Titel - Ausgabe Januar 2024

„Jedes Unternehmen kann die Energiewende schaffen.“

Prof. Dr.­Ing. Markus Brautsch von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden erstellt mit seinem Team am Institut für Energietechnik Transformationskonzepte, die Unternehmen dabei helfen, klimafreundlich und energiesparend zu produzieren.
Deutschland soll bis 2040 klimaneutral werden. Dafür sind auch gewaltige Anstrengungen bei den Unternehmen nötig. Ist das überhaupt zu schaffen?
Prof. Dr.-Ing. Markus Brautsch: Ja, das ist möglich. Der Wille bei den Firmen ist da und die technischen Instrumente auch. Wir erstellen mit unserem Team schon seit 25 Jahren Transformationskonzepte, die für jedes Unternehmen individuell aufzeigen, wie es effizienter und klimafreundlicher produzieren kann. Wobei die meiste Arbeit im ersten Jahr mit der Analyse der Energieverbräuche in der Firma und mit der Erstellung des Transformationskonzepts anfällt.
Prof. Dr.-Ing. Markus Brautsch, OTH Amberg-Weiden
Wie gehen Sie bei der Erstellung der Transformationskonzepte vor?
Wir schauen uns jedes Unternehmen ganz genau an. Wir vermessen zum Beispiel einzelne thermische oder elektrische Verbraucher oder Lastgänge. Danach kennen wir das Unternehmen so gut, dass wir einen digitalen Zwilling davon erstellen können. Der zweite Schritt ist, Effizienzsteigerungspotenziale zu nutzen, das kann etwa die Abwärme sein. Oder wir stellen Prozesse so um, dass sie effizienter werden oder dass sie Energie genau dann verbrauchen, wenn diese gerade günstig ist. Im dritten Schritt schauen wir, wie die benötigte Energie am klimafreundlichsten und kostengünstigsten produziert werden kann: Mit PV-Anlagen am Dach oder einer Freiflächenanlage in der nahen Umgebung? Mit einem eigenen Windkraftwerk? Mit Biomasse? Da gibt es für jedes Unternehmen andere Voraussetzungen.
Eine besondere Herausforderung ist, Alternativen zum Erdgas für die Wärmeversorgung der Firmen zu finden. Welche Lösungen haben Sie hierfür?
Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, Strom und Wärme getrennt zu betrachten. Mithilfe von Sektorenkopplung ist es heute möglich, aus Strom Wärme zu machen und umgekehrt. Je nach Bedarf.
Prof. Dr.-Ing. Markus Brautsch, OTH Amberg-Weiden
Ein Beispiel: Ich habe eine große PV-Anlage auf dem Dach. Manchmal brauche ich aber gar nicht den ganzen Strom, den diese liefert. Dann kann es sinnvoll sein, diesen entweder in Form von Wasserstoff für später zu speichern oder in Wärme umzuwandeln. Es kann aber auch sinnvoll sein, eine elektrisch betriebene Dampferzeugungsanlage einzurichten, mit der ich Dampf für meine Dampfkessel produzieren kann, um nicht mehr von Erdgas abhängig zu sein. Wir setzen bevorzugt auf Kraft-Wärme-Kopplung, Abwärmenutzung, Biomasse, elektrifizierte Wärmeprozesse oder Hochtemperaturwärmepumpen. Die Wärmenutzung ist immer integriert in die Sektorenkopplung.
Das scheint recht komplex zu sein…
Jedes Unternehmen ist verschieden und hat unterschiedliche Energiebedarfe. Wichtig ist ein ausgeklügeltes, auf das Unternehmen individuell zugeschnittenes Konzept – zusammen mit passgenauen Investitions- und Maßnahmenplänen, für die dann gleich die entsprechenden Förderanträge gestellt werden.
Was sind die Beweggründe der Unternehmen?
Viele Unternehmen haben spätestens mit der Energiekrise im Frühjahr 2022 die Notwendigkeit eines Umsteuerns erkannt. Vielen ist es auch ein persönliches Anliegen, das Klima zu schützen. Und das Schöne ist, dass das eine Hand in Hand mit dem anderen geht. Also, dass selbst erzeugter Strom aus erneuerbaren Quellen sowohl klimafreundlich als auch günstig ist. Eine Kilowattstunde selbst erzeugter PV-Strom kostet zum Beispiel vier, fünf Cent pro Kilowattstunde. Der Strom aus der Steckdose um die 30 Cent pro Kilowattstunde. Und das Unternehmen ist dann autark von den Börsenpreisen.
Das hört sich alles gut an. Warum geht es dann bei der Energiewende nicht schneller?
Prof. Dr.-Ing. Markus Brautsch, OTH Amberg-Weiden
Woran es hapert, ist die schnelle Umsetzung der Maßnahmen. Da blockiert sehr oft die überbordende Bürokratie. Genehmigungsverfahren, etwa bei der Einrichtung von PV-Freiflächenanlagen sind immer noch sehr zäh und langwierig. Das dauert schon mal drei, vier Jahre. Und bei Windkraftanlagen dauert es noch länger, bis die Anlage steht.
Dazu kommen oft unsinnige Vorgaben, die Bemühungen der Unternehmen ausbremsen. Manche Unternehmer sind daran schon verzweifelt und machen jetzt gar nichts mehr. Generell braucht man schon sehr viel Geduld und Durchhaltefähigkeit. Das sollte so nicht sein. Zudem macht sich auch in unserem Bereich der Fachkräftemangel bemerkbar. Immer weniger junge Menschen studieren technische Fächer, obwohl wir für die Energiewende so dringend gute Leute brauchen.

Das Gespräch führte Dr. Julia Egleder.