spannendes Arbeitsumfeld zu bieten.“ Um junge Menschen für die Branche zu begeistern, arbeitet die MAV Kelheim GmbH eng mit der IHK sowie Hochschulen zusammen und organisiert zum Beispiel Betriebsbesichtigungen für Auszubildende und Studierende.
Autorin: Iris Jilke