Titel - Ausgabe März 2023

Nachwuchskräfte von morgen begeistern

Indem Unternehmen ausbilden, sichern sie sich qualifizierte Fachkräfte für die Zukunft. Doch auch im Azubi-Recruiting sind außergewöhnliche Ideen gefragt, um junge Menschen für eine Ausbildungsstelle in Industrie, Handel oder Dienstleistungen zu überzeugen.
Die HAIX Group setzt beim Nachwuchs schon seit einigen Jahren auf ungewöhnliche Recruiting-Methoden: Statt die jungen Bewerberinnen und Bewerber zu einem klassischen Vorstellungsgespräch oder in Assessment Center zu laden, organisiert der Spezialist für Hightech- und Funktionsschuhe jährlich „Adventure Days“. Die Idee dazu entstand vor mehr als zehn Jahren. „Unsere Produkte stehen für Abenteuer und Herausforderungen. Und das sollte auch unser Recruiting widerspiegeln“, sagt Graça Sampaio, Head of People, Culture & Development. Das mittelständische Unternehmen mit Hauptsitz in Mainburg sowie weiteren Standorten weltweit bietet eine große Bandbreite an Ausbildungsberufen an – von Industriekaufleuten über spezielle Handwerksberufe wie den „Schuhfertiger“ bis hin zu verschiedenen IT-Berufen.
Graca Sampaio von der HAIX Group
Auf einem viertägigen Kurztrip haben die Jugendlichen bei den „Adventure Days“ die Chance, ihre Fähigkeiten und Motivation unter Beweis zu stellen. Ob beim gemeinsamen Floßbau oder bei Abseilübungen – die jungen Bewerber müssen zeigen, dass sie lösungsorientiert denken und im Team arbeiten können. „Hier merken wir schnell, was die Stärken und Schwächen der Jugendlichen sind und wie sie zum Beispiel in Stresssituationen reagieren“, verrät Jennifer Heller, HR Business Partner, Bereich Produktion & Young Professionals. Ein weiterer Pluspunkt: Die Auszubildenden lernen sich während der „Adventure Days“ untereinander gut kennen, entwickeln ein „Wir-Gefühl“ und kommen bereits als Team im ersten Ausbildungsjahr an.

Recruiting über alle Kanäle hinweg

Um die jungen Menschen für das Unternehmen zu begeistern, setzt die HAIX Group auf eine crossmediale Ansprache. Plakate, Internetseite oder Social Media – Kampagnen werden meist über alle Kanäle hinweg gespielt. Aktuell wirbt HAIX mit der Kampagne „Digital Junkie“ und verfolgt damit einen sehr individuellen Ansatz: Statt Bewerbungsunterlagen einzureichen, werden vor allem die „Youngsters“ mit der Kampagne aufgefordert, zunächst ihre Interessen zu verraten. „Wir wollen wissen: Was fasziniert die Bewerberinnen und Bewerber und was macht sie aus“ erklärt Jennifer Heller. „Auf dieser Basis suchen wir dann nach einem passenden Berufsbild im Unternehmen.“
Jennifer Heller von der HAIX Group
Künftig wolle der Bereich People, Culture & Development die Aktivitäten in den sozialen Medien weiter ausbauen. Vor allem die Unternehmenskultur soll mehr in den Fokus rücken. „Wir wollen auch über Social Media transportieren, was uns wirklich auszeichnet“, sagt Heller. Facebook sei mittlerweile nicht mehr der richtige Kanal, um potenzielle Auszubildende anzusprechen. Deshalb sei das Unternehmen auf der Suche nach passenden Formaten, mit denen die HAIX Group noch aktiver mit den Bewerberinnen und Bewerbern interagieren könne. Auch seine Auszubildenden will das Unternehmen dazu ins Boot holen und bei einem Veranstaltungstag Einblicke bei HAIX geben. Die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien schließlich „authentische Influencer“, fügt Sampaio hinzu.

