Titel - Ausgabe Juli 2023

Monolith oder Mälzerei

Dass Architektur das Erscheinungsbild eines Ortes maßgeblich prägt, ist kein Geheimnis. Doch wie lässt sich mit alter Substanz oder innerhalb traditionell dörflicher Optik überzeugend Neues schaffen? Zwei Beispiele.
Wer zum ersten Mal nach Blaibach im Bayerischen Wald kommt, kann leicht das Gefühl haben, auf einmal in einer ganz anderen Welt gelandet zu sein: Mitten im alten Dorfkern zwischen traditionell errichteten Wohngebäuden, einem alten Krämerhaus und der Zwiebelturmkirche wächst im Hintergrund ein auf den ersten Blick kubischer Körper aus dem Boden. Der Monolith, der den Blick nicht loslässt, ist das 2014 errichtete, futuristisch anmutende Konzerthaus der 2.000-Seelen-Gemeinde. Es ist nun „ortsbildprägend“, wie die Architekten sagen – und zieht durch seine auffallende Besonderheit unterschiedliche Besuchergruppen an.
Monika Bergmann, Gemeinde Blaibach
„Es gab die vielfältigsten Möglichkeiten und Ideen auch von den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen eines eigenen Workshops, was aus dem Areal in der Ortsmitte entstehen kann“, erinnert sich Monika Bergmann, Bürgermeisterin von Blaibach. Es waren Architekt Peter Haimerl und Thomas E. Bauer, der heutige Intendant und besonderer Fan alter Waidlerhäuser, die ein ungewöhnliches Konzept präsentierten. Schließlich wurden nicht nur die Blaibacherinnen und Blaibacher, sondern auch der Freistaat Bayern von der Idee überzeugt, ein Konzerthaus mitten auf dem Land zu bauen. Dass das nicht irgendein Konzerthaus sein konnte, verstand sich von selbst, und so entstand es in modernster Form, mit aufsehenerregender Akustik und dennoch inspiriert von dem, was dort früher einmal gestanden hatte. „Der Monolith war für viele von Anfang an faszinierend – auch für die höheren Stellen“, so Monika Bergmann.
Blaibachs Bevölkerung stand dem Projekt zunächst zweigeteilt gegenüber. So wurden zwei Bürgerbegehren dagegen angestoßen, für die die jetzige Bürgermeisterin heute Verständnis hat, war doch kurz zuvor erst das örtliche Freibad aus Kostengründen geschlossen worden. „Die Leute haben sich wahrscheinlich gefragt, wo der Mehrwert eines solchen Konzerthauses für Blaibach ist“, sagt sie. Ein Jahrzehnt später wird er sichtbar, in Form von insgesamt rund 75 Konzerten im Jahr, ein Drittel davon von der Gemeinde als Veranstaltungen mit überwiegend regionalem Charakter organisiert und zwei Drittel als hochrangige Klassikkonzerte, die Intendant Bauer initiiert. „Die Weltstars der Klassik und die Gäste kommen in unser Haus aufgrund der einmaligen Akustik und des herausstechenden Flairs. Ebenso ist man den Künstlerinnen und Künstlern kaum irgendwo so nahe wie bei uns“, erklärt Bergmann.

Bierbrauen oder Co-Worken

Vielleicht etwas weniger Strahlkraft in die überregionale Sphäre, aber dafür eine immense Sogwirkung auf Künstlergruppen, Firmen und Vereine übt die neue Alte Mälze in Lauterhofen im Landkreis Neumarkt aus. Und auch hier ist die Architektur dafür verantwortlich. „Orte erhalten sich ihre Identität über ihre historischen Gebäude“, erklärt Architekt Rico Lehmeier vom Architekturbüro Berschneider + Berschneider aus Neumarkt. „Deshalb haben wir bei der Kernsanierung des historischen Mälzerei-Gebäudes aus dem 16. oder 17. Jahrhundert darauf geachtet, die Qualitäten der früheren Bauweise herauszustellen.“
Rico Lehmeier, Architektenbüro Berschneider + Berschneider
Der heutige Zustand bewahrt den ursprünglich rauen Charakter des eigentlich schlichten Nutzgebäudes. Dazu legte man bei der Sanierung möglichst viel Historisches offen: Wände wurden vom Putz befreit, Balken freigelegt. „Auch wenn wir zum Beispiel den Boden in einem Veranstaltungsbereich abgesenkt haben, bleiben die alten Raumstrukturen trotzdem ablesbar“, erklärt der Architekt. Innen wie außen gibt es unebene, teils gewölbte Wände und Oberflächen. Balken verlaufen eigenwillig zueinander, ein altes Bierfass, das heute als Waschbecken dient, erinnert an die frühere Nutzung.
Gedacht für kulturelle Veranstaltungen, Jugendtreffs, Versammlungen und private Feiern steht die neue Alte Mälze heute auch Künstlern und Firmen offen, die das historische Gebäude als Ausstellungsraum oder als Co-Working-Space vielfältig nutzen können. Der Gewölbekeller dient als Werkstatt für Workshops, das Erd- und Obergeschoss sowie die Galerie bieten sich für Seminare, Vorträge, Lesungen, Kabarett und Empfänge an. Das Erdgeschoss des ehemaligen Mälzerei- Turms wurde sogar zur Lounge. Die gibt es freilich auch andernorts, aber nicht so wie in Lauterhofen: Hier ist es die Art der Architektur, die die besondere Attraktivität ausmacht. Früher hat man qualitätsvoll gebaut, wert- und nachhaltige Materialien verwendet. Dass man dies hier sieht und spürt, war unser Ziel“, so Lehmeier.

Autorin: Alexandra Buba