Die Energiewende in ihrer aktuellen Ausgestaltung führt langfristig zu massiven Kostenbelastungen für Unternehmen und Haushalte, die mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nur schwer vereinbar sind. Das zeigt ei[1]ne aktuelle Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Frontier Economics im Auftrag der DIHK. Danach müssten bei Fortführung der aktuellen Energiepolitik die jährlichen privaten Investitionen in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr deutlich steigen – von rund 82 Milliarden Euro im Mittel der Jahre 2020 bis 2024 auf mindestens 113 bis 316 Milliarden Euro im Jahr 2035.
Hohe Energiesystemkosten belasten Unternehmen
Durch die Energiewende werden auch die Energiesystemkosten in den nächsten Jahren stark zunehmen. Dazu zählen neben Investitionen in die inländische Energieerzeugung und Infrastrukturen auch die laufenden Kosten zum Beispiel für den Betrieb von Netzen und Kraft[1]werken sowie Ausgaben für Energieimporte. Insgesamt schätzt die Studie diese Kosten auf 4,8 bis 5,5 Billionen Euro für den Zeitraum 2025 bis 2049. Davon entfallen 2 bis 2,3 Billionen Euro auf Energieimporte, 1,2 Billionen Euro auf Netzkosten (Investitionen und Betriebskosten), 1,1 bis 1,5 Billionen Euro auf Investitionen in die Energieerzeugung und rund 500 Milliarden Euro auf den Betrieb von Erzeugungsanlagen. „Ein zu hoher Transformationsdruck in Form unrealistischer Vorgaben führt zu extrem hohen und weiter steigenden Kosten, Fehlallokationen und Ineffizienzen“, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. Die deutsche Wirtschaft ziehe bereits Konsequenzen, ergänzt er: „Energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion und damit Arbeitsplätze schon jetzt verstärkt ins Ausland.“ Es brauche dringend ein Umdenken in der Energiepolitik, um die Belastungen durch die Energiewende in Deutschland zu reduzieren.
Studie setzt Denkanstöße für kosteneffizientere Energiewende
Die Studie von Frontier Economics macht hierzu konkrete Vorschläge und skizziert in Teilen einen radikalen Kurswechsel in der Energiepolitik. „Die Studie setzt wichtige Impulse. Wir müssen gesamtgesellschaftlich ohne Scheuklappen darüber diskutieren, was möglich ist“, sagt Achim Dercks, stellvertretender DIHK Hauptgeschäftsführer. Zentrales Instrument in dem Modell, das die Studie vorschlägt, ist ein CO2-Zertifikatehandel. Der Zielpfad wird regelmäßig an die Entwicklung einer internationalen Peer Group angepasst, um ambitionierten Klimaschutz zu erreichen, ohne Nachteile durch nationale Alleingänge für den Standort Deutschland zu erzeugen. Zudem sieht das Konzept vor, die Regulierung umfassend zu entschlacken, den Technologiewettbewerb zu verstärken sowie die vorhandene Energieinfrastruktur weiter zu nutzen. Letzteres gilt insbesondere für Gasnetze, die künftig Wasserstoff und klimaneutrales Erdgas – dekarbonisiert durch die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) – transportieren können. Ergänzend sollen Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte im Ausland auch in Deutschland anrechenbar sein.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich mit dieser Strategie 530 bis 910 Milliarden Euro bis 2050 einsparen ließen. Dies entspricht einer Reduktion von etwa 11 bis 17 Prozent der geschätzten Gesamtkosten der Energiewende. Weitere Kosteneinsparungen von 80 bis 220 Milliarden Euro können durch eine Verschiebung des Ziels der Klimaneutralität um zum Beispiel zwei Jahre entstehen. Insgesamt ergeben sich durch das Konzept – je nach Nutzungsgrad der internationalen Kooperation – Einsparmöglichkeiten von potenziell weit über einer Billion Euro bis 2050.
Auch kurzfristige Kostensenkungspotenziale nutzen
„Die Studie enthält Anregungen für eine langfristige Neuausrichtung der Energiewende. Gleichzeitig müssen wir die Vorschläge der Studie auch ganz praktisch kurzfristig nutzen“, sagt Dercks. „Aus DIHK-Sicht gehört dazu ei[1]ne übergreifende Netzplanung, ein Auslaufen der Erneuerbaren-Förderung für bereits wirtschaftliche Anlagen und ein effizienterer Energiemix, der auch den Einsatz von Biomethan, blauem Wasserstoff oder mit CCS dekarbonisiertem Erdgas technologieoffen berücksichtigt.“ Zudem sei es besser, den Bau neuer Gaskraftwerke nicht über eine staatliche Förderung, sondern über marktwirtschaftliche An[1]reize zu steuern – wie einer Absicherungspflicht für Stromversorge.
Auch kleinteilige Regulierung, Komplexität und bürokratische Prozesse stehen der Energiewende im Weg und kosten Akzeptanz. Auf EU-Ebene müsse der Bürokratie-Wildwuchs durch den Green Deal zurückgedrängt werden, so Dercks, und auf nationaler Ebene sollten das Gebäudeenergiegesetz vereinfacht und die Effizienzgesetzgebung verschlankt werden. „Noch in diesem Jahr stehen in der Bundesregierung wichtige Richtungsentscheidungen in der Energiepolitik an. Klar ist: Um die Energiewende erfolgreich zu gestalten, muss sie flexibler und einfacher werden. Es braucht eine Energiewende, die technologieoffen ist, Kosten reduziert, Raum für Innovationen schafft und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Voraussetzung für wirksamen Klimaschutz ernst nimmt.“
DIHK
WAB