Persönlicher Austausch entscheidend

Wie wichtig die sozialen Medien heute sind, weiß auch Anke Schröter, Ausbildungsleiterin bei der Dehn SE in Neumarkt. Was für sie im Azubi-Recruiting jedoch noch ausschlaggebender sei, ist der direkte Kontakt – sowohl zu den Jugendlichen als auch zu den Eltern, Lehrerinnen und Lehrern. „Klar nutzen wir auch soziale Medien – zum Beispiel Instagram und Facebook, um Veranstaltungen wie unseren Tag der offenen Tür zu bewerben. Aber dann versuchen wir, möglichst schnell in den persönlichen Austausch zu kommen“, erzählt Schröter.
Darüber hinaus sei eine enge Vernetzung entscheidend – mit anderen Ausbildungsbetrieben in der Region, aber auch mit den umliegenden Schulen. „Wir unterstützen Berufswahlseminare, geben Bewerbertrainings und bieten Praktika bei uns im Unternehmen“, sagt Schröter. „Vor allem unsere Azubis sind dabei sehr aktiv.“ So seien diese auch als Ausbildungsbotschafter an verschiedenen Schulen im Landkreis Neumarkt unterwegs, um das Interesse der Schülerinnen und Schüler für technische Berufe zu wecken.
Anke Schröter von Dehn SE
Die Ausbildung sei seit Jahrzehnten ein Aushängeschild des Unternehmens, betont Schröter. „Wir haben das Glück, dass wir immer gute Azubis haben, die sehr schnell eingearbeitet sind und immer wieder durch hervorragende Prüfungsergebnisse hervorstechen.“ Das sei eine wichtige Voraussetzung, um auch zukünftig junge Menschen für die Ausbildung bei Dehn zu begeistern. Empfehlungen der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führten in der Vergangenheit oft dazu, dass der Spezialist für Blitzschutz, Überspannungsschutz und Arbeitsschutz neue Auszubildende gewinnen konnte.
Bereits seit vergangenem Herbst seien die Ausbildungsverträge für das Ausbildungsjahr 2023 unterschrieben. Doch damit endet der Recruitingprozess bei Dehn noch nicht, ergänzt Schröter: „Wir bleiben weiterhin mit den zukünftigen Auszubildenden in engem Kontakt.“ In einigen Wochen folge zum Beispiel eine Austauschrunde per Video-Call. Bei einer Onboarding-Party haben die Jugendlichen außerdem die Gelegenheit, sich untereinander sowie ihre Patinnen und Paten kennenzulernen, die sie während der Startphase im Unternehmen begleiten. Die Auszubildenden aus dem zweiten und dritten Lehrjahr nähmen den zukünftigen Azubis die Nervosität und stünden ihnen bei Fragen zur Seite.
Eine persönliche Bindung zu den Jugendlichen aufzubauen, empfiehlt auch Ute Schwarz, Teamleiterin Ausbildungsberatung bei der IHK Regensburg: „Die Ansprüche sind heute höher und natürlich können die Jugendlichen sich das auch erlauben. Denn sie haben wesentlich mehr Stellen zur Auswahl als noch vor ein paar Jahrzehnten.“ Regelmäßige Feedback-Gespräche während der Ausbildung seien daher wichtig, um Abbrüche zu verhindern.

