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Der Weg zum Medizinprodukt ist komplex
Dr. Thomas Diefenthal ist Geschäftsführer der BioPark Regensburg GmbH – dem Zentrum des Life Science & Healthcare-Clusters BioRegio Regensburg. 1999 ging der BioPark als Unternehmen der Stadt Regensburg mit seinem ersten Laborgebäude in Betrieb. Heute ist er ein zentraler Player im Bereich der Gesundheitswirtschaft in Ostbayern und gehört zu den interessantesten Biotech-Standorten Deutschlands. 66 Firmen mit knapp 5.700 Mitarbeitenden sind in der Region im Bereich der sogenannten Lebenswissenschaften tätig. Der BioPark gilt in vielen Bereichen als Vorreiter bei der Förderung der Biotechnologie, Medizintechnik, Diagnostik und Analytik sowie der Gesundheitswirtschaft vor Ort.
Herr Dr. Diefenthal, was ist das Besondere an einem eigenen Park für die Lebenswissenschaften und was ist der Unterschied zu einem Gründerzentrum?
Dr. Thomas Diefenthal: Blühende Landschaften in politischen Aussagen entstehen sehr schnell. Doch in der Biotech-Realität ist das nicht ganz so einfach. Hier sind Forschungsstätten und -labore notwendig, die Gründerzentren in der Regel nicht vorhalten. Die Entwicklung eines Medikaments benötigt Jahre und kostet viel Geld. Und selbst wenn die erste Gründungsphase erfolgreich durchlaufen wurde – wohin sollen junge Unternehmen zum weiteren Wachstum mit ihrem Laborbedarf umziehen? Der Standort muss also in der Lage sein, die unterschiedlichen Entwicklungsphasen der Firmen – von der Gründung bis zur Produktion – mit der erforderlichen Infrastruktur so weit wie möglich abzubilden.
Das leistet der BioPark?
Wir bieten als verlängerter Arm der Wirtschaftsförderung für Start-Ups subventionierte kleine Labore an, während produzierende Konzerne für ihre Großlabore bei uns marktübliche Preise bezahlen. Mit dieser Strategie schreiben wir schwarze Zahlen und sind damit nachhaltig finanziert – nur für den Bau der drei BioPark-Gebäude wurden Fördergelder von Stadt, Land, Bund und der EU verwendet. Neben der nötigen Infrastruktur ist eine weitere Aufgabe des BioParks die Frage: Kennen Sie Ihre Nachbarn? Denn während die meisten Akteure in Wissenschaft und Wirtschaft weltweit vernetzt sind, wissen sie meist recht wenig, was sich in der Region selbst tut oder wer der Nachbar im Haus beziehungsweise im Cluster ist.
Vernetzung vor Ort ist demnach sehr wichtig?
Ja, das ist es. Wir konnten sehr viel regionales Potenzial heben, neue Projektpartner identifizieren und auf bisher eher unbekannte oder neue Player aufmerksam machen – wie etwa das noch nicht lange existierende, hier ansässige Leibniz-Institut für Immuntherapie. Wir bringen die regionalen Akteure zusammen und sorgen für Information und Vernetzung in der Biotechnologieregion Ostbayern. Im Ergebnis entstehen gemeinsame Projekte oder Initiativen, zum Beispiel wie man zusammen dem Fachkräftemangel in der Branche begegnen kann. Wir versuchen außerdem, die Akteure zu bewegen, sich unter einem Dach, etwa am Bayerischen Gemeinschaftsstand auf einer Messe oder am „Regensburger“ Stand auf einer Jobbörse, zu präsentieren. Das erleichtert es Kunden, Kooperationspartnern oder potenziellen Bewerbern, sich zu orientieren und ein attraktives Gesamtbild des Standorts zu erhalten.
Der BioPark umfasst ein sehr breites Spektrum an unterschiedlichen Geschäftsfeldern und Disziplinen. Warum?
Wir lassen regelmäßig Standortanalysen durchführen, die uns vor 25 Jahren bereits gesagt haben, dass die Biotechnologie und Pharmabranche allein zu wenig kritische Masse für einen erfolgreichen Cluster in der Region bieten. Deshalb haben wir schon früh die Lifesciences um Medizintechnik, Diagnostik und Analytik hinzugenommen. Zuletzt haben wir den Cluster mit der Gesundheitswirtschaft erweitert und damit die fünf Kliniken vor Ort an Bord geholt. Wir decken jetzt in der Region die komplette Wertschöpfungskette ab – von der Forschung an den Regensburger Hochschulen über die Produktentwicklung im BioPark bis hin zur Anwendung beim Arzt oder im Krankenhaus.
Bei manchen Firmen in der Region macht der Gesundheitspart nur einen Teilbereich des Gesamtgeschäfts aus. Haben Sie Beispiele?
Es gibt beispielsweise einen Glashersteller aus der Industrie, der sich eine neue Sparte in der Medizintechnik aufgebaut hat und etwa in großer Anzahl Glas-Ampullen für die Abfüllung des Corona-Impfstoffes lieferte. Aus dem Chemiebereich stammt eine Firma, die einen antimikrobiellen Lack entwickelt hat, der nahezu alle Bakterien abtötet – also auch multiresistente Keime auf allen Oberflächen von der Türklinke bis zur Computertaste im OP.
Was sind die Vorteile der Region Regensburg mit Blick auf die Gesundheitsbranche?
Ein Vorteil ist, dass die nächstgelegenen größeren Städte weit weg sind – und damit der Einzugsbereich und das Potenzial mit etwa 2,6 Millionen Menschen in der Region sehr groß. Regensburg ist für alle Dienst-und Kulturleistungen in der Oberpfalz ein regelrechter Magnet, auch für die Gesundheitswirtschaft. Nach dem Motto „klein aber fein“ bietet die Stadt kurze Wege und übersichtliche Strukturen mit direkten Ansprechpartnern. Das ist ein unschätzbarer Vorteil im Vergleich zu Metropolregio-nen wie etwa München oder Berlin, die sich nicht selten mit innerregionaler Konkurrenz oder langen Entscheidungsprozessen beschäftigen müssen.
Welche Zukunftsthemen haben in der Gesundheitswirtschaft Potenzial?
Es gibt noch viele Möglichkeiten im Bereich der Nachhaltigkeit, etwa wenn ich an die Plastikverbräuche in der Gesundheitsbranche denke oder insgesamt die Reduktion der Volumina in der Diagnostik. Der BioPark wird auch künftig neue Forschungsergebnisse unterstützen, zum Beispiel im Kampf gegen den Krebs, bei der Früherkennung von Krankheiten oder bei der Entwicklung neuer Assistenzsysteme in der Pflege.
Das Interview führte Alexandra Buba.