Welche Trends in der Personalgewinnung sollten Unternehmen derzeit kennen?
Prof. Dr. Carina Braun: Mir fallen vor allem zwei Trends ein. Erstens sollten Unternehmen ihre Recruiting-Maßnahmen heute tracken und optimieren: Welche Kanäle funktionieren wirklich? Was ist den gesuchten Personengruppen wichtig? Wie lange brauchen wir für unser Recruiting? Ein zweiter wichtiger Trend ist das Talent Relationship Management: Wie können Unternehmen den Kontakt zu potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pflegen? Immer mehr Unternehmen bauen heute bereits sogenannte Talent Pools – also Netzwerke an potenziellen Talenten – auf. Und das ist durchaus sinnvoll. Eine unserer Studien zeigt, dass es sich lohnt, mit potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kontakt zu bleiben.
Wie können Betriebe vorgehen, um solche Talent Pools aufzubauen?
Es gibt zunächst viele Möglichkeiten, auf Talente zu treffen: Konferenzen, Online-Stammtische oder Projekte mit Hochschulen. Auch Praktika sind eine Gelegenheit, um junge Menschen kennenzulernen, die gerade ins Berufsleben starten. Diese Kontakte gilt es dann, mit passenden Maßnahmen zu pflegen.
Wie entwickeln Arbeitgeber eine Recruiting-Strategie, die zur Firma passt?
Zunächst sollten sie sich ein Bild davon machen, wie ihre unternehmerischen Pläne konkret aussehen und welche Personen sie brauchen, um die Ziele zu erreichen. Ist die Zielgruppe bekannt, sollten sich die Unternehmen folgende Fragen stellen: Über welchen Kanal finden wir diese Personen? Und welche Inhalte interessieren sie? Dazu gehört eine gewisse Portion Neugier, denn die Unternehmen müssen sich bewusst mit der Personengruppe auseinandersetzen. In der Stellenbeschreibung sollten sie dann individuell darstellen, wen sie suchen und was sie der entsprechenden Zielgruppe bieten können.
Welchen Stellenwert hat die Ausbildung für ein Unternehmen?
Die Ausbildung ist für Unternehmen ein strategisch wichtiges Element. Sie müssen sich damit beschäftigen, welche Personen zu ihnen passen. Außerdem müssen sie ihre Ausbildungsinhalte und all ihre Aktivitäten im Rahmen einer Ausbildung darauf ausrichten, was sie in Zukunft brauchen. Unternehmen bilden aus, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt qualifiziertes Personal im Unternehmen beschäftigen und langfristig ihren Bedarf an Fachkräften sichern können.
Über welche Kanäle können Ausbildungsbetriebe Jugendliche erreichen?
Bei dieser sehr jungen Zielgruppe spielen die Ansprache über die Schulen und der Kontakt zu den Eltern eine wichtige Rolle. Auch Ausbildungsmessen funktionieren gut, da sich junge Menschen zuerst über Berufe informieren möchten. Eine weitere Möglichkeit sind Mitarbeiterempfehlungsprogramme. Dabei können die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Personen empfehlen, die auf eine offene Stelle passen. Kommt der Vorschlag an und die Stelle wird besetzt, erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Prämie. Vor allem bei Positionen, die schwierig zu besetzen sind, funktionieren solche Empfehlungsprogramme gut. Das Konzept lässt sich sicherlich auch auf Azubis übertragen.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien im Azubi-Recruiting?
Junge Menschen nutzen diesen Kanal nicht in erster Linie, um sich über Stellen zu informieren. Aber Unternehmen können sich hier als Arbeitgeber präsentieren. Wenn ein Unternehmen soziale Medien bedient, muss es sich genau überlegen, welche Inhalte sinnvoll sind. Natürlich können Unternehmen eine Stellenanzeige posten, aber diese Kanäle geben so viel mehr her. Wichtig ist, dass die Inhalte, die die Firma veröffentlicht, kurz und einprägsam sind.
Wie können Firmen ihre Azubis nach Abschluss der Ausbildung halten?
In einer gemeinsamen Studie mit der IHK und der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz haben wir herausgefunden, dass die berufliche Perspektive ein wichtiger Bindungsfaktor ist. Wichtiger als einzelne Benefits, mit denen die Unternehmen sich sowieso nicht mehr unbedingt von anderen Arbeitgebern abgrenzen können. Die jungen Menschen möchten wissen, wohin die Reise für sie geht. Darin sehen wir noch Nachholbedarf.
Wie können Unternehmen hier ansetzen?
Ein erster Schritt wäre, das Gespräch zu suchen und den Auszubildenden zu fragen, wie er sich die weitere Entwicklung vorstellt. Gleichzeitig müssen die Unternehmen ehrlich darüber sprechen, welche Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten es tatsächlich gibt. Ansonsten kann es sein, dass sich die Azubis für einen anderen Betrieb oder ein Studium entscheiden.
Das Gespräch führte Iris Jilke.