Berufliche Perspektive aufzeigen

Die meisten Firmen in der Region suchen händeringend nach Fachkräften. Die Übernahmequoten für Auszubildende seien deswegen überall hoch. Diese berufliche Perspektive müssten die Firmen schon im Bewerbungsprozess aufzeigen, betont Schwarz. Vor allem der persönliche Entwicklungsweg sei für junge Menschen ein entscheidendes Auswahlkriterium: „Welche Aufstiegs- und Fortbildungsangebote gibt es? Werden Zusatzqualifikationen oder ein Auslandsaufenthalt angeboten?“
Die Firmen müssen den Jugendlichen außerdem eine Ausbildung bieten, die auf dem neuesten Stand ist, empfiehlt Schwarz weiter: „Digitalisierung spielt heute eine wichtige Rolle. Manche Firmen stellen den Auszubildenden daher digitales Ausbildungsmaterial zur Verfügung.“ Auf einem Tablet könnten die Azubis zum Beispiel kurze Videos zu bestimmten Arbeitsabläufen ansehen.
Daneben können die Firmen mit weiteren Anreizen punkten. Einige Betriebe lobten beispielsweise einen Azubi des Monats aus, so Schwarz. Diese Auszeichnung sei meist mit einem Leistungsbonus verbunden. In anderen Unternehmen könnten sich die Auszubildenden bereits über einen Firmenwagen, ein Handy, ein Tablet oder kostenlose Fitnessstudiobesuche freuen. Auch eine übertarifliche Bezahlung während der Ausbildung sei keine Seltenheit mehr. „Firmen müssen sich heute etwas einfallen lassen, um sich am Markt zu behaupten“, rät Schwarz. Starterprämie als Anreiz
Richard Gleißner von der TGW Software Services GmbH
Auch der Intralogistik-Spezialist TGW, der hochautomatisierte Logistikzentren auf der ganzen Welt errichtet, lockt mit einem ungewöhnlichen Angebot und hebt sich damit von anderen Ausbildungsbetrieben ab. 1.500 Euro Starterprämie verspricht das Unternehmen aus Teunz im Landkreis Schwandorf den zukünftigen Auszubildenden. Diesen Bonus erhalten die Jugendlichen nach der Probezeit. „Wir wollen zunächst einen Anreiz schaffen, damit sich die Jugendlichen überhaupt bei uns bewerben“, erklärt Ausbildungsleiter Richard Gleißner. „Wenn sie erst einmal bei uns im Vorstellungsgespräch sitzen, können wir sie von den Vorteilen einer Ausbildung bei TGW überzeugen.“ Um die Ausbildungsqualität hoch zu halten, bildet das Unternehmen seine Ausbilderinnen und Ausbilder kontinuierlich weiter und führt laufend innovative Lernmethoden ein.

Mit sozialem Engagement überzeugen

Auch als Stiftungsunternehmen kann TGW bei den Bewerberinnen und Bewerbern punkten: Zehn Prozent des Gewinns werden gemeinnützigen Projekten zur Verfügung gestellt, die die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen in den Fokus rücken. Darauf lege die junge Generation heute Wert, ist sich Gleißner sicher: „Viele von ihnen fragen schon im Vorstellungsgespräch nach sozialen Projekten und Aspekten wie Nachhaltigkeit.“ Zudem sei den Bewerberinnen und Bewerbern genügend Freizeit wichtig. „Deshalb trennen wir Ausbildungszeit und Freizeit ganz klar. Unsere Azubis müssen nach der Arbeit oder am Wochenende nicht noch zusätzlich für ihre Ausbildung lernen“, ergänzt Gleißner. Das komme bei den Jugendlichen sehr gut an.
Gleißner ist außerdem überzeugt: Oftmals lohne es sich, Mut zu haben und auch schwächeren Bewerberinnen oder Bewerbern eine Chance zu geben. Damit habe er inzwischen gute Erfahrungen gemacht. Natürlich müssten bestimmte Kriterien erfüllt sein. Doch eine gute Förderung während der Ausbildung könne sicherstellen, dass auch schwächere Azubis in der Berufsschule mithalten und die Ausbildung erfolgreich absolvieren können.

Jetzt anmelden: AusbildungsScouts

Botschafter auf Augenhöhe – das ist das Erfolgskonzept des bayernweiten IHK-Projekts der AusbildungsScouts, bei dem Azubis direkt in den Vorabgangsklassen allgemeinbildender Schulen über ihren Ausbildungsberuf berichten. Die Schülerinnen und Schüler erhalten so ein authentisches Bild der Beruflichen Bildung und lernen ganz nebenbei den Ausbildungsbetrieb als Arbeitgeber kennen. Unternehmen können maximal zwei Auszubildende mit unterschiedlichen Berufsbildern zum Projekt anmelden. Im Bezirk der IHK Regensburg sind aktuell 86 AusbildungsScouts aus 47 unterschiedlichen Ausbildungsbetrieben im Einsatz.

Infos und Anmeldung: www.ihk-ausbildungsscouts.de

Autorin: Iris Jilke